Sneak Review #205: The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt

Sneak Review #205: The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt

Die Zuschauer*innen der Sneak am 19. April 2022 konnten sich davon überzeugen lassen, dass ein Busch-Blockbuster auch ohne „The Rock“ funktioniert. Mit Sandra Bullock und Channing Tatum in den Hauptrollen und dem Brüderpaar Adam und Aaron Nee in der Regie (u.a. Masters Of The Universe, Band Of Robbers) wird das Publikum mit The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt in ein kurzweiliges Dschungelabenteuer geworfen.

Temptation Island

Loretta Sage (Sandra Bullock), Autorin romantischer Abenteuerromane, lebt in der realen Welt ein einsames zurückgezogenes Leben. In ihren Gedanken und Geschichten entführt sie ihre weibliche Leserschaft aber in an die mystischsten Orte. Die weibliche Leserschaft ist aber nicht nur auf ihren malerischen, romantischen Schreibstil zurückzuführen, sondern vor Allem auf Alan (Channing Tatum), der die Hauptfigur ihrer Abenteuergeschichten als Covermodel verkörpert. Das bedeutet – nur zum Mitschreiben – dass Alan lediglich sein Gesicht und seinen muskulösen Körper (primär seinen muskulösen Körper) für das Buchcover hergibt und sonst keinen substanziellen Beitrag leistet. Dennoch ist er respektive sein Aussehen maßgeblich für die Beliebtheit der Abenteuerromane verantwortlich. Immerhin erwächst aus Alans Rolle als Coverboy seine Motivation im weiteren Verlauf der Geschichte. Bei einem Buch-Tour-Auftritt wird Loretta entführt und soll für Fairfex (Daniel Radcliffe), dem Bösewicht der Geschichte, ein antikes Schriftstück übersetzen, um einen wertvollen Schatz in der verlorenen Stadt „D“ zu finden – das Dschungel-Setting ihres letzten Abenteuerromans. Alan, welcher der Erfinderin seiner verkörperten Figur „Dash“ und somit Verantwortlichen für seine Bekanntheit, beweisen will, dass er mehr als nur ein muskulöser Kerl auf der Vorderseite ihrer Bücher ist, tritt eine Reise zu ihrer Rettung in den Dschungel an.  Zusammen erleben Loretta und Alan ein romanreifes Abenteuer und werden zu Protagonist*innen ihrer eigenen Geschichte, die sich die Autorin nicht besser hätte ausdenken können.

Die Passion Bullock

Wagen sich deutsche Regisseur*innen, blind in den Pool deutscher Schauspieler*innen zu greifen, so haben sie meist einen Tatort-Kommissar, einen Coronaleugner und Till Schweiger am Angelhaken – oder ist das nicht alles dasselbe? Wird in Hollywood mit einem Riesenkescher im Schauspieler*innen-Meer mehr gefischt, so hat man die absolute A-Prominenz im Netz – wie auch bei The Lost City. Es vergehen gefühlt kaum mehr als drei Sequenzen, bis das Publikum vom nächsten Hollywood-Hochkaräter auf der Leinwand überrascht wird. Angefangen mit den Protaginist*innen, gespielt von Sandra Bullock und Channing Tatum – keine Überraschung, da die beiden die Filmplakate zieren. Dann ist da Daniel Radcliffe, der den bösen Milliardär spielt (und ohne seinen Zauberstab immer noch nackt wirkt). Plötzlich taucht auch Brad Pitt auf, der als Yoga-Trainer von Alan den Passenden Namen Jack Trainer trägt – einer von vielen simplen, aber erfrischenden Gags. Zuletzt gab es solch ein Staraufgebot nur bei der Passion von RTL. Was diese Top-Besetzung aber von der der Passion unterscheidet ist – oh Wunder – die schauspielerische Leistung (und die Gage).

Wir bekommen hier zwar kein Oscar-reifes Drehbuch, das außergewöhnliches Method Acting erfordert, die Schauspieler*innen haben aber den Freiraum, sich schauspielerisch auszuleben. Es entsteht nicht das Gefühl, dass schnell ein Job erledigt werden musste, weil die Gage eben stimmt. Die Chemie zwischen den Schauspieler*innen scheint zu funktionieren, die Dialoge wirken harmonisch und die Gags nicht aufgesetzt. Alles wirkt locker und organisch, fast spontan. So äußert sich die schauspielerische Leistung in diesem Fall nicht in fantastisch dargestellten Emotionen und bedeutungsschwangeren, mit Spannung aufgeladenen Momenten die das Publikum herausfordern und zum Aushalten und gleichzeitigem Mitfühlen zwingen. Hier zeigt sich die Klasse in der lockeren, ungezwungenen Art der humorvollen Interaktion zwischen den Figuren, die weder zwanghaft noch aufgesetzt wirkt. Wir sehen einen prominenten Haufen, der Spaß am Job und genügend Freiraum in den Rollen hat, um uns einen unterhaltsamen Popcorn-Kinofilm zu liefern.

Straight Outta Jungle

The Lost City erfindet das Rad der Dschungelabenteuer nicht neu. Eine einsame Insel, eine verloren geglaubte Stadt, ein geheimer Schatz und ein antikes Schriftstück, das einen kryptischen Hinweis zu ebendiesem Schatz liefert. Auf dem Weg dorthin: Viele Herausforderungen wie tiefe Schluchten, ausbrechende Vulkane, und giftige Tiere. Der Rahmen sollte klar sein. Was es aber von 90% aller bisherigen Schatzsuchen auf einer einsamen Insel unterscheidet; Dwayne „The Rock“ Johnson ist NICHT dabei. Das fühlt sich in etwa so an, also würde man Markus Lanz schauen und Karl Lauterbach nicht dort sitzen sehen. Absurd, ich weiß. In dem Fall tut es dem Film aber wirklich gut. Der Raum, der durch die Abwesenheit The Rocks frei wird, der sonst allein schon aufgrund seiner Physis drei Hauptrollen besetzt, kann nun auf verschiedene Köpfe verteilt werden, die eine neue Frische in die Reihe der Dschungel Streifen bringen.

Was sich zuvor humoristisch und inhaltlich alleine auf The Rocks breiten Schultern zentrierte, kann nun verteilt werden. So ergeben sich Nebenrollen, die mehr sind als nur ein narrativer Bizepscurl für den Hauptdarsteller. Anzuführen ist hier die Rolle des Jack Trainer. Ein durchtrainierter und tätowierter Brad Pitt mit Dreadlocks und Sexy-Yogalehrer-Ausstrahlung, der seine Gegner mit überraschend coolen Moves und Sprüchen elegant niederprügelt. Mit dem Look dürfte er zwar niemals bei Fridays for Future mitlaufen, ist für The Lost City als Nebenrolle aber eine absolute Bereicherung angesichts des Überraschungseffekts und der hohen Gagdichte und damit wesentlich mehr als ein einfacher Cameo-Auftritt des Hollywood Stars. 

Träume nicht dein Leben, lebe deinen Roman

Ein weiterer Unterschied zu gewohnten Abenteuer-Amusements ist die Metastory hinter der Geschichte. Die Erzählung der einsamen Autorin, die in ihren Romanen ein spannendes, aber fiktives Leben an den entlegensten Orten der Welt führt und nun in der Realität genau das erfährt, was sich sonst nur in ihrem Kopf abspielt, ist nicht nur ein nettes auslösendes Ereignis für den Plot. Wohlwollend kann man den Regisseuren eine eingefädelte Moral andichten, die sich in vielen Küchen deutscher Familien als Wand-Tattoo wiederfindet: „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum“. Ja, das klingt super abgedroschen und privilegiert. Nicht jede*r kann einfach alles stehen und liegen lassen, um einem Traum zu folgen. Es reicht vielleicht, einfach den Ausflug nach Winterberg zu machen oder den Nachmittag mit seinen Freunden in einem Tretboot und einem Kasten Astra auf der Lahn zu verbringen, was schon seit Ewigkeiten in den Gedanken schlummert. 

Zu der Erzählung der einsamen Autorin, kommt das implizite Narrativ hinzu, die geistigen Erzeugnisse einer Frau könnten nur mit Hilfe eines Mannes erfolgreich sein. Schließlich braucht es den charmanten Coverboy Alan, um aus dem romantischen Abenteuerroman einen Verkaufsschlager zu machen. Das erweist dem Feminismus an dieser Stelle einen ähnlichen Bärendienst, wie der Fall um Gil Ofarim dem Kampf gegen Antisemitismus. Wären die Rollen allerdings vertauscht, (Roman eines männlichen Autors wird aufgrund eines „sexy“ Covergirls zum Verkaufsschlager unter Männern) würde dies ebenfalls übel aufstoßen und an „Seite-1-Girl“-Zeiten bei BILD erinnern.

Der Abbinder

Am Ende bleibt zwar eine platte Moral und ein Gruß aus der Küche an Sexismus hängen, überschattet dennoch nicht den Unterhaltungsaspekt, der weiterhin im Mittelpunkt steht. Die Gags und die Chemie zwischen den hochkarätigen Schauspieler*innen in Kombination mit unterhaltsamer, weil nicht zu plumper Action (Hier tut es auch mal eine Backpfeife als Running Gag – Will Smith wäre neidisch), machen dieses Dschungel-Abenteuer zu einem sehenswerten Popcorn-Kinofilm.

Foto: Adam Nee, Aaron Nee / Paramount Pictures

Macht irgendwas mit Medien (privat, freiberuflich & im Studium) und schnackt euch jetzt nicht mehr nur noch über die Radiofrequenz das Ohr über Themen ab, denen er wenig Wissen, aber viel Spaß beisteuern kann.

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