Was bedeutet der Friedensnobelpreis 2017 für uns, Prof. Zimmermann?

Was bedeutet der Friedensnobelpreis 2017 für uns, Prof. Zimmermann?

Medizin, Physik, Chemie, Literatur, Frieden, Wirtschaft – für besondere Erkentnisse auf diesen wichtigen Gebieten werden alljährlich die Nobelpreise verliehen. Für Fachfremde ist es aber oftmals schwierig, zu verstehen, wofür die Preisträger:innen eigentlich ausgezeichnet werden. Der Träger des diesjährigen Friedensnobelpreises ist die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung namens ICAN. Warum diese Kampagne den Preis erhielt, erklärt für PHILIPP Prof. Dr. Hubert Zimmermann, Professor für Internationale Beziehungen im Institut für Politikwissenschaften.

PHILIPP: Dieses Jahr wird die internationale Kampagne ICAN mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Warum fiel die Entscheidung auf diese Kampagne, welche die atomare Abrüstung als Ziel hat?
Prof. Dr. Hubert Zimmermann: Ich denke es hat etwas mit der aktuellen Krisenlage weltweit zu tun. Es gibt aktuell viele Konflikte, bei denen kein Ende in Sicht zu sein scheint. Nukleare Konflikte wie zum Beispiel der Konflikt mit Nordkorea intensivieren sich. Vor allem seit der Wahl des US-Amerikanischen Präsidenten Donald Trump schaukeln sich einige Konflikte weiter auf. So zum Beispiel der US-Amerikanisch-Iranische Konflikt bei dem aktuell ein Vertragsbruch von Seiten des Irans bezüglich des Atomwaffenvertrags zwischen mehreren Ländern, unter ihnen die USA, Iran und Deutschland, im Raum steht. Der Zeitpunkt für die Ehrung einer Kampagne für die atomare Abrüstung scheint somit mehr als passend. Hinzu kommt, dass ICAN nicht die erste Kampgane ist, die vom Nobelpreiskomittee mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden ist.

Im Juli 2017 wurde das Abkommen zum Verbot von Atomwaffen angenommen. Welche Rolle spielt nun die Kampagne ICAN, wenn das Abkommen bereits durchgesetzt worden ist?
Das Abkommen ist zwar angenommen worden, es ist aber nur eine kleine Minderheit von Ländern die dem Abkommen tatsächlich beigetreten sind. Durch das Durchsetzen des Abkommen allein sind die Atomwaffen noch lange nicht abgerüstet. Das Ziel der Kampagne ICAN ist es, dass alle Länder das Abkommen unterschreiben und sich an der Abrüstung beteiligen. Insofern spielt die Kampagne weiterhin eine große Rolle, da, wie mit jedem Abkommen welches durchgesetzt wird, es zunächst umgesetzt werden muss. Bis die Atomwaffen abgerüstet werden können und alle Länder dafür unterschrieben haben, ist es noch ein weiter Weg. Somit ist es die Aufgabe der Kampagne solange weiterzulaufen, bis das Ziel erreicht und die atomare Abrüstung gelungen ist.

Bisher haben 53 Länder das Abkommen unterschrieben. Deutschland, Frankfreich, Großbritannien oder die USA sind unter anderem nicht darunter. Woran könnte das liegen?
Zunächst sind diese Länder NATO Mitglieder. Hinzu kommt, dass, im Falle von Großbritannien, den USA und Frankreich, diese Länder Atomgroßmächte sind. Somit waren diese Länder von Anfang an nicht an den Verhandlungen beteiligt und haben daher das Abkommen auch nicht unterschrieben. Im Falle von Deutschland ist das ein Spezialfall. Ich empfinde es als überraschend, dass Deutschland sich nicht am Abkommen beteiligt hat vor allem deswegen, weil Deutschland normalerweise bei allen Abrüstungsvereinbarungen immer mit dabei ist. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass die deutsche Argumentation die ist, dass sich keine Nuklearmacht an den Verhandlungen beteiligt hat. Auch hat bisher noch keine dieser Großmächte das Abkommen unterzeichnet. Bis diese Länder nicht unterschrieben haben, kann damit gerechnet werden, dass es nicht zu einer atomaren Abrüstung kommen wird. Daher möchte sich Deutschland wahrscheinlich absichern, in dem es den Nuklearmächten folgt und sich erst dann beteiligt, wenn auch diese es tun.

Während einer Pressekonferenz sagte die Kampagne ICAN, dass Deutschland in einer besonderen historischen Verantwortung stehe. Sie riefen Deutschland dazu auf, sich am Abkommen zu beteiligen. Was meint ICAN hiermit?
(Lacht) Was genau damit gemeint ist, ist nicht klar. Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Kampagne hiermit auf den historischen Hintergrund bezüglich der deutschen Wissenschaftler bezieht, die maßgeblich an der Entwicklung von Atomwaffen beteiligt waren. Möglicherweise ist es auch eine Anspielung auf bisher unbestätigte Weiterverbreitungen von Nuklearwaffen seitens Deutschland an den Iran. Es könnte in eine dieser beiden Richtungen gehen. Meiner Meinung nach würde Deutschland aber davon profitieren, wenn es zu einer atomwaffenfreien Welt käme. Zumal Deutschland sowohl nach dem Krieg wie auch nach der Wiedervereinigung selbst erklärt hat, dass es ein atomwaffenfreies Land sein möchte. Deutschland möchte auch nicht selbst Nuklearwaffen herstellen. Diese Erklärung wirkt sicherlich weiterhin still im Hintergrund mit. Einige der deutschen Parteien, darunter SPD, Grüne und Linke, sind für den Atomausstieg. Somit ist zwischen den unterschiedlichen Parteien intern eine Debatte im Gange. Man kann also hoffen, dass sie möglicherweise in einer Positionsänderung für Deutschland endet. Auch wenn das meiner Meinung nach eher unwahrscheinlich ist.

Vielen Dank für das Gespräch, Prof. Dr. Zimmermann!

FOTO: CC ICAN Germany, unverändert.

Zur Person: Professor Dr. Zimmermann ist seit 2009 Professor für Internationale Beziehungen im Institut für Politikwissenschaften. Am Lehrstuhl beschäftigt er sich mit dem Zusammenhang von Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. Kernthema ist hierbei der internatiolane Vergleich politischer Bedingungen ökonomischer Prozesse mit den wirtschaftlichen Grundlagen (sicherheits-)politischer Entscheidungen. Regionale Schwerpunkte sind hierbei Deutschland, die EU, die USA, sowie der asiatische Raum.

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