Whiskey, sieben Fronten und ein Mathegenie

Die Poetry Slammer Felix Lobrecht und Malte Rosskopf haben ein Buch rausgebracht. Ihren 192-Seiten starken Roman „10 MINUTEN? DIT SIND JA 20 MARK! Zeit ist Geld und wir haben’s eilig“ stellen sie derzeit in einer Release-Tour durch Marburg, Gießen und Berlin vor. Am 9.10.2015 war in der Marburger Cavete Auftakt. Autorin Leonie hat sich das Buch mal zu Gemüte geführt und war auch am Freitag zugegen.

Der kleine Seitenraum des Jazzclubs Cavete ist gefüllt und ein mattes Licht fällt auf die Besuchenden der heutigen Veranstaltung. Darunter sind auch unser Fotograf und ich. Felix zählt uns. Beziehungsweise, er lässt zählen: „Eins“, sagt die erste Person ganz vorne. „Zwei“, die zweite und weiter geht’s durch den ganzen Raum. „Vierunddreißigeinhalb“, stellt Felix schließlich die Anzahl seiner Gäste fest. „Der Fotograf zählt nur halb, der will ja gar nicht hier sein!“

47 Flaschen Whiskey

Die 34,5 Menschen – später sind es knapp 40 – sind gekommen, um seiner und Maltes Buchveröffentlichung zu lauschen. „10 MINUTEN? DIT SIND JA 20 MARK!“ kam am 15. September auf den Markt, am Freitag, den 9.10., stellten die beiden Poetry Slammer das Ding schon einmal vor. Lesungen, Spielchen, kleine Beleidigungen, fiese Witze und vor allem jede Menge Whiskey prägten den Abend: Die Jungs wurden für ihre Release-Tour mit 47 Flaschen von Tullamore Dew gesponsort, die sie an Rätsel-lösende oder Fragen-stellende Personen verteilen. Oder einfach nur an „die besten Zwischenrufe“. Das Publikum besteht fast ausnahmslos aus Studierenden, was nicht so verwunderlich ist, kennt man den Inhalt des Buchs. Verhaltensweise, Umgang, Sprech wenden sich doch eher an die, sagen wir, Ende 80er/Anfang 90er Generation. Ich weiß nicht, ob meine Mama viel mit dem Text würde anfangen können. Wahrscheinlich nicht.

Der Roman handelt von Felix und Malte selbst. Felix hat einen Verleger aufgetrieben und läd sich kurzerhand selbst in Maltes Wohnung nach Berlin ein. 31 Tage wird er dort nun wohnen – nicht unbedingt zur größten Freude Maltes – und gemeinsam mit seinem Kumpel am Buch schreiben. Dabei stoßen die beiden auf zahlreiche Hürden, wie zum Beispiel Kreativlosigkeit, Liebeskummer, Angriffe von wild gewordenen Kleibern, skurrile Begegnungen mit ihrem vermeintlich drogensüchtigen Verleger und schließlich der gute alte Streit unter Kollegen. „Fick dich, Rosskopf, fick dich einfach!“ und „Halt doch mal deine bekackte Scheißfresse, Felix!“ sind da noch recht harmlose Aussagen, die in dieser Situation fallen – die übrigens ebenfalls untermalt mit Whiskey ist.

„Bitte lachen!“

Unter die Sparte „Literarische Sitcom“, hätte Felix ihren Roman gepackt, würde es sie geben. Es ist ein bisschen Mix von einer handlungsstringenten Geschichte und einer Sammlung von Poetry Slam-Texten. Beim Lesen bin ich mir manchmal nicht ganz sicher, ob die Jungs sich einfach nicht entscheiden konnten, recht amüsant ist aber beides. Ein paar der Slam-Texte kennt man bereits, Felix‘ Verachtung gegen die Humanbiologen und deren Unahnungslosigkeit über eine gescheite Fete zum Beispiel. Den liest er auch am Freitag und muss sich prompt von einem Gast anhören: „Wenn das unter ‚literarische Sitcom‘ fällt, kommen dann jetzt auch so Schilder mit ‚bitte lachen‘?“ Malte belohnt ihn dafür mit einem Schluck Whiskey. Generell scheint es Felix nicht leicht zu haben an diesem Abend. „Sieben Fronten“, zählt Malte irgendwann, „die du dir hier aufgebaut hast!“ Für ihren Evaluationsbogen, den sie in der Pause herumgeben wollten, scheint es also nicht so prickelnd zu stehen.

 

Viel affirmatives Gelächter und Beifall kommt den Jungs trotzdem entgegen. Denn eines können sie als erfahrene Poetry-Slammer gewiss: Unterhalten. Während das Buch ein bisschen Interpretationsfähigkeit und Einbildungskraft für Sprachumsetzung und Gestik der erzählten Handlungsstränge benötigt, ist die Lese von Felix und Malte an dem Abend selbsterklärender. Dementsprechend muss ich heute auch wesentlich mehr lachen, als bei meiner eigenen Lese. Rhetorik ist eben alles. <3

Sie lesen noch ein Kapitel aus dem Buch: „Tag 14“. Das sei nämlich genau die Hälfte eines Monats, also ihrer Zeit in der Geschichte, das Buch zu schreiben, meint Felix. „Was ich weiß, weil ich ein Rechengott bin“, fügt er noch hinzu. Malte schaut irritiert: „Warte… zwei mal vierzehn, das macht achtundzwanzig!“ Felix will seinen Fehler aber nicht einsehen: „Ja, ein Monat hat vier Wochen…“ Um 22 Uhr ist schließlich Schluss. Malte gibt am Ende noch seine Best of Rankinglisten zu Gute, die er nach eigener Aussage zum Einschlafen braucht. Ich frage mich, was mit den noch übrigen 44 Flaschen Whiskey passiert, schnappe mir meinen – durch ein dummes Kommentar verdienten – Restschluck und hocke mich noch für eine Weile zu den beiden Slammern, die nun ihre Bücher mitsamt netter Einträge verkaufen. 

11245495_1625106534393247_4182823995059828034_nFelix Lobrecht & Malte Rosskopf
10 MINUTEN? DIT SIND JA 20 MARK!
SATYR Verlag, 2015
192 Seiten
12,90 € (Taschenbuch)

FOTOS: Luis Penner

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