Sneak Review #196: Moonfall

Sneak Review #196: Moonfall

Der deutsche Regisseur Roland Emmerich (ua. „Independence Day“, „Godzilla“, „2012“) erweitert mit „Moonfall“ sein Oeuvre um ein weiteres Weltuntergangsszenario. Mit einem etwas anderen Ansatz erfüllt dieser Katastrophenstreifen vor allem die feuchten Träume der Verschwörungstheoretiker, die in der Sneak am 08. Februar 2022 im Marburger Cineplex saßen.

Houston, wir haben ein Problem!

K. C. Houseman (John Bradley-West) ist Verschwörungstheoretiker und findet als erster Mensch heraus, dass der Mond seine Erdumlaufbahn verlassen hat. Und zwar noch vor der NASA, die diese Entdeckung geheim halten will. Niemand schenkt dem selbstbezeichneten „Megastrukturisten“ – dazu kommen wir später – im realen Leben Gehör, sodass er die Nachricht über Social Media in die Welt setzt – mit Erfolg. Bei der Suche nach einer Lösung, den Mond wieder in seine rechtmäßige Umlaufbahn zu lenken, stellt die NASA fest, dass eine mysteriöse, Alien-artige Schwarm-Materie für das Desaster verantwortlich ist. Als kein Mensch mehr an eine Atomwaffen-freie Lösung glaubt, begeben sich Ex-Astronaut Brian Harper (Patrick Wilson), Jo Fowler (Halle Berry), ebenfalls ehemalige Astronautin und NASA-Managerin, zusammen mit K. C. auf eine scheinbar aussichtslose Mission zum Mond. Dort machen sie eine erstaunliche Entdeckung, an die nur „unser“ Verschwörungstheoretiker geglaubt hat. 

In Megastrukturen denken

Wer bei „Megastrukturen“ nicht an eine Corona-Supermutation denkt, der lebt entweder auf dem Mond oder ist – wie K. C. Houseman – ein Megastrukturist. So bezeichnet sich in „Moonfall“ eine Gruppe von Menschen, die daran glaubt, dass der Mond nicht natürlichen Ursprungs, sondern hohl sei und von einer Hülle – ebendiese „Megastrukturen“ – ummantelt sei. Sie sollen Recht behalten. Und das ist das Bemerkenswerte an Roland Emmerichs neuen Katastrophenstreifen: Er gibt in seinem Film denen Recht, die noch zuletzt im hoch gehandelten und thematisch vergleichbaren „Don’t Look Up“ die bösen waren; Verschwörungstheoretiker. 

„Jeder Katastrophenfilm beginnt damit dass ein Wissenschaftler ignoriert wird“. Dieses Zitat plakatieren Fridays-For-Future Demonstrant*innen und fasst auch die Prämisse von „Don’t Look Up“ zusammen. Wer das Problem aber umschiffen will, der gibt eben den Verschwörungstheoretikern Recht. Das scheint zwar ungewöhnlich, verleiht der Story aber den einzigen Charakter, dem man einen Hauch an Emotionen, Sympathie und Menschlichkeit abgewinnen kann. Denn K. C. ist der Einzige, der wirklich eine intrinsische Motivation hat und die auch zum Ausdruck bringt, zwar kitschig, aber liebevoll. Ein nerdiges Auftreten mit allem was dazugehört: Weltall-Anstecker, NASA-Poster, ein Smartphone-Hintergundbild seiner Katze „Fuzz Aldrin“ – der beste Gag in 130 Minuten Filmmaterial. K. C.’s Heldenreise ist die einzig Runde, filmimmanente Geschichte. In Kombination mit seiner emotionalen Bindung zum Mond löst er sogar eine Art Befriedigung bei den Zuschauer*innen aus, weil man ihm doch wirklich die Genugtuung durch die Bestätigung seiner Verschwörungstheorien gönnt.

Der Twist, dem Verschwörungstheoretiker Recht zu geben und zum Helden zu machen sollte nicht zu dogmatisch und gesellschaftspolitisch betrachtet werden. Schließlich hätten wir ohne ihn nicht diesen bizarren und doch liebevollen Charakter, der uns sogar an manchen Stellen ein Schmunzeln ins Gesicht zaubert. Und mal ehrlich, es geht bei „Moonfall“ auch nicht darum uns zu belehren, sondern es krachen zu lassen.

The Dark Side of the Moon

Leider bleibt die Geschichte des Verschwörungstheoretikers die einzig ansatzweise interessante. Neben der Haupthandlung wird versucht, eine Nebenhandlung aufzubauen, um auch den beiden Astronaut*innen Jo und Brian, durch etwas Menschlichkeit und Liebe zur Familie, mehr Tiefe zu verleihen. So versuchen die Familien der beiden unter erschwerten Umständen einen Schutzbunker aufzusuchen und erleben neben fliegenden Luxusyachten und Schwerkraftsverschiebungen auch eine wilde Verfolgungsjagd –  oder wie Jeff Bezos sagen würde: Dienstag. Im Grunde braucht kein Mensch die Handlung auf der Erde. Lediglich Roland Emmerich selbst, der so die Möglichkeit bekommt, das Ausmaß der Zerstörung der Erde auf ein nächstes Level zu bringen. Ist wenigstens das gelungen?

Wer sich von seinen Zuschauer*innen trotz einem Filmbudget von 140 Millionen US Dollar nach der Vorstellung auf dem Gang als erste Reaktion die Frage gefallen lassen muss „Hat der Emmerich kein Geld mehr?“, der kann nicht besonders viel richtig gemacht haben. Angefangen beim laienhaften Green-Screen Einsatz in den unspektakulärsten Szenen. Zum Beispiel bei einem Dialog an einem Flugplatz, den man auch einfach auf einem Flugplatz hätte abdrehen können… . Dann die bereits angesprochene Luxusyacht. Diese verdammte Yacht, die irgendwie immer wieder in unterschiedlichsten Ausführungen zu sehen ist und einfach nicht beschädigt wird. Man könnte meinen man ziehe sich eine neue Staffel „Die Geissens“ rein. Aber nicht nur die viel zu gut erhaltenen und durch die Umweltkatastrophen verursachten Trümmer irritieren. Auch das unverhältnismäßige Ausmaß und die unproportional zunehmende Schlagzahl an merkwürdigen Naturereignissen wie das Zeitempfinden an sich wirken eher wenig durchdacht. Dazu kommen wirklich komische, einfallslose Sequenzen in einem gleißend erleuchteten Raum im Mond, in dem Brian und den Zuschauer*innen die Geschichte um den Mond erklärt wird.

Den Mond zu voll genommen

Auch die Filmmusik kann hier nicht trumpfen. Bis auf „Toto – Africa“ in der Anfangssequenz blieb sie eher unauffällig und war in einigen Momenten eher störend. So durch die implizierte Bedeutungshoheit, die der jeweiligen, für den Plot aber eher irrelevanten Sequenz damit beigepflichtet wurde. Dadurch wähnte man sich aufgrund des akustischen Spannungsaufbaus schon im Finale, als man feststellte, dass jede annähernd Action-versprechende Szene mit der gleichen Lautstärke behandelt wird.

„Moonfall“ ist also nicht nur dem Filmgenre der Katastrophe zuzuordnen, sondern stellt solche größtenteils optisch, wie akustisch und in jedem Fall dramaturgisch dar. Wenn die kindliche Freude „unseres“ Verschwörungstheoretikers über die Verwirklichung seiner abgedrehten Verschwörungstheorie der einzige Lichtblick im wirren Durcheinander unverhältnismäßig ablaufender Katastrophen und flacher Dialoge ist, muss man sich zukünftig wohl ernsthaft Gedanken darüber machen, ob Roland Emmerich erneut so ein riesen Filmbudget bekommt. Mehr Geld wurde nur von Andi Scheuer in seiner damaligen Funktion als Verkehrsminister verschwendet – die Älteren werden sich erinnern.

Insgesamt ist man beim Schauen des Films eher dazu geneigt die FFP2-Maske über die Augen zu ziehen, anstatt sich einen NASA-Helm aufsetzend in das Raumschiff der Protagonist*innen zu träumen.

„Moonfall“ erscheint am 10. Februar 2022 in den deutschen Kinos.

Foto: Roland Emmerich/ Lionsgate

Macht irgendwas mit Medien (privat, freiberuflich & im Studium) und schnackt euch jetzt nicht mehr nur noch über die Radiofrequenz das Ohr über Themen ab, denen er wenig Wissen, aber viel Spaß beisteuern kann.

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