Marburg auf Standby: Cian in Slowenien

Marburg auf Standby: Cian in Slowenien

Fotos: Cian Münster

In unserer Reihe Marburg auf Standby berichten Marburger Studis von ihren Auslandsaufenthalten. Nach Spanien mit Elija reisen wir nun mit Cian nach Slowenien. Wie Studierende dort finanziell beim Thema Essen unterstützt werden, wie kompliziert sich die Kurswahl gestalten kann und was er sonst noch gelernt hat, lest ihr hier.

Als ich mich im November 2022 erstmals um die Bewerbung für ein Auslandssemester gekümmert habe, wollte ich ursprünglich nach Schweden. Die Universität Marburg verfügt jedoch über keinen entsprechenden Erasmus-Vertrag für Masterprogramme in den Sozialwissenschaften. Deswegen habe ich mich dafür entschieden, andere Länder in Betracht zu ziehen. Slowenien, mit seiner kleinen Größe und seiner Nähe zu interessanten Nachbarländern (Österreich, Italien, Kroatien und Ungarn) erwies sich für mich als überraschend attraktives Ziel. Trotz seiner Schönheit und Vielfalt ist Slowenien eher unbekannt im Vergleich zu anderen Erasmus-Zielen. Doch genau das machte den Reiz für mich aus – die Möglichkeit, in einem eher versteckten Juwel zu studieren und dabei die kulturelle Vielfalt der umliegenden Länder in Reichweite zu haben. Mein Erasmus-Abenteuer in Slowenien hat gezeigt, dass Größe nicht immer alles ist und kleine Länder oft die größten Überraschungen bereithalten.

Viele besondere Momente hatte ich in Ljubljana im Wintersemester 2023/24. Ein besonderes Highlight war die Teilnahme an einer Pressekonferenz mit den Außenministerinnen Annalena Baerbock (Deutschland) und Tanja Fajon (Slowenien), was für mich als Außenpolitik-Interessierten besonders aufregend war. Die Pressekonferenz sowie die gesamte Studienerfahrung waren für mich auch eine Möglichkeit zu entdecken, wie Deutschland in Slowenien wahrgenommen wird. Was ich entdeckt habe, war, dass es immer eine Frage der Perspektive ist. Aus slowenischer sei Deutschland ein riesiges und (politisch, wirtschaftlich, kulturell) wichtiges Land mit 84-85 Millionen Einwohner*innen im Vergleich zu Slowenien mit circa 2 Millionen Einwohner*innen, obwohl es natürlich Länder wie die USA oder China gibt, die deutlich größer sind. Deutschland wird auch als Einwanderungsziel verstanden; viele Slowenier*innen lernen Deutsch oder wollen in Deutschland studieren mit dem Wunsch, hier zu arbeiten. 

Aber auch abseits davon habe ich die Stadt erkundet, internationale Freundschaften geschlossen und unvergessliche Augenblicke erlebt – sei es bei gemütlichen Abenden in Bars oder dem Ausflug zum Bleder See mit der legendären Kremschnitte. Diese Vielfalt macht mein Erasmus-Erlebnis wirklich einzigartig. In Ljubljana studiere ich an der sozialwissenschaftlichen Fakultät (FDV Fakulteta za družbene vede auf Slowenisch) im Rahmen meines Masterstudiums in Friedens- und Konfliktforschung.

Das Erasmus-Studileben in Ljubljana

Slowenien ist sehr studierendenfreundlich. Für Studierende gibt es ein sogenanntes ‚Boni-System‘, durch welches sie vergünstigtes Essen bei einigen Restaurants erhalten. Es gibt spezielle studentische Menüs, die nicht mehr als 5 Euro kosten dürfen, und eine Suppe, ein Hauptgericht, einen Salat und Obst oder Nachtisch umfassen. Alle Studierenden bekommen 20 Coupons pro Monat, die sie zwischen 8 und 22 Uhr mit einem Mindestabstand von vier Stunden nutzen können. Man kann sich etwas Gutes gönnen, ohne viel bezahlen zu müssen und man muss nicht so oft kochen – gerade für Studierende mit wenig Geld und Zeit sehr angenehm. Sehr viele Restaurants nehmen an dem Boni-System teil: von traditionell slowenischem bis zu indischem oder chinesischem Essen. Meine persönlichen Empehlungen: „Fresco“ (slowenisch) und „Fugazi“ (sehr leckere Pizza!). 

Auch zu empfehlen sind die von ESN (Erasmus Student Network) organisierten Veranstaltungen und Trips zu verschieden Städten und Sehenswürdigkeiten. Am Anfang fand ich das ESN-Marketing etwas aufdringlich, besonders weil sie ständig betonten, wie wenige Plätze noch verfügbar waren (manchmal fälschlicherweise), um Druck zu erzeugen. Das ESN hat auch skeptisch reagiert, als ich versucht habe, selbst Ausflüge zu organisieren und Leute in unserem öffentlichen Telegram-Kanal einzuladen. Es schien, als betrachteten sie das als Konkurrenz zu ihrem Angebot. Ich habe dann aber erkannt, dass sie sehr spaßige Aktivitäten zu günstigen Preisen anbieten. Da ist was für jede*n dabei: Eishockeyspiele, Brettspielabende, eine Brauereiführung. Die Ausflüge finden nicht nur in Slowenien, sondern gehen auch nach Italien, Kroatien, Österreich und in die Slowakei.

Mein Lieblingstrip war ein Tagesausflug nach Rovinj, Kroatien (oft das „Venedig von Kroatien“ genannt). Man lernt dadurch außerdem interessante Leute aus vielen verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichen Hintergründen kennen. Nach dem Semester hat man also einen Grund mehr, neue Orte zu besuchen, um den Kontakt mit Freund*innen zu halten. Ich hätte mir allerdings mehr Chancen gewünscht, slowenische Studierende kennenzulernen. Es ist leider sehr einfach, in der Erasmus-Bubble mit anderen ausländischen Studierenden zu bleiben.  Vielleicht auch, weil Veranstaltungen für beide Gruppen (Erasmus und slowenische Studierende) getrennt voneinander organisiert werden. 

Slowenisch lernen

Ich habe die Stadt Ljubljana und das Land Slowenien als sehr freundlich gegenüber ausländischen Menschen wahrgenommen. Fast alle sprechen gutes Englisch und sehr viele können auch Deutsch. Es ist jedoch empfehlenswert, zumindest ein bisschen Slowenisch zu lernen. ESN bietet dazu einen Sprachkurs vor Anfang des Semesters an und die Universität Ljubljana hat auch Sprachkurse. Slowenisch ist keine einfach zu lernende Sprache (aus deutscher Sicht), jedoch bekommt man einen Einblick in die Welt der slawischen Sprachen. Es hat mich immer interessiert, wie viel Slowenisch Erasmus-Studierende aus anderen slawischsprachigen Ländern verstehen können. Einige wichtige Wörter sind zum Beispiel „Hvala“ (Danke), „Dober Dan“ (Guten Tag) oder „Prosim“ (Bitte). Ich habe jetzt die große Herausforderung vor mir, meine Sprachkenntnisse zu behalten, da es wenig Lernressourcen und Muttersprachler*innen gibt.   

Übrigens: Slowenien wird nicht gerne als osteuropäisch bezeichnet – die Leute hier sehen ihr Land eher als mitteleuropäisch. Nur weil sie eine slawische Sprache sprechen, heißt das nicht automatisch „Ost“. Tatsächlich liegt Slowenien geografisch nicht weiter östlich als Österreich. Es ist also nicht nur eine Sprachfrage, sondern auch ein bisschen die Stimmung und die Geographie, die Slowenien zu einem mitteleuropäischen Hotspot machen!

Ljubljana hat außerdem eine große Auswahl an Cafés, Restaurants und Bars, die ich während des Aufenthaltes häufig besucht habe. Die Stadt ist relativ klein, was es sehr einfach macht, alles mit dem Bus oder zu Fuß zu erreichen. Ein Tipp: Busse fahren oft früher als im Fahrplan steht. Das kann sehr frustrierend sein, wenn man nicht darauf vorbereitet ist. 

Chaos Kurswahl

Ich habe die Kurse Terrorism and CounterterrorismComparative Industrial RelationsDiplomacy, Security Studies and Security Policy und Security and Defense Policy of the EU gewählt. Außerdem habe ich bei der Universität einen Sprachkurs für Slowenisch belegt. Der organisatorische Teil war aber alles andere als einfach. Bereits im Mai 2023 musste ich bei der Universität Ljubljana meine Kurse auswählen und ein Learning Agreement erstellen. Diese Auswahl hatte jedoch keine Bedeutung, da die Plätze in den Kursen nicht garantiert waren.

Der tatsächliche Tag zur Auswahl unserer Kurse war im August und lief deutlich chaotischer ab als angenommen. Es darf keine Überschneidungen in unserem Stundenplan geben und viele der von mir ausgewählten Kurse fanden leider gleichzeitig statt. Eine gute Freundin von mir hier in Ljubljana hat mir später erklärt, dass man sich die Zeitpläne der vergangenen Jahren anschauen kann, um einen guten Überblick zu bekommen. Sie musste ihre Kursauswahl deshalb nicht ändern. Im Unterschied dazu war der Fachbereich 03 (Gesellschaftswissenschaften und Philosophie) an der Universität Marburg sehr hilfsbereit mit den nötigen Änderungen im Learning Agreement. 

Als Student der Friedens- und Konfliktforschung findet man einen vergleichbaren Studiengang im Ausland eher selten. Trotzdem waren die Mitarbeitenden im Fachbereich sehr verständnisvoll und sehr gesprächsbereit, wenn es um die Anrechnung ging. Jedoch kam es zu einer sehr verspäteten Auszahlung des Erasmus-Fördergeldes, was eine gewisse Unsicherheit mit sich brachte. Das kann besonders problematisch sein, wenn man die Miete oder andere Mehrkosten eines Aufenthaltes zahlen muss und auf das Fördergeld angewiesen ist 

Die Suche nach einer Unterkunft gestaltete sich ebenfalls als schwierig. In den Studierendenwohnheimen gab es nicht ausreichend Plätze. Ich habe am Ende über die Webseite Housing Anywhere eine passende Unterkunft gefunden, die teuer, aber sehr schön und neu war. Zukünftigen Erasmus-Studierenden in Slowenien würde ich die Facebook-Gruppe „Erasmus Ljubljana“ empfehlen, dort gibt es immer aktuelle Angebote von zuverlässigen und verifizierten Vermietern.  

Ein Fazit

Ich fand die allgemeine Struktur des Semesters an der Universität Ljubljana teilweise besser als in Marburg. In den verschiedenen Kursen gab es viele Nebenaufgaben im Laufe des Semesters, die eine Verbindung zwischen dem Lerninhalt und der benoteten Leistung geschaffen haben. In vielen Kursen an der Uni Marburg hat man das Gefühl, dass man eine Hausarbeit zwei Monate nach Kursende abgibt und dabei der Bezug zu den im Semester gelernten Inhalten verloren geht. Jedoch ist das Semester in Ljubljana kürzer als in Marburg. Wenn man im Wintersemester dort ist, sollen bereits Anfang Februar alle Prüfungsleistungen abgelegt werden. Ich hätte mir mehr Vorlesungszeit (bis Anfang oder Mitte Februar) gewünscht, da die Klausuren im Januar sehr stressig sind. Der Inhalt der Kurse hat mir im Allgemeinen sehr gut gefallen. Ich habe mich freier gefühlt, mich in verschiedenen Themengebiete zu spezialisieren und auch neue Herausforderungen anzunehmen. Im Austausch mit den anderen Erasmus-Studierenden,  aber auch mit slowenischen Studierenden, habe ich viel Neues gelernt, worüber ich mich sehr gefreut habe. 


Alle bisher erschienen Teile der Marburg auf Standby-Reihe findet ihr hier.

(Lektoriert von lhs, let und hab.)

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