Was machen eigentlich… die Astro-Physiker:innen
Schon mal damit geliebäugelt, das Fach zu wechseln oder einfach mal in ’ne Vorlesung zu setzen, damit man versteht, was der*die Mitbewohner:in da immer so faselt? In unserer Reihe „Was machen eigentlich…“ geben Fachfremde Einblicke in die Studiengänge unserer Uni. Politikwissenschaftlerin Leonie hat sich diesmal die „Astronomie“ herausgepickt, ist letzten Endes in der Astro-Physik gelandet und hat jetzt richtig viele Sterne vor Augen.
Geil! Heute besuche ich eine Vorlesung der Astronomie. Astronomie, Mensch, das ist doch bestimmt mega interessant, denke ich. Die ganzen Sterne da oben haben sicher sau viel zu erzählen, das ganze Universum ist ein riesiges Mysterium, dem ich gerne mal etwas genauer auf den Grund gehen würde. Und dann der ganze Sternzeichen-Quatsch. Ob die da wohl herausfinden, woher die Horoskop-Schreiber:innen ihren Stuss so hernehmen? Ich bezweifele es zwar, aber man kann ja mal hoffen.
Again that science stuff
Die Vorlesung findet im Großen Hörsaal statt, oben bei der Physik im Renthof. Morgens um zehn Uhr läuft man da ja auch so richtig gerne den steilen Berg hoch. Frühsport und so – sofort fit in den Tag! Klar, dass meine Laune bereits auf dem Höhepunkt ist. Oben angelangt treffe ich Robin, der heute zwar nur mal zum Schnuppern, den Kurs im nächsten Semester aber auch selbst belegen wird. Der 21-jährige Physikstudent klärt mich dann auch erst einmal eines Denkfehlers auf, den ich wohl gemacht und mir spätestens am Institut auch eigentlich bewusst sein sollte: Es handelt sich nicht um eine Astronomie, sondern eine Astro-Physik-Vorlesung, in die wir uns gleich setzen. Toll. Ganz, ganz toll. Während Astronomie nämlich „mehr mit Beobachtung und Datenauswertung zu tun“ hat, wie Robin mir erklärt, dreht sich die Astro-Physik „mehr um Berechnungen.“ Großartig! Rechnen. Natürlich eins meiner ganz besonderen Leidenschaften. Und Physik generell. Prima. Damit wäre nach den Besuchen in die Pharmazie im Sinne der Chemie-Lehre und der Biologie nun auch mein drittes schulisches Grausfach abgedeckt. Wie zur Hölle bringe ich mich eigentlich immer in diese Situationen?
Gut, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Wir laufen zum Renthof 5, einem seit letztem Jahr übrigens bereits 100 Jahre alten Gebäude. Drinnen fühle ich mich ein bisschen wie auf dem Bockenheim-Campus, falls schon mal jemand in der Goethe-Uni Frankfurt war. Nur alles ein bisschen kleiner. Robin führt mich zu einer Tür, die mich irgendwie an Harry Potters Schrank unter der Treppe erinnert. Ich bin ernsthaft überrascht, als wir in einem Hörsaal landen. Ein ziemlich leerer Hörsaal, dazu gesagt. Gerade mal zwölf Personen sitzen auf den kleinen braunen Klappstühlen. Professor Dr. Schrimpf, ein recht sympathisch wirkender, grauhaariger Mann, steht bereits vorne und spielt an seinem Computer herum. Er eröffnet die Sitzung mit einem faszinierenden Bild, das einen leuchtenden Strahl zeigt. Er erklärt, dass es sich hier um ein so genannten „gamma-ray burst“ handelt, dass man aber nicht so genau wisse, was das überhaupt sei. Es sei lediglich bekannt, dass dieses Ding extrem viel Energie hat und dabei einen minutenlangen Gamma-Anstieg auslöst. Aha.
Von F- und P-Flecken. Bitte nicht falsch verstehen.
Was mir dabei Krasses auffällt ist, dass der Prof die ganze Zeit an seinem Touchding auf die Folien drauf malen oder Textblöcke verschieben kann. Das ist ja total fancy! Während wir da unten in der PhilFak immer nur eine langweilige Power-Point-Folie nach der anderen vor die Augen geknallt bekommen, kann der hier voll die coolen Tricks mit seinem Was-auch-immer-das-ist (ich bin technisch leider nicht so versiert) machen. Läuft bei dem. Aber kehren wir zu dem zurück, was durch das Ding vermittelt werden soll. Professor Schrimpf hat seine kleine Opening-Info beendet und beginnt nun mit der Anknüpfung an die letzte Sitzung. Da ging es um die aktive Sonne, genauer um eine Untersuchung der Sonnenflecken. Dort herrscht wohl eine Magnetstärke, die 10000 Mal so hoch ist, wie das auf der Oberfläche unserer Erde. Und dann gibt es auch noch unterschiedliche Flecken, nämlich die f- und die p-Flecken. Das steht für „following“ und „proceding“, weil, kennt man ja, es gibt eben die Führenden und die, die stumpf folgen.
Der Prof erklärt, dass sich die Magnetfelder ausbeulen, wodurch sie sich immer weiter annähern und schließlich den Effekt erzielen, dass es zu einem magnetischen Kurzschluss kommt, was wiederum zu Spannungen führt und als so getaufte „Flares“ Materie raus ins Universum schießen. Also eine Art Explosion nach dem magnetischen Kurzschluss. Oder wie der Prof sagt: „Das ist dann weg.“ <3 Die Sonnenflecken dienen hierbei übrigens als Durchbruchstellen dieser magnetischen Flussröhren. Die ausgeworfene Materie gelangt innerhalb von ein bis zwei Tagen zur Erde und projizieren dort – zumindest manchmal – die wohl bekannten Polarlichter. Yeah, die hab ich sogar schon mal live gesehen.
Atome und Weltraum halt
Ich schaue mich im Saal kurz um. Inzwischen sind wir starke 16 Personen. Davon ist eine Person weiblich und niemand hängt am Smartphone. Wie erfrischend. Die studieren ja wirklich! Derweil sind wir am Sternenhimmel angelangt. Zunächst zeigt uns Professor Schrimpf mehrere Diagramme, in denen die Sterne nach Temperatur und Leuchtkraft sortiert wurden. Erstmals 1911 von Ejnar Hertzsprung und 1914 erweitert von Henry Russell, welches anscheinend DAS Diagramm der stellaren Astrophysik darstellt. „Der absolute Renner“, sagt Prof. Schrimpf, wobei ich mir darunter ehrlich gesagt etwas deutlich Spannenderes als so ein Diagramm vorstellen könnte. Der Prof erklärt uns, dass die Leuchtkraft durch ein „Wasserstoffbrennen“ kommt, welches durch aufkommenden Druck durch die Energieproduktion entsteht. Außerdem erfahre ich, dass Wasserstoff und Helium das Grundmaterial eines Sterns sind. Also, in ihrem Kern bauen Sterne, angefangen mit Wasserstoff- und Heliumkernen, schwere Atomkerne aus leichteren zusammen und gewinnen daraus Energie. Im Normalfall leben sie dann acht bis zehn Milliarden Jahre, weil diese Energiegewinnung irgendwann nicht mehr funktioniert. Falls man das „Leben“ nennen kann. Das „Sterben“ hingegen klingt krass: Der Stern wird dabei in einer, wie Robin so schön enthusiastisch sagt: „gigantischen, titanischen, immensen Explosion“ zerrissen. Das nennt man dann eine Supernova. Dann spricht Prof. Schrimpf von Riesen, Unterzwergen und Überriesen, wobei ich leider völlig den Faden verliere, weil meine Gedanken jetzt immer wieder in die Fabelwelt vom Herrn der Ringe abschweifen. Hab ich lange nicht mehr geguckt, das Epos, sollte ich demnächst mal wieder machen!
Und dann sagt Professor Schrimpf einen faszinierend schlauen Satz: „Man sieht nur, was man sehen kann.“ Nun, darüber lässt sich in gewissen Situationen natürlich streiten, gemeint ist hier aber die Lehre der Astronomie. „Man ist quasi blind auf beiden Augen.“ Damit beendet der Professor auch die Vorlesung und hinterlässt nicht gerade eine aufbauende Stimmung im Saal. Sonne und Sterne also. Immerhin lag ich mit „Weltraum“ noch richtig. Zum Abschluss frage ich noch ein paar der sehr übersichtlichen Anzahl an Teilnehmenden, ob sie mir den Inhalt der gesamten Vorlesung einmal knapp für Dumme zusammenfassen könnten. „Atome und Weltraum“, sagt Eva, die inzwischen im fünften Semester Physik studiert. „Die Struktur von Atomen und Kernteilchen von Elementarteilchen“, fügt ihr Kommilitone Benjamin hinzu. „Das ist aber auch so ein Begriff…“, erwidert Eva, die mein „für Dumme“ wirklich umzusetzen versucht. Aber das ist gar nicht so leicht. Ein verniedlichendes „chen“ dranzusetzen macht’s nämlich auch nicht unbedingt besser. „Im Grunde wird alles, was man vorher nicht hatte, hier reingepackt“, erklärt Benjamin schließlich und mir soll das für heute auch reichen. Irgendwas mit Teilchen, Atomchen, Kernchen, Elementchen und Universum halt. Interessant, wirklich, aber leider nix für mich!
FOTO: Robin Mentel
PHILIPP-Gründerin und Chefredakteurin von 2014 - 2017.