Was bedeutet der Physik-Nobelpreis für die Wissenschaft, Prof. Lenz?

Was bedeutet der Physik-Nobelpreis für die Wissenschaft, Prof. Lenz?

PHILIPP: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns nehmen. Was sind das eigentlich für Wellen, die da entdeckt wurden?
Prof. Dr. Peter Lenz: Das ist ein Begriff, der sehr tief in der ART steckt (Anmd. d. Red.: Allgemeine Relativitätstheorie). Albert Einstein hatte diese Wellen 1916 vorhergesagt und in seiner Theorie beschrieben, dass die Raumzeit, also der Raum der uns umgibt verknüpft mit der Zeit, gekrümmt ist und die Gravitation, oder Schwerkraft, einfach eine Folge dieser Krümmung ist (Anm. d. Red.: Wie eine Murmel ein Gummituch krümmt und deswegen eine andere Murmel auf dem schrägen Gummi nach unten rollt). Weil diese Raumzeit nichts statisches ist, hat er erkannt, dass diese Gravitstionswellen eine Störung dieser Raumzeit ist. Wenn sich nun extrem schwere Objekte beschleunigt bewegen, die 30 mal so schwer sind wie die Sonne, dann strahlen sie Energe ab in der Form von Gravitationswellen. Diese Wellen verhalten sich prinzipiell genauso wie elektromagnetische Wellen, die wir ja alle kennen – also sichtbares Licht, Radiowellen, UV-Licht usw. – sodass alle Physiker überzeugt waren, dass sie existieren. Aber schon Einstein dachte, dass es niemals gelingen würde, diese nachzuweisen.

Warum hat es dann 100 Jahre lang gedauert, bis man sie nachweisen konnte?
Weil die Effekte unglaublich klein sind. Das Prinzip der Detektoren des LIGO (Anm. d. Red.: Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory, der Detektor der Entdeckung), funktioniert so: Sie bauen zwei senkrecht aufeinander stehende Laser auf, die zwischen Spiegeln viele Male hin und her laufen und dann auf einem Schirm interferieren. Diese Interferenzmuster verändern sich leicht, wenn eine Gravitationswelle den Lauf der Laserstrahlen stört. Leicht meint hier der zehntausendste Teil eines Atomkerns (Anm. d. Red.: Das hieße, den Abstand zum nächsten Stern auf eine Haarlänge genau zu bestimmten), und diese Veränderung ist experimentell beobachtbar. Das ist eine sehr große Herausforderung. Wenn sie dies auf der Erde durchführen, müssen sie die Störungen von Zügen, Autos, und Bauarbeiten herausrechnen (Anm. d. Red.: In Hannover steht mit dem GEO600 ein ähnlicher, kleinerer Detektor. Obwohl über 200km von der Küste entfernt, ist in den Daten sichtbar, wenn sich Wellen am Nordseestrand brechen).

Was hatten Kip Thorne, Rainer Weiss und Barry Barish mit der Entdeckung zu tun?
Rainer Weiss war das Mastermind hinter dem Ganzen. 1967 wurde er als Assistant Professor beim MIT bei einer Vorlesung über die ART von einem Studenten gefragt, wie man diese Gravitationswellen nachweisen könnte. Weiss konnte diese Frage zwar nicht beantworten, aber das Problem ließ ihn nicht mehr los. Nachdem er sich lange Gedanken dazu gemacht hatte, kam ihm diese idee mit dem Laser Interferometer. Er hatte am MIT zuerst einen Prototyp gebaut und den über die Jahre hinweg weiter entwickelt und hochskaliert. Vor allem aber konnte er Leute dafür begeistern. Kip Thorne, auch ein theoretischer Physiker, war anfangs sehr skeptisch gegenüber dem Projekt und hatte noch 1971 in einem Lehrbuch geschrieben, dass es unmöglich wäre, diese Wellen jemals experimentell nachzuweisen. Bei einer Veranstaltung in Washington aber mussten sich Thorne und Weiss ein Hotelzimmer teilen. Die beiden diskutierten die ganze Nacht über die Nachweisbarkeit von Gravitationswellen und am Ende hatte Weiss Thorne von dem Projekt überzeugt. Thorne hatte dann die Theorie der Gravitationswellen ganz entscheidend weiter entwickelt und dabei auch sehr früh die Möglichkeiten für die Astronomie erkannt. Barish wiederum war quasi der Organisator der LIGO-Kollaboraton. Er hat nicht nur für die Finanzierung gesorgt, sondern auch die Kollaboration von Tausenden Wissenschaftlern in verschiedenen Ländern organisiert. Zuletzt hat er sich mit den alltäglichen Problemen des Detektors beschäftigt. Gerade um das Signal einer Welle aus den störenden Einflüssen herauszufiltern, brauchen sie Dämpfungsanlagen, die er entwickelt hat. Das Nobelpreiskommitee hat wirklich gut gearbeitet und das Mastermind, den Visionär und den Organisator geehrt.

Was für weitere Möglichkeiten ergeben sich nun für die Astronomie mit der Erforschung von Gravitaionswellen?
Die Beobachtung des Weltalls mittels Gravitationswellen eröffnet völlig neue Wege in der Astronomie und Kosmologie. Im Falle der ersten Entdeckung wurden die beobachteten Gravitationswellen von der Kollision zweier Schwarzer Löcher verursacht. Der zeitliche Verlauf des Signals gibt Ihnen dann Aufschluss über die Größe der Schwarzen Löcher und deren Umlaufzeit. Andere Ereignisse, wie das Verschmelzen zweier Neutronensterne, können Sie damit überhaupt erst identifizieren. Wenn Sie diese Beobachtung dann mit anderen Techniken kombinieren, können Sie sehr viel über den Aufbau und das Leben unterschiedlichster kosmologischer Objekte erfahren.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

IHR KÖNNT SIE HÖREN: Die Frequenz dieser Wellen sind in einem Bereich, in dem wir sie hören könnten – wenn es denn akustische Wellen wären. Die Leute vom LIGO haben ein faszinierendes Video gemacht, indem sie die Wellen ins akustische „übersetzt“ haben. Hier (Youtube) könnt ihr hören, wie der Tanz zweier Schwarzer Löcher die Raumzeit zum Beben bringt.

Foto: Henze, NASA

Zur Person: Dr. Peter Lenz ist Professor für Komplexe Systeme am Fachbereich 13, Physik. Nebenbei forscht er auch zu Themen der Allgemeinen Relativitätstheorie und hat sogar vor kurzem ein Buch veröffentlicht, das die ART ohne Mathematik erklärt: „General Relativity Without Math“, bei iTunes.

Als Science Guy zuständig fürs Wissenschaftsressort bei PHILIPP und studiert gerade Physik.
Liebt schottische Single Malts, Kafka und alles, was irgendwie mit Astronomie zu tun hat.

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