Nach PHILIPP: Was macht Leonie, Chefredakteurin 2014-2017, heute?

Nach PHILIPP: Was macht Leonie, Chefredakteurin 2014-2017, heute?

Bild: Elija Ash Pauksch & Rebecca Größ-Ahr

10 Jahre PHILIPP – aber wo sind eigentlich die Ehemaligen heute? Und was haben sie von PHILIPP gelernt und mitgenommen? Das haben wir sie gefragt. Heute berichtet Leonie Ruhland, PHILIPP-Mitbegründerin und ehemalige Chefredakteurin, die von 2014 bis 2017 für PHILIPP geschrieben hat, davon, warum es okay ist, alte Träume loszulassen, um neue zu finden.

PHILIPP. So sollte unser Baby heißen. Dem wir das Laufen beibringen und es anschließend erfolgreich in die Obhut talentierter Menschen geben werden. Das geprägt von seinen Müttern Gestalt und Charakter erbt, um beides später unter dem Einfluss neuer Bezugspersonen weiterzuformen. PHILIPP war eine einschneidende Zeit in meinem Leben. Und letztlich vielmehr als die journalistische Erfahrung, die ich erwartet hatte. 

Als Katha und ich damals das Magazin gründeten, ahnte ich noch nicht, dass die Anleitung und Koordinierung einer zwischenzeitlich knapp 40-köpfigen Redaktion meine Vita mehr bereichern würden, als die vielen Themen und Texte, an denen wir gemeinsam arbeiteten. Diese Zeit zeigte mir das erste Mal, dass mir das Managen von Projekten extrem viel Spaß machte. Gewiss habe ich Fehler gemacht. Natürlich war die Arbeit oft alles andere als einfach. Und ziemlich sicher kam es öfter vor, dass ich keine entspannte und geduldige Teamleitung verkörperte. Aber gerade schwierige Situationen lehren einen viel.

Pläne sind zum Ändern da

Journalismus war lange mein großer Traum, und PHILIPP schien ein Sprungbrett in die richtige Richtung zu sein. Als ich meinen Posten als Chefredakteurin aufgab, um die Zeitenspiegel Reportageschule zu besuchen, fühlte sich das nach dem perfekten nächsten Schritt an. Während der Ausbildung realisierte ich jedoch die wohlige, abgeschottete Blase, die PHILIPP dargestellt hatte, im Vergleich zu einer Medienwelt, die – wie ich finde – den Draht zu den Menschen da draußen zum großen Teil verloren hat. Ich konnte mich in dieser Welt nicht wiederfinden. Weder konnte ich mir vorstellen, in einer Redaktion zu sitzen, in der ich jahrelang die gleichen vier Wände anstarre, noch reizte mich die Vorstellung, als Freie Journalistin ständig auf Akquise-Tour zu gehen, um meine Texte unterzubringen.

Man könnte jetzt sagen, ich hätte es mir zu leicht gemacht. Vielleicht, ja. Wahrscheinlich aber bin ich einfach an einer dieser unerwarteten Kreuzungen abgebogen, die sich oft unverhofft im Leben ergeben. Zum Beispiel, als ich in der Reportageschule für mehr weibliche Lehrkräfte kämpfte und mich plötzlich in einem Sog aus Bildungsarbeit, Eventorganisation und feministischen Aktionen wiederfand. Gepaart mit einer Ladung Management, et voilà: Auf einmal war ich Veranstalterin eines feministischen Festivals, Mitorganisatorin eines Hackathons gegen sexualisierte und diskriminierende Gewalt, und Konzeptentwicklerin von Workshops und Strukturen für Umgang und Prävention solcher Gewalt. Dabei begann ich ernsthaft zu hinterfragen, ob dieser kapitalistische Drang, nach Abi und Uni unbedingt einen festen Job haben zu müssen, der einen schlimmstenfalls für viele Jahre in den gleichen Trott einsperrt, wirklich das Ziel sein sollte. 

Einfach, weil ich es spannend fand

Es stellte sich heraus: Für mich ist es das nicht! Ich halte mein Leben gerne bunt und verstehe Arbeit nicht profitorientiert. Ich blieb in der projektbezogenen Bildungsarbeit und liebe die Flexibilität dieses Berufs. Mit 30 ging ich ins Ausland für einen internationalen Gender Master, einfach, weil ich es spannend fand. Ich bin in Vereinen aktiv, die ich teilweise selbst gründete, und experimentiere mit neuen Projektideen. Als thematischen Ausgleich begann ich, in meinem Hamburger Viertel monatlich einen 120-Minuten-Rave zu organisieren, bei dem sich jetzt regelmäßig Friends aus der Nachbarschaft treffen. Manchmal lege ich auch selber auf. PHILIPP hat mir dabei geholfen, den Mut aufzubringen, auch Dinge ohne strukturelle Sicherheit anzugehen. 

Damit möchte ich gern eine Message mitgeben: Ich habe ewig gebraucht, bis ich mir selbst eingestand, dass sich ein Traum manchmal als doch nicht so erträumenswert entpuppt. Lange dachte ich, ich hätte versagt. Doch die Wahrheit ist, dass sich Wünsche und Bedürfnisse im Laufe der Zeit ändern – und das ist in Ordnung. Mit Vierzig noch zu studieren ist genauso okay wie fünfmal den Beruf zu verändern, weil der richtige noch nicht dabei war. Natürlich ist das nicht für alle und nicht immer möglich. Ich bin mir meiner Privilegien durchaus bewusst. Aber wenn du die Wahl hast, entscheide dich für das, was dir wirklich wichtig ist, statt nur dem nachzujagen, was Ruhm und Geld verspricht. Denn dieses oberflächliche Glück ist meist nicht von Dauer.


Was andere ehemalige Redaktionsmitglieder heute machen, erfahrt ihr hier.

(Lektoriert von jap und joh.)

PHILIPP-Gründerin und Chefredakteurin von 2014 - 2017.

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