Europawahl am 26. Mai – das Wichtigste auf einen Blick

Europawahl am 26. Mai – das Wichtigste auf einen Blick

Diese Woche wird in der EU gewählt. Fast 500 Millionen Menschen aus 28 Ländern sind zur Wahl aufgerufen. Das Europaparlament wird sich infolgedessen zum neunten Mal neu konstituieren. Was genau sich am Sonntagabend bis zur ersten Prognose abspielen wird, weiß noch niemand und dürfte spannender werden als jeder Tatort. Wahrscheinlich aber ist, dass man im EU-Parlament mehr Europakritiker:innen als bisher begrüßen muss. Und das ist nur einer der vielen Gründe, wählen zu gehen. Wie genau eure Stimme zählt, was das europäische Parlament überhaupt ist, wie unsere europäischen Nachbar:innen wählen und wie sich jüngste Ereignisse auf die Wahl auswirken könnten, erfahrt ihr hier.

Wer wählt wann und wo?

Die Europawahlen finden zwischen dem 23. und 26. Mai 2019 in allen Ländern der Europäischen Union statt. In Deutschland kann jede:r EU-Bürger:in ab 18 Jahren und mit Wohnsitz in Deutschland am Sonntag, den 26. Mai, zwischen 8 und 18 Uhr im jeweiligen Wahllokal eine Stimme abgeben. Welches Wahllokal für euch zuständig ist, könnt ihr auf der Wahlbenachrichtigung nachlesen. Falls ihr diese verlegt habt, findet ihr hier eine Liste der Wahllokale in Marburg. Alternativ besteht die Möglichkeit der Briefwahl. Wenn ihr am Sonntag nicht in Marburg seid und noch keine Briefwahlunterlagen beantragt habt, könnt ihr bis Freitag um 13 Uhr im Rathaus gegen Vorlage des Ausweises einen Wahlschein abholen und bis spätestens Sonntag um 18 Uhr ausgefüllt dort wieder abgeben. 

Warum überhaupt wählen?

Bei der letzten Europawahl im Jahr 2014 war die Wahlbeteiligung der Menschen zwischen 21 und 24 Jahren am niedrigsten: Gerade mal 35,3% dieser Altersgruppe gaben ihre Stimme ab, insgesamt waren es 43%. Dass sich dies am Sonntag ändern wird, gilt als wahrscheinlich. Denn anders als in 2014 markiert 2019 Brennpunkte auf vielen thematischen Ebenen: Da wäre der umstrittene Urheberrechts-Paragraph, der so viele junge Menschen jüngst auf die Straße trieb. Außerdem demonstrieren ebenso vor allem junge Menschen für den Klimaschutz. Neben digitalem Recht und Klimawandel ist das beherrschende Thema dieser Europawahl 2019 wohl auch der nationale Ruck nach rechts in nahezu allen EU-Ländern. Bei keiner anderen EU-Wahl war die Wahrscheinlichkeit höher, dass beträchtlich viele EU-Kritiker:innen und Rechtsnationalist:innen ins Parlament gewählt werden. All das sind Themen, die die diesjährige Wahl zur „Schicksalswahl“ für Europa machen: In den nächsten Jahren werden große Grundsatzfragen verhandelt werden, so ZDF-Korrespondent Stefan Leifert aus Brüssel.

Wer wird gewählt?

In Deutschland hat man die Wahl zwischen 41 Parteien, die jeweils eine Liste der möglichen Abgeordneten aufgestellt haben. Dementsprechend ist keine Wahl von Einzelpersonen möglich, sondern die Anzahl der Stimmen für eine Partei entscheidet darüber, wie viele Kandidat:innen in der festgelegten Reihenfolge ins Parlament einziehen. Die Listen der Kandidat:innen ist bei allen Parteien bis auf die CDU/CSU bundesweit einheitlich. Da in Bayern die CSU statt der CDU kandidiert, ist keine gemeinsame Liste für alle Bundesländer möglich, sodass jedes Bundesland eine eigene Liste aufgestellt hat. Im Gegensatz zur Bundestagswahl, bei der Parteien mindestens fünf Prozent der Stimmen erreichen müssen, um ins Parlament einzuziehen, gibt es bei der Europawahl in Deutschland diese sogenannte „Sperrklausel“ nicht. So haben auch Abgeordnete kleiner Parteien die Chance, im EU-Parlament mitzuwirken, wie beispielsweise Martin Sonneborn, der 2014 über die Liste von „Die Partei“ ins Europaparlament einzog.

Was ist das Europäische Parlament und was macht es?

Das Europäische Parlament setzt sich aus 751 Abgeordneten aller Staaten der Europäischen Union zusammen und ist die einzige direkt gewählte überstaatliche Versammlung der Welt und damit die direkte Vertretung von uns EU-Bürger:innen. Deutschland stellt als bevölkerungsreichstes Land 96 Abgeordnete, Estland, Luxemburg, Malta und Zypern hingegen haben aufgrund ihrer geringen Einwohnerzahlen nur jeweils sechs Sitze.
Das Parlament hat drei Kernkompetenzen: Es wirkt an Gesetzen mit, überwacht den EU-Haushalt und die Arbeit der EU-Kommission. Dabei kann das Europäische Parlament nur über Gesetze entscheiden und darf keine Gesetzesinitiativen einbringen. Der Entscheidungsprozess läuft folgendermaßen ab: Die Europäische Kommission schlägt neue Gesetze vor. Dabei berücksichtigt sie Empfehlungen der Zivilgesellschaft, des Europäischen Parlaments und der Mitgliedstaaten. Das Europäische Parlament überprüft und ändert diese Vorschläge gemeinsam mit dem Rat ab und kann sie auch blockieren. Wenn es eine Einigung gibt, kann diese entweder als Verordnung oder Richtlinie durchgesetzt werden. Eine Verordnung ist unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten gültig, während bei einer Richtlinie die Verantwortung für die Umwandlung in national geltendes Recht bei den einzelnen EU-Staaten liegt. Ein Beispiel für eine Richtlinie ist das Verbot von Einwegplastik wie Strohhalmen ab 2021. Wie die Umstellung auf umweltfreundlichere Alternativen vonstatten geht, entscheiden die jeweiligen Mitgliedsstaaten selbst.

Eine weitere wichtige Aufgabe des Parlaments ist die Wahl des Präsidenten der Kommission. Momentan ist das Jean-Claude Juncker. Jede Partei und jede Fraktion stellt eine:n Spitzenkandidat:in auf. Wer als Kommissionschef:in gewählt wird, bestimmen wir also indirekt mit.

Wie agieren die Abgeordneten im Europäischen Parlament?

Die Abgeordneten der Parteien der jeweiligen Staaten schließen sich im EU- Parlament zu Fraktionen zusammen. Dabei spielt nicht die Nationalität, sondern die Nähe der politischen Ansichten die wesentliche Rolle. In der Legislaturperiode seit 2014 gibt es acht Fraktionen. Die größte stellt dabei die „Fraktion der Europäischen Volkspartei“ (EVP) mit 216 Abgeordneten dar, in der sich Abgeordnete von christdemokratischen Parteien wie der CDU, CSU oder der österreichischen ÖVP zusammengeschlossen haben.
Bei Abstimmungen im Parlament sind die Abgeordneten allerdings nicht an ihre Fraktion gebunden, was dazu führt, dass es bei bestimmten Themen sowohl Für- als auch Gegensprecher:innen aus allen Fraktionen geben kann.

Gibt es bei der Wahl eigentlich Unterschiede zu unseren europäischen Nachbar:innen?

Trotz einheitlichem EU-Wahlrecht gibt es immer noch einige Interpretationsspielräume und Lücken, was unter anderem dazu führt, dass:

  • die Tschech:innen zwei Tage lang Zeit haben, um den Weg ins Wahllokal zu finden.
  • manche unserer Nachbar:innen keine Wahl haben, ob sie wählen: In Belgien, Luxemburg, Zypern und Griechenland ist Wählen Pflicht.
  • Französinnen und Franzosen ihre sonntäglichen Beschäftigungen nur kurz unterbrechen müssen, um schnell eine Vollmacht für jemanden zu schreiben, der für sie wählen geht.
  • es in Estland als einziges Land der EU noch viel bequemer zugeht: Dort muss man die spannende Serie nicht pausieren, sondern kann in einem zweiten Tab eben schnell online wählen.
  • im Gegensatz dazu nicht mal die Brieftaube in Tschechien, Malta oder der Slowakei deinen Wahlzettel zu den Behörden bringen darf: Da muss man schon selbst aufkreuzen, um anzukreuzen.
  • Österreicher:innen und Malteser:innen schon ab 16 Jahren wählen dürfen.

Welchen Einfluss könnten aktuelle Ereignisse auf die Wahl haben?

Marburg ist bunt! Das zeigen tausende friedliche Demonstrant:innen immer wieder. Auch letzten Samstag in Bauerbach demonstrierten 1.500 Menschen friedlich im Stadtteil Bauerbach und zeigten Kante gegen die antieuropäische Haltung der AfD, die im dortigen Bürgerhaus Wahlkampf vor – laut eigener Angaben – 120 Menschen machte.

Währenddessen hatte die FPÖ, österreichisches Vorbild der AfD und ebenso Teil der rechtspopulistischen Allianz in Europa, ein turbulentes Wochenende: Nachdem ein Video online gegangen war, das den ehemaligen Vizepräsident Heinz-Christian Strache zusammen mit Ex-FPÖ-Politiker Johann Gudenus in Verhandlungen mit einer vermeintlich wohlhabenden Russin auf Ibiza zeigt und strafrechtlich relevante Aussagen fallen, zerbrach die Koalition mit der Österreichischen Volkspartei (ÖVP). Die nun zerfallene Koalition aus konservativer Volkspartei und Rechtspopulisten war ein Vorbild für viele rechtspopulistische Parteien in Europa, neben der AfD in Deutschland (wo eine solche Koalition mit der Union höchst unwahrscheinlich ist), unter anderem auch für Matteo Salvini in Italien. Das einheitliche Auftreten sämtlicher europäischer Rechtspopulist:innen als rechte Allianz während des Europawahlkampfes lässt zwar vermuten, dass sich die EU-Kritiker:innen in einer Fraktion zusammenschließen werden, doch der EU-Experte Janis Emmanoulilids hält dies für unwahrscheinlich. Sie seien sich „untereinander nicht grün“. Inwiefern das Ibiza-Video einen Einfluss auf das Wahlergebnis am Sonntag haben wird, ist umstritten. “Die Wähler rechter Parteien machen sich nicht so viel Gedanken über das ethische Verhalten, sondern ihnen geht es um Protest“, so der Meinungsforscher Davide Ferrari. In deutschsprachigen Medien wird die Affäre rund um Strache und die FPÖ ausgiebig diskutiert, doch der Einfluss auf rechtspopulistische Parteien in anderen, vor allem nicht-deutschsprachigen Ländern werde „vermutlich nicht allzu groß sein“, so der Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber. Andere hingegen ziehen Parallelen zwischen FPÖ und AfD und hoffen zumindest auf ein Aufrütteln in rechtskonservativen Wählerkreisen durch den Skandal.

Auch Großbritannien wird an der Europawahl teilnehmen – das durchkreuzt die Pläne der EU. Eigentlich sollte das Parlament von 751 auf 705 Sitze verkleinert werden, 27 der bisher 73 britischen Sitze wären dann unter anderem an Frankreich und Spanien gegangen. Diese Reform soll nun zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. Doch einige, darunter auch Manfred Weber, Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, sehen die Teilnahme Großbritanniens an der EU-Wahl vor dem Hintergrund der Verschiebung des Austritts auf Ende Oktober kritisch. Nun könnten Brit:innen über die Zukunft der Europäischen Union mitbestimmen, obwohl der Austritt aus dieser bereits absehbar sei.

YourVoteMatters.eu

Falls ihr noch gar keine Idee habt, welche Partei ihr wählen wollt, empfehlen wir euch die Plattform YourVoteMatters.eu. Die Aussagen unterscheiden sich hier von den üblichen Thesen und es geht nicht darum, was im Wahlprogramm versprochen wird – sondern was sie bisher getan haben. Im Ergebnis siehst du dann nicht nur, wie nah du welcher Partei aus Deutschland stehst, sondern kannst dich auch mit einzelnen Politiker:innen und Parteien anderer EU-Länder vergleichen.

Wie wählt ihr? Habt ihr schon per Briefwahl gewählt oder geht ihr Sonntag persönlich ins Wahlbüro? Oder nehmt ihr kurzfristig noch die Möglichkeit wahr, im Rathaus zu wählen, weil die Gefahr besteht, dass euer Kater euch am Sonntag vom Wählen abhalten könnte? Erzählt es uns in den Kommentaren!

Foto: CC Tim Reckmann, unverändert

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