Was bedeutet der Wirtschafts-Nobelpreis 2017 für die Wissenschaft, Prof. Korn ?

Was bedeutet der Wirtschafts-Nobelpreis 2017 für die Wissenschaft, Prof. Korn ?

2017 wurde der Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften an Richard Thaler vergeben. Thaler wurde für seine Erkentnisse in der Verhaltensökonomie ausgezeichnet. „Dieser Nobelpreisträger brach mit allen Heiligtümern“, schrieb die Welt am 10.10.17 zur Auszeichnung des Preises. PHILIPP hat Prof. Dr. Evelyn Korn gefragt,  was Thaler erforscht hat und worin dieser Bruch liegt.

PHILIPP: Richard Thaler setzte sich mit Verhaltensökonomie auseinander. Worum geht es da?
Prof. Dr. Evelyn Korn: Es geht um das ökonomische Handeln, dem Homo Oeconomicus. Wichtig ist hier, dass das kein Mensch sondern ein Modell ist. Das ist ein Agent, der seine Ziele sehr klar kennt, seine Umstände wahrnehmen kann und alle Informationen, die er über seine Umstände bekommt, ohne Kosten verarbeiten kann und dann einen schlüssigen Weg wählt, mit dem er seine Ziele unter den gegebenen Umständen am besten erreicht. Also ich weiß, was ich will, sehe meine Grenzen und verfolge dieses Ziel. Ein solches Verhalten wird allerdings so gut wie nie beobachtet. Vielleicht gibt ein besseres Model um zu erklären, was Menschen tun denn Menschen sind geleitet von kurzfristigen Emotionen. Zum Beispiel können vorherige Ereignisse, negativ oder positiv, einen Einfluss auf eine folgende Situation haben. Thaler hat dann bei kurzfristigen und langfristigen Perspektiven angesetzt. Menschen verhalten sich unvernünftig beim Sparen, bei Diäten und schätzen Wetten schlecht ein. Der Homo Oeconomicus weist dabei Grenzen auf um als rationaler Agent diese Verhaltensweisen zu erklären. Diese Einschränkungen versucht diese jüngere Disziplin einzulenken.

Gerade der Begriff des Nudging wird immer mit der Arbeit von Thaler verbunden. Worum geht es beim Nudging?
Nudging  heißt, dass ich Leute zu etwas schubse das sie nicht wählen würden, wenn sie die freie Wahl hätten aber langfristig gerne wählen wollten. Nudging ist zum Beispiel wenn ich denke, dass sie lieber keine Schokolade essen sollten und deswegen vor dem Interview das Obst vor ihre Nase und die Schokolade weiter weg stelle, so dass sie erst nach dieser fragen müssten. Der entscheidende Moment ist, wenn ich beschließe, dass ich besser wüsste was gut für sie ist. Deswegen bereite ich eine Situation vor in der sie eher das auswählen, was ich für sie als besser definiere. Auch an der Uni wird das „Aber“ diskutiert wenn die Studenten das Gefühl haben, dass die Professoren besser wüssten was gut für die Studierenden ist. Thaler war daran beteiligt das britische Pensionssystem umzugestalten. Er hatte die Idee, dass man Leute dazu zwingen kann für ihr Alter zu sparen und geht dabei einen Schritt weiter, den er liberalen Paternalismus nennt. Wenn man unter anderem bestimmte eigenwillige Konsummuster beobachtet, könnte man sagen, dass es vernünftig die Leute durch Nudging dazu zu bringen ihr Geld doch lieber für das Alter zu sparen. Man gibt den Leute quasi ein Geländer, mit dem sie leichter durch ihr Leben kommen.

Das Nudging-Konzept ist heiß diskutiert und auch in Fragen der Verantwortung umstritten. Was macht dieses Konzept so kontrovers ?
Wenn wir bei dem Beispiel des Geländers bleiben, kommt die Frage auf, ob die Erbauer des Geländers überhaupt wissen, wie ein gutes Geländer gebaut wird. Diese Frage kann man aus verschiedenen  ökonomischen Perspektiven beleuchten. Aus der Verhaltensökonomik selbst kommt Kritik, die hinterfragt, was dabei für Hierachieverhältnisse aufgebaut werden und ob die Gruppe, die darüber zum Beispiel beim Staat entscheidet, wohlwollend agiert und die Interessen der Menschen dabei berücksichtigt werden. Falls die Leute in der Gruppe eigene Interessen haben oder gar nicht selbst erkennen, was das richtige ist, wird aus einem individuellen Problem ein kollektives Problem. Wenn dann jemand mit der Macht, viele Leute zu steuern, viele Leute in eine falsche Richtung schiebt, wird das Problem plötzlich sehr groß. Das ganze ist Teil einer lebendigen Auseinandersetzung in der es auch immer darum geht, was eigentlich das Bild des Menschen ist und wie viel Verantwortung wir ihm abnehmen dürfen oder können.

ZUR PERSON: Prof. Dr. Evelyn Korn folgte 2004 einem Ruf an die Universität Marburg an den Fachbereich Wirtschaftswissenschaften. Hier forscht sie auf dem Gebiet der Mikroökonomie.

Foto: Pixabay

studiert Politikwissenschaften, verbringt zu viel Zeit um sich über die BILD aufzuregen und isst süßes und salziges Popcorn gemischt.

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