Sneak Review #27: Schrotten!

Sneak Review #27: Schrotten!

Und wieder fragen wir: Haben sich die vier Euro Eintritt gelohnt oder greifen bereits die ersten Cineast:innen nach ihren Jacken? Diesen Dienstag in der Sneak: Die deutsche Komödie „Schrotten!“ von Regisseur Max Zähle mit Lucas Gregorowitz und Frederick Lau. 

Hand aufs Herz: Wer träumt denn nicht von einem Leben auf einem Schrottplatz in der Provinz? Von einem Alltag, der von eintönigem Essen und dem Zerlegen von metallenem Diebesgut geprägt ist? Mirko Talhammer ist von dieser Aussicht weniger begeistert, verfolgt lieber den Traumberuf eines schmierigen Versicherungskaufmannes und bricht den Kontakt zum heimischen Hof ab. Nach 15 Jahren der Trennung führt ihn ein unangenehmes Ereignis zurück zum heimischen Hof. Völlig deplatziert steht er nun gestriegelt und im Anzug zwischen Traktoren, Schweißgeräten und Hebebühnen. Er passt nur schwer in das Bild von Proleten, welches seine Familie abgibt. Seine Familie, die vor dem Ruin steht.

RUMMS. Die Kopfnuss eines ungepflegten, aber leider mit ihm verwandten Proleten holt den aalglatten Versicherungsheini Mirko Talhammer (geil gespielt von Lucas Gregorowitz) aus dem spießigen Hamburger Büro in die Realität seiner Familie auf dem Land zurück. Der Tod seines Vaters bringt ihn mit seiner Sippe zusammen, deren Alltag als gaunerhafte Schrotthändler er 15 Jahre lang erfolgreich den Rücken gekehrt hat. Der Zeitpunkt ist für ihn aber weniger ideal. Das Schneeballsystem, über das er Versicherungen mit unschönem Kleingedrucktem an naive Kunden verkauft, droht, zusammenzubrechen, wenn er nicht binnen weniger Tage 100 000 € auftreiben kann. Doch nun geht es um die Zukunft des Hofs und damit der ganzen Familie, denn Wolfgang Kercher (Jan-Gregor Kremp) – der fette, Zigarren rauchende Chef sämtlicher Schrotthändler der Gegend –  will sich nun auch den Hof der Talhammers unter den Nagel reißen. Der gewiefte Taktiker macht Mirko, der zur Hälfte Eigner des Hofes ist, ein Angebot, das dieser in seiner Lage kaum ablehnen kann. Sein Bruder Letscho Talhammer (Frederick Lau) und die hübsche Luzi (Anna Bederke) – mal ehrlich: Wer denkt sich diese Namen aus? – haben einen anderen Plan, um sich aus der Misere zu befreien: Sie wollen einen von Kerchers Waggons mit 40 Tonnen Kupfer stehlen, um mit dem Geld aus dem Verkauf des Edelmetalls ihre Finanzen und so ihren Hof zu sichern. In dieser Situation – von Bruder, Chef in Hamburg, Schrotthändlermagnat und Polizei unter Druck gesetzt – tut Mirko nun das einzig Vernünftige.

Witzig, spannend, umweltfreundlich!

Die von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein geförderte Produktion ist ein Film über den Gegensatz von Woher-kommst-du und Wohin-gehst-du, das zwischenmenschliche Gegenstück zur ewigen Frage von Nature vs. Nurture. Regisseur Max Zähle hat hier ein schönes Stück deutsches Qualitätskino abgegeben: Mit wenig Budget, aber viel Fantasie für Plot-Twists und sehr überzeugenden Schauspielern unterhält die Komödie über die gesamten gut 100 Minuten hinweg. Allen voran Lucas Gregorowicz als Mirko Talhammer liefern die Protagonisten eine beeindruckende schauspielerische Leistung ab, die sich ohne Weiteres mit jener großer, US-amerikanischer Produktionen messen kann. Die Landschaft der Provinz mit dem Dorfleben ist toll in Szene gesetzt, besonders die vom Morgennebel durchsetzten Wiesen und Wälder. Die Schauspieler und Max Zähle beweisen großes Schauspieltalent samt Gespür für richtige Kameraperspektiven. Leider stören einige kleinere Plot-Holes den Genuss – der Antagonist Kercher ist etwas eindimensional gezeichnet und seine Reaktionen, besonders gegen Ende, mitunter wenig nachvollziehbar. Die Entwicklungen der Handlung im mittleren Drittel sind leider leicht vorhersehbar. Dennoch überrascht der Film mit einigen sehr interessanten Ideen und Wendungen im letzten Drittel. Summa summarum ein sehenswerter Streifen, der besonders durch die Leistung der Schauspieler:innen und der Situationskomik der entgegengesetzten Lebenswelten von Mirko und seiner Familie glänzt. Übrigens: Der Film wurde nach den Empfehlungen des Grünen Drehpasses für umweltfreundliches und nachhaltiges Drehen der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein produziert. Geil!

„Schrotten!“ kommt am 5. Mai in die deutschen Kinos.

FOTO: Port Au Prince Pictures

Als Science Guy zuständig fürs Wissenschaftsressort bei PHILIPP und studiert gerade Physik.
Liebt schottische Single Malts, Kafka und alles, was irgendwie mit Astronomie zu tun hat.

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