Sneak-Review #25: Familie zu vermieten
Und wieder fragen wir: Haben sich die vier Euro Eintritt gelohnt oder greifen bereits die ersten Cineast:innen nach ihren Jacken? Diesen Dienstag in der Sneak: Die Komödie „Familie zu vermieten“ von Regisseur Jean-Pierre Améris mit Benoît Poelvoorde und Virginie Efira.
Paul-André Delalande (Benoît Poelvoorde) ist super reich. Paul-André ist super ordentlich. Und Paul-André ist super traurig. Denn Paul-André ist durch seine Software reich geworden und jetzt, wo er nicht mehr arbeiten muss, ist ihm super langweilig. Er verbringt den ganzen Tag in seiner Villa, sitzt in seinem Liegestuhl oder auf seinem Sofa, schaut fern und nimmt lieber die blauen Antidepressiva, weil ihn die grünen irgendwie runterziehen. Zur Seite steht ihm sein Assistent Léon (François Morel), der seinen Chef umsorgt, ihm seine Pillen und sein Wasser reicht – und eines Tages für ihn zu Violette Mandini (Virginie Efira) fährt.
Eine starke Frau und ein reicher Pedant
Violette ist alleinerziehende Mutter. Sie glaubt an Liebe auf den ersten Blick und hat zwei Kinder von zwei verschiedenen Lieben auf den ersten Blick. Sie lebt in einer heruntergekommenen Gegend in einer kleinen Hütte und will eigentlich von der Liebe nichts mehr wissen. Violette ist arbeitslos und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Weil das aber nicht reicht, um alle satt zu bekommen, stiehlt sie ein Suppenhuhn im Supermarkt – und wird sofort erwischt. So ein Suppenhuhn in der Tasche ist allerdings eine ausgezeichnete Waffe, also prügelt sie den Sicherheitsmann, der sie festnehmen will, zu Boden.
Der Sicherheitsmann verliert das Bewusstsein, Violette muss vor Gericht. Ihr wird angedroht, dass ihr das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen wird und als sie das Gerichtsgebäude verlässt, ist sie von Reportern und Fernsehkameras umringt. Öffentlichkeitswirksam hält sie einen Monolog über die Bedeutung der Familie, die Harmonie, die Liebe und die Kraft, die ihr innewohnen. Paul-André sitzt vor dem Bildschirm und ist von den Worten der zweifachen Mutter tief berührt. Er glaubt, eine Familie, wie Violette sie beschrieben hat, könnte ihm über seine Midlife-Crisis hinweghelfen. Einfach eine eigene Familie zu gründen, kommt für den kontrollsüchtigen Pedanten aber nicht in Frage. Darum lässt der depressive Megareiche die bettelarme Violette zu sich bringen. Er schlägt ihr vor, ihre Schulden und ein Jahresgehalt zu bezahlen, wenn sie dafür Paul-André für drei Monate in ihre Familie aufnimmt. Nach einigem Zögern stimmt Violette dem Plan zu. Allerdings lernt der Millionär ziemlich schnell, dass das Familienleben nicht ausschließlich harmonisch ist und zu einem großen Teil aus viel Geschrei besteht.
Keine großen Überraschungen
Der Plot von „Familie zu vermieten“ ist eigentlich nichts Neues: Ein fremder Mann testet, ob er mit einer alleinerziehenden Mutter zusammenleben kann und die beiden kommen sich auf engem Raum natürlich nahe. Das Ergebnis des Experiments dürfte für die Zuschauer:innen keine Überraschung darstellen, doch wie es für Liebeskomödien üblich ist, gilt auch für diesen französisch-belgischen Film: Der Weg ist das Ziel. Wenn ich ehrlich bin, wäre ich diesen Weg nicht mitgegangen, wenn mir jemand vorher gesagt hätte, welcher Film gezeigt wird. Eigentlich stehe ich nämlich überhaupt nicht auf französische Filme und so war ich ziemlich genervt, als auf der Leinwand französische Wörter erschienen. Ich bin aber sitzengeblieben. Denn als pflichtbewusster Rezensent habe ich mich auch ein bisschen darauf gefreut, einen bitterbösen Verriss zu schreiben.
Ich muss jetzt leider – oder viel mehr zum Glück – zugeben, dass ich mich geirrt habe. So vorhersehbar das Ende des Films ist, so authentisch wirken die Schauspieler. Gerade Violettes Sohn Auguste (Calixte Broisin-Doutaz), ein herzensguter und quirliger Junge, schafft es mit seiner offenen Art, das Herz zu berühren und den Zuschauer:innen das ein oder andere Lächeln abzuringen. Regisseur Jean-Pierre Améris macht mit „Familie zu vermieten“ zwar eigentlich alles, was die Filmemacher:innen in Hollywood in ihren Liebeskomödien auch machen. Dennoch wirkt der Film aus Frankreich erfrischend anders, ehrlich und offen.
Ein Film, der unter vielen hervorsticht
Der Film thematisiert die unbedingte Liebe, die man nur in der Familie spürt. Es geht darum, diese Liebe wertzuschätzen – und zwar auch und gerade dann, wenn das Familienleben nicht so einfach ist, wie man es sich wünscht. Und es geht auch darum, dass diese Liebe so groß sein kann, dass es manchmal leicht fällt, sie mit Menschen zu teilen, die dieses Glück nicht selbst erleben können.
„Familie zu vermieten“ kommt am 31. März in die deutschen Kinos.
FOTO: StudioCanal