Von einem der auszog, doch kein Burschi zu werden

Von einem der auszog, doch kein Burschi zu werden

Karl A.* kam letztes Jahr nach Marburg und stand vor demselben Problem, das viele Studenten haben, wenn es um ein Dach über dem Kopf geht: Wie finde ich die geeignetste Unterkunft, ohne mein monatliches Budget übersteigen zu müssen? Karl stieß dabei auf eine Anzeige, die verlockender nicht hätte sein können und landete schließlich im Marburger Corps Hasso-Nassovia**. Doch nur nach zwei Monaten hatte er die Schnauze voll. Übrigens: Um einen Überblick über die ganzen Begrifflichkeiten zu bekommen, die in diesem Interview Erwähnung finden, lohnt sich ein Blick in unser Burschiglossar.

PHILIPP: Karl, nach meinen – zugegebenermaßen durchaus stereotypischen Vorstellungen – siehst du jetzt gar nicht aus wie einer, der mit Burschis rumhängt. Wie bist du denn überhaupt da gelandet?

Karl: Ich war dummerweise ziemlich spät dran mit der Wohnungssuche. Da ich auf keinen Fall pendeln wollte, musste es ziemlich schnell gehen und dazu kommt natürlich das generelle Geldproblem. Ich kam im Internet auf diese Anzeige, dass eine 8-Mann WG ein 20 m² Zimmer für 120 Euro im Monat bietet. Der Text war auch sehr freundlich und ansprechend gehalten. Von meiner Heimat aus kenne ich sowas wie Studentenverbindungen überhaupt nicht und dachte mir demnach natürlich nichts dabei.

Du hast dich also dort beworben?

Ja, und ich wurde auch direkt zu ihrer, wie sie es nannten, „Gartenkneipe“ eingeladen. Die Jungs meinten, dass ich dort Gelegenheit hätte, mir alles anzuschauen, und wenn es mir gefallen würde, könnte ich einziehen. Sie waren in ihren traditionellen Trachten gekleidet, was ich zunächst eigentlich ganz lustig fand. Im Großen und Ganzen war es wirklich ein sehr netter und lustiger Abend, ganz ohne irgendwelche Rituale, die ich dann später kennenlernen sollte. Im Nachhinein ist mir allerdings auch bewusst geworden, dass sie sehr darauf geachtet haben, wie sie sich verhalten.

Warst du der einzige Neuling?

Nein, insgesamt waren wir fünf, die auf die Vorzüge der Verbindung hereingefallen sind. Kommilitonen hatten mir auch ihre Bedenken mitgeteilt, gerade was die Bezüge von Burschenschaften zu Nazis angeht, aber zum einen hatte ich ja keine Erfahrung und es sah alles so gut und tolerant aus und zum Anderen wohnten da eh auch ausländische Studenten, weshalb ich Kontakt zu rassistischen Verbindungen direkt ausschloss.

Also bist du eingezogen…

Jo. Und am Anfang passierte auch nicht viel. Aber dann lernte man Personen und Umgebung erst richtig kennen. Nach zwei Wochen wurde ich zum Fuchs ernannt. Füchse sind Neulinge, die von den Burschen auf ihre Geeignetheit überprüft werden. Das war im Grunde mein Glück, da ich so quasi nur einen Probestatus erhielt und am Ende glimpflich aus allem raus konnte.
Ich wohnte also schon zwei Wochen in der Verbindung, als mir erst das ganze System nach und nach vor Augen geführt wurde. Jetzt erfuhr ich, dass es sich hier um eine „schlagende“ Verbindung handelte, also eine, die das Fechten ausführt. Während mir zu Anfang noch relativ liberal „empfohlen“ wurde, mir doch mal das Fechten anzuschauen, wurde uns doch recht schnell nahe gelegt, wie wichtig die Anwesenheit in den Paukstunden, also im Training, sei. Ich habe mir am Anfang nichts dabei gedacht und fand es auch wirklich interessant. Bald jedoch bekamen wir den Druck zu spüren und uns wurde eröffnet, dass wir bald auch zum Duell aufgefordert werden könnten. Das war dann der erste Faustschlag. Wir sind ja davon ausgegangen, dass das alles freiwillig wäre. Es folgte ein Zweiter: Zu Beginn wurde uns gesagt, dass wir immer im kompletten Schutz fechten würden. Doch im direkten Duell trägt man allerhöchstens einen Augen- und Nasenschutz. Wenn der Schläger also das Gesicht trifft, kann es durchaus sein, ordentliche Narben (Anmerkung der Redaktion: Das nennt man auch Schmisse) zu erhalten. Überraschung!

Was gehörte noch zu deinen Aufgaben als Fuchs?

Also erstmal erhielt ich ein komplettes Regelbuch. Das musste ich dann auswendig lernen.Hinzu kam auch noch diversen geschichtlichen Hintergründe: von anderen Verbindungen, von der eigenen, Namen von Gründungsvätern, das Hierarchiekonstrukt, etc. – das war eine komplette Zweitstudie! Außerdem mussten wir die „Alten Herren“ kennen, die, die schon seit Jahren Burschis sind und nach dem Studium das Ganze weiter finanzieren. Das ist es nämlich – wenn du einmal Bursch bist, wirst du das nie wieder los!  Ganz wichtig ist auch der Bezug zur Familie. Nicht die eigene natürlich, das wäre ja Unsinn. Die erwarten von dir, dass du im Grunde dein Privatleben völlig vernachlässigst und mehr Zeit in Kontakt zu deinem „Leibburschen“ und der Familie investierst.

Okay, was passiert, wenn du etwas verweigerst?

Grundsätzlich wäre das möglich gewesen – von wegen eigener Wille und so. Aber dann musste man eben damit rechnen, dass in der nächsten Sitzung ein Strafantrag folgt. Das bedeutet, dass man wirklich Knechtsarbeiten erhalten kann. Ich musste mal einen richtig üblen Ofen von oben bis unten sauber machen, weil ich zu spät zum Fechten gekommen bin. Wenn man die Arbeit nicht erledigt, kann man mit einem Rauswurf rechnen. Das haben die auch echt schlau gemacht: Beim Einzug hat man immerhin unterschrieben, dass man sich „bestimmte Verhaltensregeln aneignen“ muss.

Was waren das für Sitzungen?

Es finden Sitzungen statt, in denen beispielsweise der Senior, also der Oberste in der Hierarchie, gewählt wird. Füchse haben dabei nichts zu sagen und nehmen auch nicht teil. Allerdings mussten wir zu Burschensitzungen, sogenannte CCs, antreten und neben dem Bereitstellen von Getränken sollten wir sämtliche Lampen im Haus auf kaputte Glühbirnen überprüfen. Für eine zu ersetzende Glühbirne musste man ein Bier exen. Du musst dir im Klaren sein, dass das eine riesige Villa mit zig Kronleuchtern ist. Das konnte ewig dauern.

Die trinken da auch ziemlich gerne, was?

Nein. Trinken ist für die kein Vergnügen, es ist ein Duell. Wir wurden nach einer Weile darauf trainiert so trinken zu können, wie sie es erwarteten. Einen Abend wollten sie testen, wann ich an meine Grenzen stoße. Zweimal musste ich kotzen. Nur einmal habe ich es zum Papst geschafft, dieses Ding, das extra fürs Kotzen gedacht ist. Als ich dann ins Bett wollte, wurde ich aufgehalten mit der Begründung, dass ich ja jetzt gepapstet hätte. „Man trinkt ja nicht aus Spaß“, haben die mir dann gesagt. Wenn andere Burschis zu Besuch kommen, was öfter passiert, ist das Bierduell unausweichlich. Gastgeber und Gäste stehen dann gegenüber und trinken im Staffette das Bier leer. Das Ganze geht so lange, bis die Gastgeber gewonnen haben. Wirklich, die hören sonst nicht auf! Einmal kam ich morgens heim und die saßen da immer noch am duellieren, während andere ohnmächtig auf der Treppe lagen oder eben über diesen bekloppten Papst hingen.

Warum machen die denn sowas?

Früher haben sich Burschenschaften ständig duelliert – aber mit dem Schwert. Das hat dann natürlich nachgelassen, weil es zu altmodisch war, also ging man auf alltägliche Dinge über und nutzte das Bier.

Wie war das, als du ihnen gesagt hast, dass du ausziehen willst?

Das war ziemlich krass. Also wir Füchse haben ja alle zur gleichen Zeit entschieden, dass wir da raus wollen. Dann brach für die Burschis die Panik aus. Wir wurden auf einmal völlig isoliert und ignoriert, es war, als würden sich zwei Widerstandsblöcke aufbauen, nur haben die uns nun eben als Verfeindet angesehen, während wir einfach unsere Ruhe wollten.
Das Problem war natürlich, dass wir jetzt eine Gefahr für ihr Image gegenüber möglichen Neulingen sein konnten. Auf einer Party wurden wir auf unsere Zimmer geschickt. Zuerst folgten wir der Anweisung, aber irgendwann bekamen wir halt Hunger und sind in die Küche. Komplett im Pyjama mitten in diese Masse aus Anzügen und Cocktailkleidern. Das hat denen natürlich nicht so gefallen.

Aber es ist nichts passiert?

Nein, also irgendjemand hat gehört dass uns noch eine Tracht Prügel blühen würde, aber davon haben wir zum Glück nichts mitbekommen. Wir sind auch einfach selten mehr alleine im Haus herumgelaufen, weil so eine unfassbar psychisch erdrückende Atmosphäre herrschte. Sie haben oft versucht, uns alleine zu erwischen, auch einfach nur um uns über irgendwas auszufragen, aber das haben wir eben nie zugelassen. Weißt du, wenn du nicht aufpasst, kannst du da psychisch ganz schön manipuliert werden.

Inwiefern?

Naja, die brechen quasi all deine Werte und Beziehung auf, die du vorher aufgebaut hast, um ihre eigenen Vorstellungen einpflanzen zu können. Das kann echt passieren, dass man dort physisch und auch seelisch so kaputt gemacht wird, dass man irgendwann nur noch die Möglichkeit sieht, sich umerziehen zu lassen. Eine richtige Gehirnwäsche ist das!

Aber du bist jetzt endlich raus…

Ja. Das war wirklich mein größtes Problem – wie soll ich meine Persönlichkeit schützen? Soll ich meine Werte vernachlässigen, um nicht so viel leiden zu müssen? Jetzt bin ich raus und ich fühle mich so frei wie nie zuvor. Ich kann endlich der sein, der ich wirklich bin!

* Damit Karl sein jetzt freies und ruhiges Leben in Marburg so weiterführen kann, wie er es gewohnt ist, haben wir seinen Namen im Sinne des Quellenschutzes geändert.
** Die beschriebene Verbindung hat sich zu den Vorwürfen nicht geäußert.

PHILIPP-Gründerin und Chefredakteurin von 2014 - 2017.

13 Gedanken zu “Von einem der auszog, doch kein Burschi zu werden

  1. Also grundsätzlich denke ich, dass dieser Bericht furchtbar schlecht recherchiert ist (Wohlgemerkt an der Terminologie und dem Glossar) andererseits doch auch ganz unterhaltsam ist. Denn er strotzt vor Intoleranz und mythisierender Phantasterei.

  2. Ein guter Artikel, gefällt mir sehr gut.
    Und ich bin echt froh, dass hier bei uns im kleinen Paderborn ein anderer Wind weht.
    Ich bin selber in einer Studentenverbindung – nicht-schlagend, nicht-farbentragend und keine Burschenschaft.
    Das, was aber in so manch anderer Verbindung oder Burschenschaft abgeht, finde ich sehr bedenklich. Gerade so die Dinge, die verheimlicht werden und dann erst später herauskommen – man lügt doch da nicht nur irgendjemanden an, sondern Menschen, die man mal im „Team“ dabeihaben möchte. Kein Wunder wenn man die Leute verschreckt, wenn man nicht offen zu ihnen ist.
    Die Sache mit der Gehirnwäsche finde ich auch blöde. Möchte man Werbung für seinen Bund machen, sollte man doch froh sein, wenn der Neuling doch seinen Freunden und Verwandten davon erzählt, da kommen doch weitere Mitglieder bei rum. Aber ich vermute eher, das machen die Burschen eher zum Selbstschutz. Da scheint ja im Hintergrund einiges schief zu laufen, was nicht nach außen dringen soll – das macht den Artikel dann natürlich umso besser!
    Infolgedessen bin ich mit „meinen Jungs“ jetzt noch etwas zufriedener. Ich bin damals auch auf der Suche nach einer Wohnung gewesen. Die Leute haben mir einfach sofort gefallen und ich fand es da sympathisch, Verbindung war da nur eine Nebensache. Inzwischen bin ich selber Bursch(i) und kann den Verein mitgestalten – also auch etwas verändern, wenn mir etwas nicht passt.
    An dieser Stelle könnte ich natürlich lang und breit berichten, wo die Unterschiede bei uns zur dargestellten Burschenschaft liegen, das würde aber zu lange dauern und eh nix bringen – jeder Verein ist anders und man kann sie nicht über einen Kamm scheren. Am muss sich da immer ein eigenes Bild machen, erzählen kann man so Vieles. So einige „Vereine“, wie der oben genannte machen aber das Gesamtbild Verbindungen sehr kaputt und sorgen für ein schlechtes Image unter dem andere zu leiden haben.

  3. Wieso bezeichnet Karl denn diese Verbindung im Interview noch als Burschenschaft, obwohl es sich um ein Corps handelt? Nicht alle Verbindungen sind auch Burschenschaften.

  4. Ich hab selten, wirklich selten, solch einen Unfug über Korporationen gelesen und mutmasse, dass „Karl“ nie Mitglied bei einem Corps oder sonstwo war.

  5. Das Interview ist so dermaßen schlecht und der Inhalt so unglaublicher Mist, dass das nicht echt sein kann. Ich ziehe auf das Haus eines pflichtschlagenden Clubs und check erst nach Monaten, wie die Mensur läuft… wer’s glaubt…

  6. Also so einen Scheiß habe ich noch nie gelesen. Kenne das Corps, das im Übrigen keine Burschenschaft ist, gut. Des Weiteren kenne ich viele Mitglieder anderer Verbindungen, weder rechts noch frauenfeindlich oder was auch immer,“Kai“ kann in meinen Augen nicht wirlich Mitglied gewesen sein- sonst würde hier im Interview nicht so erfundenes Zeugs stehen…. Schade, dieses Mal wirklich richtig schlecht!

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