Mord in Marburg
Herman Lindemann kam als Student nach Marburg, dessen Athmosphäre und Umgebung er bald so sehr lieben lernte, dass er nach seiner Emeritierung unter dem Pseudonym Jan Tilden mehrere Geschichten aus der Kleinstadt herausbrachte. „Der Tod des Pathologen“ ist dabei der erste einer mehrteiligen Marburger Krimi-Reihe. Eine Rezension.
Jochen Haller ist Medizinstudent in Marburg. Eines Tages stößt er dank seines Fabels für den Rudersport auf dem Grund der Lahn auf etwas eher Ungewöhnliches: Ein Motorrad. Bald stellt sich heraus, dass dessen Besitzerin umgebracht wurde. Eine Kette an Ereignissen ist die Folge und plötzlich befindet sich Jochen inmitten von Ermittlungen eines ganz anderen Mords, ausgerechnet in den Chefreihen des Universitätsklinikums Marburg/Gießen.
Bei Ermittlungen „mitmachen“
Tilden zeigt mit seinem Premiere-Werk als Autor seine große Empathie für Marburg. Umgebung und Charakter der Stadt sind liebevoll und detailgetreu beschrieben und seine Erfahrungen und sein Wissen innerhalb des medizinischen Bereichs sind beeindruckend in der Handlung verarbeitet. Der ehemalige Arzt und Universitätsprofessor versucht in seiner Geschichte das Marburger Studileben mit einer Kriminalstory zu verbinden, was ihm auch gelingt – zumindest meistens.
Oft genug zieht es einem beim Lesen nämlich dann doch die alt bekannte Augenbraue hoch. Zunächst stellt sich da nämlich die Frage, warum der Protagonist, ein junger Student, einfach mal so in strenggeheime Ermittlungen reinpfuschen darf. Am Ende sagt er dann tatsächlich: „Es war meine Entscheidung, bei euch mitzumachen.“ Man kann sich jetzt also mal eben entscheiden, bei Mordermittlungen „mitzumachen“. Ist ja interessant. Auch die im Grunde ganz nett eingebauten Liebesszenen entlocken dem*der Leser*in öfter mal skeptische Seufzer. Das beginnt, als bereits nach dem ersten gemeinsamen Techtelmechtel die Beziehung in Stein gemeißelt scheint, hört aber noch lange nicht damit auf, dass hier nach nur einem Tag Eifersuchtsszenen der – wie sollte es auch anders sein – weiblichen Beteiligten folgen. Und hier horchen nicht nur Feminist*innen auf. Generell riecht es irgendwie nach einem Versuch, die jung-erwachsene Stimmung und Sprache einer Studi-Generation wiederzugeben, was manchmal aber leider eher nach hinten losgeht, als dass man sich als Student*in tatsächlich davon angesprochen fühlt. Ich habe zum Beispiel noch nie das Wort „Bällchen“ als Synonym für die Bizepsmuskulatur gehört. Aber gut.
Im Grunde aber doch ganz nett
Was den*die Leser*in aber eigentlich viel stutziger macht, sind die vielen Satzbau-, Grammatik- und Formatierungsfehler, die einem beim Lesen nicht gerade selten übers Papier huschen. Irgendwas ist da schief gelaufen; man fragt sich, ob das Lektorat richtig wach war. Ignoriert man diese kleinen Makel aber, stellt sich das Buch letztendlich als amüsanter, gut recherchierter Krimi heraus, in denen manche Textformulierungen von meiner Generation wohl eher belächelt werden. Marburgliebhaber*innen können sich aber immerhin über das heimatliche Setting erfreuen. In Teil zwei bis fünf der Krimi-Reihe geht es dann sogar weiter mit dem Hobby-Ermittler und man darf miterleben, wie sich der Protagonist zu einem erfahrenen Uniprofessor und später sogar einem Antidoping-Experte entwickelt und seine Nase in immer mehr Todesfälle steckt. Allerdings immer noch ohne entsprechende Ausbildung.
Der Tod des Pathologen
Dustri-Krimi, 2009
256 Seiten
8,90 €
FOTO: Jomochito auf flickr.com, CC-Lizenz
PHILIPP-Gründerin und Chefredakteurin von 2014 - 2017.