Sneak Review #198: Jackass Forever

Sneak Review #198: Jackass Forever
jackass forever

Unter der Regie von Jeff Tremaine trifft die altbekannte Masochisten-Truppe um Johnny Knoxville wieder zusammen und entfacht ein letztes Mal ein Feuerwerk der Schmerzen und der Unterhaltung. Das mit dem Alter nicht unbedingt die Reife kommt, konnte allen Sneak-Besucher:innen im Cineplex Marburg am 22. Februar 2022 eindrücklich bewiesen werden. 

Der Schlag im Nacken

Wenn das Kino normalerweise für uns als Kaninchenloch fungiert, durch das Alice im Wunderland eine fremde Zauberwelt betritt und uns mit ausgeklügelten Handlungssträngen, malerischen Bildern und facettenreichen Charakteren in den Bann zieht, so ist Jackass Forever das Kanonenrohr, dass uns anderthalb Stunden lang durch alle erdenklichen, wie schmerzhaftesten Mutproben und die irrsten Masochisten-Fantasien ballert. Einen Plot sucht man hier vergeblich. Wer aber bei einem Film der Jackass-Reihe einen Plot erwartet, der hat den Schuss des besagten Kanonenrohrs nicht gehört.

Co-Creator Johnny Knoxville, der neben einem Schalk mittlerweile auch mehrere Schläge im Nacken sitzen haben sollte, versammelt seine in die Jahre gekommenen Kumpels elf Jahre nach dem letzten Jackass-Film ein letztes Mal. Darunter sind für Fans bekannte Protagonisten, wie Steve-O, Wee Man, Chris Pontius und Ehren McGhehey. Übersetzt für Laien bedeutet das: der Verrückte, der Kleinwüchsige, der Dicke und der mit dem Irokesenschnitt, der andauernd Schläge in schmerzhaftester Ausführung auf sein Gemächt einsteckt. Auch prominente Gesichter lassen sich den Spaß nicht entgehen und nehmen an der Prank-Gala teil. Die Skater-Legende Tony Hawk lässt sich schon in der Intro-Sequenz von einem riesigen Penis-Monster mit Sperma abschießen. Rapper Mashine Gun Kelly wird von einer überdimensionierten Hand in einen eiskalten Pool vom Ergometer geschlagen und Rapper Tyler, The Creator bekommt Stromschläge am Klavier.

Geni(t)al daneben

Die Mutproben der furchtlosen Gruppe reichen von tierisch gefährlichen Begegnungen mit Grizzlybären, Skorpionen, Schlangen und Spinnen, bis hin zu explodierenden Dixi-Klos. Chris Pontius, Jackass-Bestandteil der ersten Stunde, spricht aus, was sich wohl auch alle Zuschauer:innen gedacht haben mögen: „We are in a pandemic and you are just blowing people up! As if life is not hard enough!“ 

Auch wenn unser durch das Internet abgehärtetes Gehirn nur noch schwer zu schocken ist, blieb eines besonders im Gedächtnis. Es waren die Szenen, in denen die Frauen im Saal am lautesten lachten und die Männer ein mitfühlendes, unter zusammengekniffener Miene, atmendes „Uhhhhh“ ausstießen. Der Grund dafür: Das männliche Genital. Kein Körperteil wurde so malträtiert, wie nur ein Boxsack von Schwergewichtsboxern im Trainingscamp verdroschen wird. Auch der Vergleich wäre eigentlich gar nicht nötig. Denn das MMA-Schwergewicht mit dem härtesten Schlag der Welt boxt Ehren McGhehey aus nächster Nähe in die „Uhhhhh“-Zone. Immerhin hatte er einen Eierschutz an, der einen vergleichbaren Schutz darstellt wie Vitamin C Tabletten gegen eine Covid-19 Erkrankung.

Für einen Zuschauer war das ganze zu viel. Nach der Vorstellung ließ er hörbar für alle verlauten: „Alles mit den Eiern war zu wild!“ Dabei winkte er kopfschüttelnd, immer noch mit schmerzverzerrtem Gesicht ab, während seine andere Hand seinen eigenen Schritt schützend abschirmte. Er hatte schon recht. Es wird in Jackass Forever wirklich sehr viel mit dem Gemächt des Mannes angestellt. Das Genital als Bienenstock, eingeklemmt als Tischtennisschläger, als Boxsack oder einfach als Zielscheibe für alle möglichen Geschosse. Hätte die Regierung nur einen halb so großen Ideenreichtum bei der Bekämpfung der Klimakrise, wie ihn die Jackass-Jungs bei der Zerstörung von Kinderwünschen aufbringen, wären wir vielleicht heute schon auf dem 1,5 Grad Pfad.

Markus Lanz würde mir als Mann – im Angesicht dieser Genital-Folter – an der Stelle die Frage stellen: „Was macht das mit dir?“ Was in der ersten Glied-involvierten Mutprobe noch einen Riesen-Schock und Mitgefühl auslöst, ebbt bei fortschreitenden Blödheiten schließlich ab. Zum einen wird man sich über die Lust der Protagonisten klar, sich selbst Leid im großen Stil zuzufügen und zum anderen setzt ein Gewöhnungseffekt ein, sodass auch ich als Mann nach einer gewissen Anlaufzeit herzlich mitlachen konnte.

Ich habe lange überlegt, was ich für die – ich nenne sie mal wohlwollend –  „Stuntmen“ empfinden soll. Ist es Respekt? Ehrfurcht? Es ist ja nicht erstrebenswert, sich eine Bienenkönigin auf die Eichel setzen zu lassen, um ein Bienenvölklein dort hängen zu haben, das seinen Unmut über jede Bewegung durch Stiche zum Ausdruck bringt. Dennoch kann ich so etwas wie Bewunderung für den Mut aufbringen, sich solch qualvollen Mutproben zu stellen, nur um einen Lacher beim Publikum zu generieren und eine weitere verrückte Story in Petto zu haben.

Leider Geil

Der Schmerz ist die Währung von Jackass. Genau so ist es aber auch der Spaß daran. Es ist einfach beeindruckend, wie sehr der Cast Freude an all den verrückten und noch so abwegigen Aktionen hat. Diese authentische Freude steckt das Publikum an und ließ den Kinosaal selten ohne Lacher sitzen. Wenn man glaubt, der Streich sei damit beendet, dass einer der Männer gefesselt an einem Stuhl Stromstöße über ein Halsband versetzt bekommt wie in Guantanamo, wenn er lügt – weit gefehlt! Erst dann kommt die Action: Der gefesselte Mann wird mit Honig und Lachs überschüttet und einem Grizzlybären ausgesetzt. Völlig irre, aber leider geil!

Wir werden daran erinnert, wieviel Spaß es bereiten kann, wenn wir unseren Freunden einfach mal wieder einen „kleinen“ Streich spielen. Auch wenn der kleine Streich bei Knoxville und Co. eher ein riesiger ist, im plural gedacht werden muss und jegliche Würde unter- sowie Schmerzgrenzen überschreitet. Dennoch; die kindliche Freude am Streichespielen springt förmlich ohne Verzögerung aufs Publikum über. Man ist gewillt seinem Kumpel noch während der Kinovorstellung das aufgekaute Kaugummi, unauffällig in die Popcorntüte zu schmieren. 

Die Empathie mit den Opfern der Pranks und den Verrückten, die jedes Leid, ohne zu zögern über sich ergehen lassen (einfach so mit einem Strahlen auf den Lippen in Kakteen springen?!) lässt ständig unmittelbar die Frage aufploppen: Würde ich das auch machen? Obgleich die Antwort wohl in 99% der Fälle mit einem klaren Nein zu beantworten wäre, ist die Vorstellung einfach unglaublich packend. 

Der ganze Film macht einfach Spaß, ist super kurzweilig und unendlich unterhaltsam. Er funktioniert auf allen Ebenen. Alteingesessene Jackass-Fans, die bereits mit der Serie im Jahr 2000 aufgewachsen sind, kriegen ihren geliebten Content in toller Qualität geliefert und können sogar einige Streiche aus früheren Filmen in einer Neuinterpretation – und tausend Mal brutaler – wiederentdecken. Aber auch Neugierige können dem plumpen Masochismus etwas abgewinnen und herzhaft über die Dummheiten der Jackass-Crew lachen.

Foto: Jeff Tremaine/ Paramount

Macht irgendwas mit Medien (privat, freiberuflich & im Studium) und schnackt euch jetzt nicht mehr nur noch über die Radiofrequenz das Ohr über Themen ab, denen er wenig Wissen, aber viel Spaß beisteuern kann.

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