Aufgewühlte Zeiten

Aufgewühlte Zeiten

„Die Seite des Bösen ist benannt. Wie man damit umgeht, will ich jetzt besprechen (…).“ So ungeschickt leitete Sandra Maischberger ihre Sendung maischberger. die Woche Extra ein. Durch den Krieg in der Ukraine gibt es nämlich nicht nur viel Handlungsbedarf, sondern auch viel zu bereden. Ein Schwarz-Weiß-Denken von Gut und Böse hilft aber niemandem.

Böse und Gut reicht nicht für die Realität und auch nicht für die Demokratie

Am Samstag bei der Mahnwache für die Ukraine sprach Dr. Anne Maximiliane Jäger-Gogoll vom Marburger Bündnis ‚Nein zum Krieg‘. Sie wurde von der Bühne gebuht, nachdem sie sich kritisch zur Osterweiterung der NATO äußerte – und das obwohl sie zuvor ausdrücklich den Bruch des Völkerrechts durch die militärische Invasion Russlands in der Ukraine verurteilte. Eine Demokratie muss diese Sichtweise tolerieren und aushalten, sonst sind wir nicht weit entfernt von der Propaganda, wie sie beispielsweise von Russia Today betrieben wird. Dabei geht es nicht um quid pro quo. Keine Stammtischparolen wie: „Die haben doch beide Dreck am stecken.“ Allerdings stellt sich die Frage, ob eine Mahnwache dafür der geeignete Ort ist. Einen Tag zuvor auf der Kundgebung von unter anderem solidarisches Mittelhessen konnte ähnliche Kritik angesprochen werden ohne, dass gebuuht wurde.

Der Linkenpolitiker Fabio de Masi twitterte, dass Krieg aufwühle und, dass deswegen unterschiedliche Sichtweisen auf Ursachen dieses internationalen Konflikts nicht aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen werden sollten. Sogenannte „Putinversteher“, wie zum Beispiel Gregor Gysi, geraten momentan unter enormen Druck, wenn sie Fehler der NATO, der EU oder der USA benennen. Es gibt eine Grenze, die dabei überschritten werden kann: Denn diese Invasion und den damit einhergehenden Völkerrechtsbruch hat weder die EU, noch die Ukraine oder die NATO begonnen. Es scheint, als müssen solche Stimmen zu allererst zuallererst beteuern, dass sie den Völkerrechtsbruch in der Ukraine verurteilen, bevor sie angehört werden. Man sollte sich nun mal vorstellen, wie sich aus Russland stammende Menschen in Deutschland fühlen müssen. Diese Menschen dürfen nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden, der ihnen eine Mitschuld an diesem Krieg gibt.

„Wahrheit“ und Gemeinschaft

Es muss weiterhin möglich sein, sich auch kritisch gegenüber „dem Westen“ zu äußern. Die Wissenschaft wie auch unsere Öffentlichkeit leben davon. Die Wissenschaft kann nicht nach Wahrheiten suchen, wenn sie Argumente kategorisch ausschließt. Und wir können als Gemeinschaft nicht offen und demokratisch sein, wenn wir Menschen kategorisch ausschließen – es sei denn, sie sind offen antidemokratisch. So schwierig das auch angesichts der täglichen Nachrichten ist, dürfen wir nicht in bloßes Gut-gegen-Böse-Denken verfallen. Erst recht nicht in einer Diskussion im öffentlichen Rundfunk, bei der sich Tausende Zuschauer eine Meinung bilden und genauso wenig vor dem Erwin-Piscator-Haus. Dieser Krieg ist kein Krieg slawischer Minderheiten in Deutschland und genauso wenig der von Kritikern des „Westens“. Sondern der eines Autokraten. Deswegen müssen wir gerade jetzt aufpassen, dass wir diese Minderheiten in Deutschland nicht ausschließen. Das klappt nur, indem wir uns unvoreingenommen begegnen. Auf der Straße, in einer Fernsehsendung und darüber hinaus.

studiert Politikwissenschaften, verbringt zu viel Zeit um sich über die BILD aufzuregen und isst süßes und salziges Popcorn gemischt.

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