Gingerbreadman goes woke oder wenn die Backstube zur Bühne wird

Gingerbreadman goes woke oder wenn die Backstube zur Bühne wird

Foto: Jan Bosch, Collage: Laura Schiller

Als ich mich im November zur Premiere des Lebkuchenmannes im Eingangsbereich des HLTM wiedergefunden hatte, wurde mir eines direkt klar: Es ist Winter und die (vermeintlich) besinnlichste Zeit des Jahres klopft an die Tür. Und was wäre da besser, als sich in die neu inszenierte Version des Lebkuchenmanns (David Wood) zu setzen? Mein Verhältnis mit Theaterstücken für Kinder ist ein schwieriges. Es ist oft ein schmaler Grat zwischen mäßiger schauspielerischer Leistung und maximalem Cringe, um noch irgendwie einen Lacher aus den jungen Menschen herauszukriegen. Im Falle dieser Inszenierung des Lebkuchenmannes ist das nicht der Fall.

In der Nacht, wenn die Menschen schlafen, erwachen in Der Lebkuchenmann die Küchenutensilien zum Leben und führen ein ganz eigenes, fast schon ausschweifendes Leben, welches vor allem durch Singen und Feiern bestimmt ist. Das Stück spielt sich dabei die gesamte Zeit über in derselben Szenerie ab, einer Küche. Unsere Protagonist*innen sind Pfeffer (Anke Hoffmann) und Salz (David Zinco), eine Kuckucksuhr (Flamur Blakaj), ein alter Teebeutel (AdeleEmil Behrenbeck), eine Maus mit Elvis-Syndrom (Fanny Holzer) und eben der gute alte – in dem Fall eher neugebackene – Lebkuchenmann (Faris Saleh). 

Eine großangelegte Rettungsaktion

Das Stück beginnt mit der Begrüßung des Publikums und einer krächzenden Kuckucks-Uhr, die die beiden Gewürzstreuer nach Hilfe fragt, ihre Stimme wiederzuerlangen. Pfeffer und Salz, die unterschiedlicher nicht sein könnten, stellen daraufhin sehr eigensinnige Pläne auf, wie der Kuckuck seine Stimme zurückerlangen könnte. Eine Gesangseinlage einer Maus, die uns an einen gewissen Rockstar aus den 50ern erinnert, unterstreicht dies nochmal. Auch das Auftreten des Lebkuchenmannes hinter einer überdimensionalen Teigrolle und seinem beständigen Wunsch das Radio anzumachen, zeigt den Zuschauer*innen auf, dass die Welt dieser Küche von Musik und Tanz geprägt ist.

Als die erste Nacht dann vorbei ist, werden durch Audioeinspieler zwei Stimmen erkenntlich, die die Besitzerinnen dieser Küche sind und sich über den Fortbestand der Kuckucks-Uhr unterhalten. Dies haben unsere musikalischen Küchenbewohner*innen natürlich mitbekommen und hecken nun einen Plan aus, um die Stimme des Kuckucks zu heilen und ihn so zu retten. 

Der Lebkuchenmann macht sich daraufhin auf eine gefährliche Reise hinauf zu dem sagenumwobenen oberen Küchenregal. Dort soll der alte Teebeutel leben, der ihm etwas von dem Zauberhonig abgeben könnte, um den lieben Kuckuck wieder „Kuckuck“ machen zu lassen. Dieser alte, grummelige Teebeutel hat jedoch schon vor langer Zeit mit den anderen Bewohner*innen der Küche abgeschlossen und verwehrt dem Lebkuchenmann den Honig. Nun ist es am Lebkuchenmann selbst, durch einen geschickten Schachzug den Honig doch noch zu ergattern und zum unteren Küchenregal zurückzukehren. Es folgen eine aberwitzige Verfolgungsjagd (Streichholzkampf inklusive), philosophische Erkenntnisse, das Brauen eines wilden Kräutertrunkes und ein Quintett auf der Teigrolle. 

Do you know the Gingerbreadman?

Die Interaktion der Schauspieler*innen mit dem Publikum schafft es, die Aufmerksamkeit vor allem bei jungen Zuschauenden zu erhalten und ist eine der Stärken dieser Inszenierung.  Auch die atmosphärischen Klänge der Live-Cello-Musik von Anka Hirsch kommen unterstreichen das entspannte Ambiente des Stücks. Ebenso großartig ist die Besetzung, die auf eindrucksvolle Weise darstellt, dass es keiner geschlechtlichen Konventionen benötigt, um ein gelungenes Theaterstück für Kinder zu inszenieren. Dazu tragen sowohl eine geschlechtsneutrale Sprache als auch offene Genderdarstellung der Figuren, sowie die selbstverständliche gleichgeschlechtliche Beziehung der „Großen“. 

Vor allem die urkomischen Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Pfeffer und Salz und ihren sehr eigenen Persönlichkeiten eröffnen eine angenehme, zwanglose und lustige Atmosphäre. Die Beziehung zwischen Lebkuchenmann und dem alten Teebeutel stellt ein Gleichnis von Respekt und Gerechtigkeit dar, welches nicht belehrend wirkt, aber eindeutig ist und womit die Inszenierung einen pädagogischen Wert erhält. 

Für alle, die den Lebkuchenmann bisher nur durch Filme mit einem grünen Oger und einem sprechenden Esel kennen und nun auch mal wissen möchten, wo er eigentlich herkommt, lohnt es sich, das Stück zu besuchen. Dafür hat man am 12., 13. und 22. Dezember noch Zeit. Die Inszenierung von Intendantin Carola Unser-Leichtweiß ist voller Musik und Tanz. Sie führt jungen Leuten vor Augen, dass es wichtig ist, mutig zu sein und auf Leute zuzugehen und dass es auch völlig in Ordnung ist, nach Hilfe zu fragen, wenn Mensch mal alleine nicht weiterkommt.

(Lektoriert von jub und lurs.)

studiert Literaturvermittlung in den Medien. Redaktionsmitglied seit November 2023. Kommt aus Dortmund. Ist jetzt hier.

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