Theater Review #17: Das hündische Herz

Theater Review #17: Das hündische Herz

Diesmal erlebte „Das hündische Herz“ seine Premiere in der Blackbox des hessischen Landestheater am Schwanhof. Literarische Vorlage hierfür ist die gleichnamige Satire Michail Bulgakows von 1925. Durch Zensuren seitens der Sowjetunion ab 1925 wurde der Roman erst 1989 in Russland verlegt, in Deutschland in den späten 60er Jahren.

Die durch Stalin 1925 durchgesetzte Diktatur fällt dem Stück zum Opfer. Die Rückwendung zu kapitalistischen Produktionsweisen, das neue Menschenbild, die Kollektivierung. Dies sind nur einige der Gegenstände, die das hündische Herz aufgreift und kritisiert. Hier hat die Konterrevolution ihren Platz gefunden.

Das Hündische.

Der Saal verdunkelt sich und man hört sich langsam nähernde Musik im Hintergrund. Die Schauspieler betreten den Raum, jeder von ihnen mit einem Instrument. Das Lied zu Anfang, wie auch die meisten anderen Lieder die während des Stücks gesungen werden, ist auf Russisch. Schnell wird klar, dass sich die Charaktere in der Sowjetunion befinden und das Stück hier verweilen wird.

Szenenwechsel. Die meisten Schauspieler haben sich nach hinten begeben. Auf der Bühne sind nun ein am Klavier sitzender besoffener Mann und ein auf einer Plattform sich befindender Hund zu sehen. Die Schauspielerin, die den Hund (Lumpi) spielt, trägt einen Hundekopf und man sieht, dass der Hund eine Brandverletzung erlitten hat. Durch die Erzählungen Lumpi’s wird bewusst, dass der Hund es in seiner aktuellen Lage mehr als schwer hat. Während der Hund erzählt, betritt ein weiterer Charakter das Geschehen: Professor Preobraschenski (zu Deutsch „Wandlung“). Kurzerhand lächelt er sich den Streuner an und nimmt ihn mit in seine Praxis, wo er sich um ihn kümmert. Was der Professor tatsächlich mit dem Hund vorhat und warum er ihn zu sich nimmt, ist zu diesem Zeitpunkt schwer nachvollziehbar. Was Gutes kann es sicher nicht sein, da ist sich selbst Lumpi sicher.

Ein hoch auf die Konterrevolution!

Die vielen Anspielungen auf Männer, die Frauen sind, Frauen, die Männer sind oder „Männer, die sich als Frauen ausgeben wollen“ spiegeln das Thema der der Konterrevolution wider. Die Quintessenz des Stücks ist gut verständlich: Der Staat wie er im Jahre 1925 ist existiert, passt dem Professor nicht. Er schaut geradewegs auf die Kleinbürger herunter, die sich von der Diktatur und der Idee des neuen Menschenbildes einfangen lassen. Um dem Ganzen gegenzulenken, entscheidet er sich aus dem Hund Lumpi einen Menschen zu machen. Hierbei wird er von seinem Assistenten Doktor Bormenthal unterstützt.

Die Szene, in der sie dem Hund die Hirnanhangsdrüse eines Menschen implantieren, erinnert an Frankensteins Monster und wird durch Tschaikowskis „Schwanensee“ begleitet. Eindeutig der Höhepunkt der Aufführung, sowohl musikalisch wie auch darstellerisch. Am 24. Dezember steht fest, dass der Hund den Eingriff überlebt hat. Am 6. Januar verliert er endgültig seinen Schwanz. Diese und weitere wichtige Aspekte seiner Genesung werden in protokollartiger Weise wiedergegeben, ein Zeitraffer um zur vollständigen Genesung des Hundes, nun Menschen, zu gelangen.

„Bin längst Teil.“

Über die Genesung des nun Menschen Lumpikovs wird berichtet, auch wird gezeigt, wie er sich mehr und mehr von dem einst hündischen entfernt und immer menschlicher wird. Dazu gehören auch all die Fehler und Taten eines Menschen, all die egoistischen Gedanken und die dickköpfigen Ideale. Der vom Professor erschaffene Mensch verliert schnell sein reines hündisches Herz und verfällt, wie viele andere Bürger, der Diktatur. Lumpikov entwickelt sich nicht so, wie Preobraschenski es erwartet, gar gehofft hatte.

Zum Ende hin hat der Professor keine andere Wahl, als das Leben seines ganz persönlichen Monsters zu beenden. Bevor das Stück aber mit einer letzten Musikeinlage der russischen Chanson „Murka“ endet, beendet Lumpi das Schauspiel mit einem Monolog. Der Hund, wieder auf der Plattform wie zu Beginn des Stücks, jetzt aber nicht mehr allein, heil und ein Teil von etwas. „So richtig, richtig Massel gehabt. Bin längst Teil dieser Wohngemeinschaft. Bin längst Teil.“ Das hündische Herz begeistert sowohl musikalisch, wie auch schauspielerisch. Von den Texten, über die sich bewegende und anpassende Plattform hin bis zu den Instrumenten und dem Gesang. Es ist ansprechend, regt zum Denken an, ebenso wie zum Schmunzeln und Lachen. Das Stück gibt die Möglichkeit, sich in die Zeit Stalins Diktatur zu versetzen, sich darauf einzulassen und damit auseinander zu setzen. Es ist hier und da manchmal nicht sofort klar, wo die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Szenen liegen. Dennoch ist es ein gelungenes, in sich geschlossenes Ganzes, welches mit seinem Charm berührt und fesselt.

 

Nächste Termine: 16.01.2018, 26.01.2018, 28.01.2018, 03.02.2018, jeweils um 19.30 Uhr im Theater am Schwanhof.

Besetzung: Christian Dieterle, Oda Zuschneid, Artur Molin, Insa Jebens, Stefan Piskorz, Tobias Mauer

 Regie: Twyla Zuschneid, Ausstattung: Richard Fulton, Musik: Barbara Borgir, Dramaturgie: Franz Burkhard

Weitere Informationen zu dem Stück gibt es hier.

Foto: Jan Bosch

Studiert "Sprache und Kommunikation" in Marburg und trinkt eindeutig viel zu viel Kaffee.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Wordpress Social Share Plugin powered by Ultimatelysocial
Instagram
Twitter