Ich gehe (auf gar keinen Fall) auf eine Verbindungsparty

Ich gehe (auf gar keinen Fall) auf eine Verbindungsparty

Mit dem Marburger Studienbeginn wird der frischgebackene Studierende schnell mit dem Thema „Verbindungen“ konfrontiert: Bei der WG-Suche, im Kommiliton:innenkreis, beim aufmerksamen Lesen diverser Plakate sowie durch Schmierereien meist aus dem linken Spektrum – überall wird einem die Frage gestellt, wie er oder sie sich gegenüber Verbindungen und „Burschis“ positioniert. Ja oder nein. Dafür oder dagegen. Schwarz oder weiß. 

PRO von Armin Willems
Beim ersten Mal feiern in Marburg bin ich ausgerechnet in einem Verbindungshaus gelandet. Die Palatenparty ist zum Teil derart voll, dass man nur mit vorheriger Anmeldung auf Facebook mitfeiern kann. Ich bin im Prinzip seit drei Jahren dauernd feiern (Das stimmt gar nicht Mama, ich bin jeden Tag in der Uni — Word!) und fand noch keine Konkurrenz. Warum die Palatenparty für mich die beste Party in Marburg war? Warum Verbindungspartys übertrieben geil sind? Da sind zum Beispiel die weitläufigen Häuser. Jeder kennt doch diese Hollywood-Filme, in denen das ganze Haus voll von feiernden Menschen ist, irgendjemand das Ehebett der Eltern ge- beziehungsweise missbraucht und der Tagesvollste in den nächst gelegenen Blumenkübel kotzt. Ungefähr so geht es auf Verbindungspartys zu. Der Unterschied ist, dass die Eltern meistens nicht aufkreuzen und das Spektakel vorzeitig beenden. Verbindungspartys sind nämlich im Prinzip auch große WG-Feten. Nur eben ohne die ganzen Hippies, die auf dem Flur einen Sitzkreis auf dem Boden des viel zu engen Flurs machen und Wein aus Pappkartons trinken. Stattdessen findet der Spaß in großen, von Tradition aufgeladenen Sälen statt. Es ist quasi die historische Pflicht jeder Person im Haus, zu feiern und zu tanzen bis die Füße bluten, weil das schon seit 150 Jahren so gemacht wird. Wer keinen Bock auf tanzen hat, der trinkt. Und zwar billig. Richtig billig. Günstiger ist es nur zuhause. Auf einer Verbindungsparty hab ich mir mal einen halben Liter Zombie für drei Euro gegönnt. Wo bekommt man heute noch einen Zombie für drei Euro? Und wirklich: 0,5 Liter Zombie mit viel (also ganz, ganz viel) Rum für drei Euro sorgen bei den Gästen für ausgelassene Stimmung. Was gerade in Marburg für die Verbindungspartys spricht, ist die mäßige Konkurrenz. Partylocations in Marburg sind oft klein, eng, siffig, verraucht, teuer oder ideologisch geprägt, sodass echte Partylaune zum Teil gar nicht zustande kommt. Seit aus dem Nachtsalon der Nintendo entfernt wurde, seit im Till Dawn der Fotoautomat kaputt ist und seit ich aus meiner großen Wohnung in ein Zimmer im Studierendenwohnheim gezogen bin, sind die einzigen echten Alternativ-Locations weggefallen. Wer gerne ausgelassen feiert um des Feierns willen und — auch wenn die Prinzipien der jeweiligen Verbindung oder diese generell persönlich (und vielleicht politisch) abgelehnt werden — ein kultiviertes Besäufnis zu schätzen weiß, der ist auf Verbindungspartys goldrichtig.

KONTRA von Yvonne Hein
Wie allgemein bekannt, ist die herrschende Meinung zu Verbindungen unter der Studierendenschaft nicht die rosaroteste. Eher im Gegenteil. Trotzdem besuchten die meisten schon mal eine Verbindungsparty. „Jaaaa, das ist doch was ganz anderes“, „Das heißt ja nicht, dass ich damit Verbindungen unterstütze!“ und „Es ist ja nur ’ne Party“ sind alles Meinungen, die den Besuch von Verbindungspartys aber unter der Lupe genommen eher unzureichend rechtfertigen. Es ist wichtig zu wissen, welche Verbindung eine Party gibt und warum. Gibt eine musikalisch-künstlerische Verbindung eine Feier, kann niemand dagegen groß etwas einwenden. Aber bei einer politischen und dann noch rechtsorientierten Burschenschaft sollte die Moral besser doch über die Begeisterung für kostenlosen Alkohol siegen. Auch, weil politische Verbindungen meistens dem politisch rechten Spektrum zuzuordnen sind und daher auch in verschiedenen Formen diskriminierende und menschenverachtende Einstellungen vertreten – ein Grund ihrer Unbeliebtheit. Und das wissen sie auch. Nicht nur, aber auch deshalb veranstalten so viele Burschenschaften häufig Partys, bei denen sie die ganze Studierendenschaft einladen und ihnen zeigen wollen, wie nett sie doch sind (immerhin laden sie alle auf ihre Partys ein und stellen Freibier!). Schaut man jedoch ein bisschen genauer hin, hinterlassen ihre Feten den bitteren Beigeschmack, dass sie ihr wahres rechtspolitisches Gesicht verstecken wollen: Hinter scheinbarer Toleranz und Offenheit, einer Maske aus Freibier, Bowle und teurem Schnaps. Mit dem Besuch einer Veranstaltung von Burschis gibt man ihnen das Gefühl, sie seien hier in Marburg erwünscht. Auch wenn die ausschweifenden Partys viele Studierende sehr ansprechen, findet die gesellschaftspolitische Einstellung hier kaum Zuspruch. Oder anders gesagt: Man nimmt auch keine Kugelschreiber von einer rechten Partei mit der Ausrede, es sei ja nur ein Streuartikel und hieße noch lange nicht, dass man diese Partei unterstütze. Schon gar nicht am Tag nach der Party, wenn im nüchternen Zustand wieder der Verstand einsetzt.

FOTO: Marcus Nelson auf flickr.com, CC-Lizenz

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