Marburger Mietgeschichten: Am Ende der WG liegt der Schimmel

Marburger Mietgeschichten: Am Ende der WG liegt der Schimmel

Bild: Elija Ash Pauksch

Verschimmelnde Wohnungen, unbezahlbare Mieten, unmögliche Vermietende … die Wohnsituationen von Studierenden sind immer häufiger kaum tragbar. Gemeinsam mit dem AStA-Referat für Wohnen und Freiräume will PHILIPP darauf aufmerksam machen und die Betroffenen in der Reihe Marburger Mietgeschichten zu Wort kommen lassen. 

Wohnen ist ein sehr wichtiger Teilbereich des Lebens. Ich habe in einer WG gewohnt, diese war anfänglich ein sicherer Rückzugsort für mich. Damals habe ich mich wohlgefühlt . Es ist von unschätzbarem Wert, wenn du einen Ort hast, an dem du sicher bist, zur Ruhe kommen kannst und eine schöne gemeinsame Zeit verbringen darfst – das merkst du besonders, wenn du ihn nicht mehr hast. Als eine Mitbewohnerin von mir erste Schimmelanzeichen an unserer Wand entdeckte und uns darauf aufmerksam gemacht hat, trat ein Wendepunkt ein. 

Schimmel überall

Wir entfernten Schränke und untersuchten die weitere Räume. Hinter den Schränken erstrecke sich ein 3×3 Meter großer schwarzer Schimmelfleck. In Bad, Flur und einigen Zimmern sind ebenfalls erste Schimmelanzeichen zu erkennen gewesen. Rückblickend kann ich sagen, dass ein Schimmelfleck unser WG-Leben und unsere individuelle Stimmung auf den Nullpunkt gebracht hat. Die Reaktionen der einzelnen Bewohnenden waren unterschiedlich und reichten von „Wir müssen uns da jetzt gegen wehren“ bis hin zu „Ja dann können wir es ja gleich alles bleiben lassen hier“.  Es ist spannend und erschreckend zugleich, zu sehen, was ein tiefer Einschnitt in deinem privaten Rückzugsort mit dir und den Menschen um dich herum anrichten kann.

Wir haben dann als WG überlegt, wie wir mit der Sache umgehen wollen. In einem ersten Schritt haben wir versucht, kleinere Schimmelstellen in Bad und Flur selbst zu entfernen. Das funktionierte so mittelmäßig gut. Es war ein sehr ernüchternder Versuch. Der Prozess des „Verschimmelns unserer Küche“ war schon so weit vorangeschritten, dass es nicht möglich war ihn mit haushaltsüblichen Mitteln zu stoppen. Auch hier machte sich die allgemeine schlechte Laune bemerkbar. Verstärkend hinzu kam dann die Arbeit als solche neben Uni, Jobs und Freizeit, welche einfach eklig ist. Der Schimmelfleck mit seinen 3×3 Meter in der Küche war die Krönung des ganzen Schimmelproblems. Groß, tiefschwarz und absolut ungeeignet für eine Küche. Beim Anblick von dem Fleck, war auch direkt klar, dass du mit den Hausmittelchen hier nicht weit kommst, also informierten wir unsere Vermieter mit der Bitte, sich der Sache anzunehmen, beziehungsweise mit uns zusammen nach einer Lösung zu suchen. 

Die Antwort der Vermieter ließ wenig Hoffnung auf schnelle und unkomplizierte Hilfe zu. Wir klebten die Hälfte der Küche mit einer Folie ab, der Raum wurde quasi geteilt in zwei. Anschließend sah das Ganze wie in einem abgesperrten Tatortbereich aus. Somit war die Küche nicht mehr für das gemeinsame Essen nutzbar. Das Kochen mit dem Schimmelfleck an der Wand und der Folie davor ließ auch zu wünschen übrig und ist einfach unhygienisch und gesundheitsschädigend. 

Die Vermieter brachten uns Messgeräte vorbei, mit denen sie die Luftfeuchtigkeit in den einzelnen Räumen überprüfen konnten. Sie haben uns auch darauf hingewiesen, wie Räume richtig zu lüften und zu heizen seien. Im Endeffekt sind sie also davon ausgegangen, dass wir nicht fähig dazu wären, die Räume richtig zu lüften oder zu heizen und mindestens eine Mitschuld an dem ganzen Schimmelproblem haben. Ein sofortiges Misstrauen von Seiten der Vermieter hat uns wütend gemacht und entspricht nicht der Wahrheit, da wir sehr wohl wissen, wie und wann Räume zu lüften sind. Hinweise auf bauliche Mängel, Investitionsstau und mangelhafte Renovierungsarbeiten wurden gekonnt überhört. 

Während wir uns im mehr oder weniger regelmäßigen Austausch mit unseren Vermietern befanden, erreichte das WG-Leben einen Tiefpunkt. Gemeinsame Abende waren passé und Streitigkeiten über den richtigen Umgang mit der Situation erhielten Einzug. Grob aufgespalten in zwei Lager: das erste Lager wollte in die direkte Auseinandersetzung mit den Vermietern gehen, das zweite vertrat eher die Meinung, wir sollten ausziehen oder mehr auf die Vermieter zugehen. Das änderte sich aber auch mit jeder neuen Situation.

Es ist auch hier nochmal aufschlussreich, sich zu überlegen, wie frustrierend es ist, wenn aus deinem harmonischen Zuhause eine sich verstrittene Gemeinschaft im Schimmelchaos entwickelt. Einzelne Personen haben mehrere Tage bei Freund*innen übernachtet oder sind quasi ganz ausgezogen. Die Vermieter sind bis zu diesem Zeitpunkt nicht ein einziges Mal vorbeigekommen, um gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Ein weiterer Schritt der vermietenden Seite war dann das Aufstellen eines Luftentfeuchters. Dieses Gerät mit seiner unangenehmen Lautstärke rundete das Bild zusammen mit Folie und dem schwarzen Schimmelfleck gut ab. Die Kommunikation mit den Vermietern verlief sehr schleppend und solide Grundlösungen, die das Problem an der Wurzel angehen, kamen nicht zur Sprache. Die Gesamtsituation zog sich über drei Monate. 

Geringfügige Probleme!?

Wir haben auch versucht uns Hilfe zu holen beim Mieter*innenschutzbund. Dort wurde uns zwar Auskunft erteilt, aber die Probleme, welche wir haben, seien in der Vielzahl ihrer Anfragen in Bezug auf Schimmel eher als gering einzustufen. Wie es dann wohl bei den anderen Menschen aussehen muss, wollen wir uns lieber nicht ausmalen, wenn unser 3×3 Schimmelfleck als geringfügig anzusehen ist. Allein der Umstand, dass es notwendig ist Leute und Ihre Probleme zu priorisieren, ist Ausdruck dieser unsäglichen Missstände im Wohnraumsektor. In der Küche wurde so gut wie gar nicht mehr gekocht und die WG war wie ausgestorben.

Unser vorheriges WG-Leben steht in einem Gegensatz dazu. Es gab auch dort Probleme, aber diese wurden angesprochen und aus der Welt geschafft. Soziale Interaktion beschränkte sich auf ein Minimum und niemand hatte mehr ein Interesse daran, ein harmonischen, herzliches und gemeinschaftliches WG-Leben zu führen, weil alle müde waren von der miserablen Situation. Als nach zwei bis zweieinhalb Monaten klar war, dass es von Seiten der Vermieter keine vernünftige Lösung geben würde, haben wir uns dazu entschieden die WG aufzulösen. Wir waren es leid: die schlechte Kommunikation der Vermieter, die Unterstellungen in Bezug auf Eigenverschulden, die nicht vorhandene Küche und das Auf und Ab der Gefühle. De facto gab es keinen sicheren Rückzugsraum mehr, in dem wir uns hätten wohlfühlen können, weil die Gemeinschaftsräume durch den Schimmel eher Räume der Einsamkeit wurden.

Es ist schade zu sehen, wie eine Vielzahl von Menschen ähnliche oder schlimmere Probleme mit ihrem Wohnverhältnis hier in Marburg haben. So zumindest unser Gefühl, nachdem wir mit Freund*innen und Kommiliton*innen ins Gespräch darüber gekommen sind. Alle kennen Leute in ihrem Umkreis, die mehr oder weniger große Probleme mit Schimmel oder den allgemeinen Wohnverhältnissen haben. Kommt man darüber ins Gespräch wird auch deutlich wie individuell und unterschiedlich die jeweiligen Situationen sind. Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung in solchen Zeiten können hier lindernd sein. Außerdem muss mehr auf die Probleme aufmerksam und Missstände sichtbar gemacht werden, damit nicht mehr WGs so enden wie unsere.


Schimmel in der Wohnung: Was kannst du als Mieter*in tun?

  • Wenn Schimmel auftritt sollte dieser der Vermietung gemeldet werden. Am besten per Mail, so ist im Streitfall klar, dass ihr eurer Verantwortung nachgekommen seid.
  • Die Vermietung ist grundsätzlich dafür verantwortlich, den Schimmel zu beseitigen!
    • Weigert sich die Vermietung, kann der Schimmel selbst entfernt werden, indem z.B. Reinigungsmittel erworben werden oder eine Firma beauftragt wird und die Kosten dafür eingefordert werden.
      • Hierfür müssen die Mieter*innen in Vorkasse gehen, es besteht also ein Risiko.
    • Es besteht die Möglichkeit, die Miete zu mindern, also weniger zu bezahlen.
      • Hierbei muss beachtet werden, wie viel in welchem Fall angemessen ist. Dies wird zwar im Einzelfall entschieden, Mieter*innen können sich aber auf bestehende Gerichtsentscheide beziehen (s.u.). Es besteht die Gefahr, aufgrund von Mietrückständen gekündigt zu werden. Mehr Infos.
    • Eine weitere Möglichkeit ist, die Miete unter Vorbehalt zu bezahlen, sodass im Nachhinein Geld zurückgefordert wird. So entfällt das Risiko gekündigt zu werden, es kommt dabei auf die Nachsicht der Vermietung an.
  • In jedem Fall sollte bei Problemen mit der Vermietung die (kostenlose) Rechtsberatung des AStA, ein Mieterverein oder eine andere Rechtshilfe aufgesucht werden.
  • Tipps zur Vermeidung von Schimmel findet ihr hier.
  • Im schlimmsten Fall muss der Konflikt vor Gericht ausgetragen werden, hier muss geklärt werden, wer für den Schimmel verantwortlich ist (z.B. durch ein Gutachten).

Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/ratgeber/schimmel-in-der-wohnung-mietrecht-100.html

Das Referat für Wohnen und Freiräume ist Teil des AStA in Marburg. Die durch das Studierendenparlament gewählten Studierenden wollen mit ihrer Arbeit in diesem Themenbereich die Interessen der Studierendenschaft vertreten und ihre Kommiliton*innen bei aufkommenden Problemen unterstützen  Das Referat möchte außerdem anderen Studierenden dabei helfen, sich über die eigenen Rechte als Mieter*in zu informieren. Dafür gibt es eine Sprechstunde, die Vertreter*innen sind aber auch per E-Mail erreichbar.

Mehr über das Referat erfahrt ihr hier, auf der Webseite des AStA oder auf Instagram.

Du hast oder hattest auch Probleme in deinem Mietverhältnis und möchtest darüber (anonym) berichten? Schreibe gerne eine Mail an wohnen(at)asta-marburg.de unter dem Betreff „Mietgeschichten“.

(Lektoriert von jok, let und hab.)

Anonym

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Wordpress Social Share Plugin powered by Ultimatelysocial
Instagram
Twitter