Sneak Review #93 – Die Vierhändige
Mit der vor der Tür stehenden Premiere des Psychothrillers ,,Die Vierhändige“, war es kein Wunder, dass der neue Streifen von Regisseur und Autor Oliver Kienle (Bis aufs Blut – Brüder auf Bewährung) in der dieswöchigen Sneak Preview lief. Für den vielfach nominierten Film hielt der ganze Saal mehrfach den Atem an.
Bereits am Anfang lernen wir die Hauptfiguren kennen. Ein Flashback dient als Einstieg in den nun startenden und sehr gelungenen psychologischen Thriller. Zwei Schwestern, die in ihren noch jungen Jahren eine Gewalttat miterleben und überleben, die sie aber beide bis ins junge Erwachsenen Alter zeichnen wird.
Ein Zeitsprung – 10 Jahre später. Das aktuelle Leben der Schwestern spielt sich auf der Leinwand ab. Die Narben ihrer Vergangenheit sind, vor allem bei der Älteren, gut erkennbar. Das lebensverändernde Ereignis scheint die beiden einander näher gebracht zu haben. Die Ältere von beiden verspricht ihrer jüngeren Schwester sie für immer zu beschützen. Doch das Schicksal ist noch nicht fertig mit Sophie (Frida-Lovisa Hamann) und Jessica (Friederike Becht). Das Leben der Schwestern nimmt eine unvorhergesehene Wendung, die in einem weiterem Schicksalsschlag endet und sie noch enger zusammenschweißt.
Auch Bekanntes hat es in sich
,,Die Vierhändige“ hatte vieles aus vergangenen Psychothrillern, aber genau dieser Mix aus bereits Bekanntem und spannend Neuem, macht diesen Film so vielversprechend. Oliver Kienle hat ganze Arbeit bei seinem Drehbuch geleistet, das die Zuschauer:innen bis zur letzten Szene an die Leinwand kettet. Die typischen Vorahnungen, was als nächstes im Film passieren wird, halten sich angenehmerweise in Grenzen. So ist man dauerhaft am mitdenken und mitleiden mit den Hauptfiguren, die von den Hauptdarstellerinnen großartig porträtiert werden. Die zum größten Teil unerwarteten Wendungen der Geschichte treffen die Zuschauer:innen ebenso unerwartet wie die beiden Schwestern, was den Film umso anregender macht. Trotz einiger Trumpfe, die all zu sehr bekannt und in Thrillern zu erwarten sind, kann der Film mit Originalität überzeugen.
Ein in sich runder Film
Dass Melodie und Kameraführung in Filmen unabdingbar sind, ist Kienle auch bei diesem Streifen bewusst. An den richtigen und wichtigen Stellen des Filmes verwendet er die geeignete Musik. Dank ihrer Mutter, haben die Schwestern einen besonderen Bezug zur Musik. Diesen Bezug nutz der Regisseur und Autor passend aus, und lässt sie den Szenen passend Melodien spielen, was dem Film mehr Tiefe gibt. Die Kameraführung scheint gut durchdacht, wenn auch recht typisch für einen Thriller. Seien es die Close-Ups auf Gesichter, oder die langsam durch den Flur ins Zimmer rollende Kamera. Passend ist es jedenfalls und gemischt mit der Musik wertet es den Film deutlich auf.
Das richtige Maß
Bei Psychothrillern läuft man oft Gefahr, zu sehr ins Drama oder ins Horror-Genre hinein zu rutschen. Nicht aber ,,Die Vierhändige“. Mit dem richtigen Maß an Spannung, Bekanntem, und Mysterium fesselt der Streifen den:die Zuschauer:in und lässt ihn:sie bis zum Ende vieles an der Geschichte hinterfragen. Und das scheint zu wirken. Die Spannung hält sich den gesamten Film über, manchmal stärker, manchmal schwächer. Im einen Moment sitzt man auf der Kante des Kinositzes, im Nächsten zuckt man zusammen oder lacht sogar kurz auf. Selten aber, ist man von diesem psychologischen Thriller gelangweilt. Nur was den inhaltlichen Teil des Films angeht, kann man nicht genau sagen, was das Ziel des Autors mit dieser Geschichte war. Möglicherweise, dass die Schwestern trotz mehrfacher Schicksalsschläge zusammengeschweißter denn je sind. Vielleicht aber, gab es keine feste Idee für das Ende, sondern nur für den Anfang und die Mitte. Als Ganzes aber, ist ,,Die Vierhändige“ ein atemberaubend spannender Psychothriller, der Teils an den gelungenen amerikanischen Genre-Zwilling ,,Black Swan“ erinnert.
Kienle hat jedenfalls ganze Arbeit mit diesem deutschen psychologischen Thriller geleistet der am 30.11.2017 offiziell in den deutschen Kinos erscheint.
Studiert "Sprache und Kommunikation" in Marburg und trinkt eindeutig viel zu viel Kaffee.