Marburger Mietgeschichten: Schlaflose Winternächte

Bild: Elija Ash Pauksch
Verschimmelnde Wohnungen, unbezahlbare Mieten, unmögliche Vermietende … die Wohnsituationen von Studierenden sind immer häufiger kaum tragbar. Gemeinsam mit dem AStA-Referat für Wohnen und Freiräume will PHILIPP darauf aufmerksam machen und die Betroffenen in der Reihe Marburger Mietgeschichten zu Wort kommen lassen.
Kündigt niemals euren Mietvertrag, bevor ihr eine neue Wohnung habt. Im schlimmsten Fall seid ihr dann obdachlos. Wenn es etwas besser läuft, landet ihr wie ich in einer mangelhaften Wohnung bei nachlässigen Vermieter*innen.
Die Ruhe vor der Heizperiode
Endlich stand die erste Wohnungsbesichtigung an. Meine Vormieterin suchte jemanden, der bereit war, ihre Möbel für 700 € zu übernehmen. Da ich nur noch einen Monat Zeit hatte, nahm ich das Angebot dankend an. Dabei hatte ich bereits vor der Besichtigung die negativen Rezensionen auf Google zu dem privaten Wohnheim gelesen. Auf das Unternehmen bin ich schon 2021 bei meiner ersten Wohnungssuche gestoßen und hatte mir eigentlich vorgenommen, niemals dort einzuziehen. Trotzdem: Es war besser, als fünf Stunden am Tag zu pendeln, und die Vormieterin meinte auch, keine schlechten Erfahrungen gemacht zu haben.
Ich zog zum Sommersemester ein. Als dann Ende Mai auch die Strom- und Internetverträge abgeschlossen waren, schien alles in Ordnung zu sein. Nur manchmal machten die Heizungsrohre, die durch mein halbes Schlafzimmer verlaufen, merkwürdige Klopfgeräusche. Aber es war nicht wirklich schlimm.
Schlaflose Winternächte
Zu Beginn des Wintersemesters und der Heizperiode fingen die Heizungsrohre und Heizkörper an, jede Nacht und später auch tagsüber äußerst nervige Geräusche zu machen. Sie rauschten die ganze Nacht und verursachten mehrmals täglich lautstarke Klopfgeräusche. Schlafen ohne Ohrstöpsel wurde unmöglich. Nach der ersten schlaflosen Nacht rief ich sofort den Hausmeister an. Er sagte mir, dass er „ohne Auftrag nichts machen darf“ und verwies mich auf die Hausverwaltung, die telefonisch schwer und schriftlich gar nicht zu erreichen war.
Beim dritten Versuch hatte ich Glück und traf die Hausverwalterin zufällig, als sie zum Rauchen aus ihrem Büro kam. Ich erklärte ihr die Mängel und sie versprach, einen Handwerker zu schicken, der am nächsten Tag kommen sollte – aber er erschien nie. So hatte ich einen Tag umsonst zuhause gewartet. Am folgenden Tag rief ich sie 20-mal vergeblich an, bevor ich wieder vor ihrem Büro stand und sie mir öffnete. Telefon und Handy waren wohl auf lautlos gestellt. Ich bat sie erneut, die Mängel zu beseitigen, kann mich aber nicht mehr an ihre Antwort erinnern. Auf jeden Fall unternahm sie nichts und die Mängel wurden nie behoben.
Mietminderung, Zahlungsrückstände und die Kaution
Nachdem ich noch in der gleichen Woche einen Entlüftungs- und Schraubenschlüssel gekauft hatte, stellte ich fest, dass ich die Mängel selbst nicht beheben konnte. In der nächsten Woche war ich bei der AStA-Rechtsberatung und mir wurde eine Mietminderung empfohlen. Vielleicht würde fehlendes Geld das Unternehmen zum Handeln bewegen. Die Mangelanzeige und Mietminderung wurden am nächsten Tag in den Briefkasten der Hausverwaltung geworfen und zusätzlich eine E-Mail mit Audioaufnahmen der Geräusche an sie und die Zentrale geschickt.
Das fehlende Geld bemerkte das Unternehmen dann Ende Februar nach mehr als vier Monaten. In meinem Briefkasten fand ich einen Brief mit der Aufforderung, meine Zahlungsrückstände innerhalb eines Monats zu begleichen. Für Rückfragen sollte ich mich an eine falsch geschriebene E-Mail-Adresse wenden, sodass erst meine zweite Mail ankam. In dieser erklärte ich den Grund für die Zahlungsrückstände: die Mietminderung aufgrund der Mängel in der Wohnung. Natürlich wurde die Mail nicht beantwortet, obwohl ich Verhandlungsbereitschaft signalisierte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich im zweiten Anlauf auch für Ende März gekündigt.
Diesmal hatte ich wieder keine neue Wohnung, aber immerhin einen Plan. Sollte ich nicht wieder einen Platz beim Studierendenwerk mit einer sechsmonatigen Wartezeit bekommen, ziehe ich zurück zu meinen Eltern und pendle ein- oder zweimal pro Woche nach Marburg. Das war auch vom Stundenplan her möglich, da mir zum Ende des Bachelors nur noch wenige Module fehlten. Ich hatte unglaublich viel Glück und bekam Ende Februar doch noch einen Platz beim Studierendenwerk. Aber zurück zur alten Wohnung.
Inzwischen gab es eine neue Hausverwaltung und sie schien ziemlich freundlich zu sein, was bei ihren beiden Vorgängern gefehlt hatte. Bevor es zur Endabnahme kam, musste ich noch die Wohnung reinigen und die 700 € „teuren“ Möbel loswerden. Es wie meine Vorgängerin zu machen, konnte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Also mietete ich einen Transporter in Frankfurt und brachte mit zwei Schulfreunden alle großen Möbel zu meinen Eltern. Da meine Freunde ehrenamtlich halfen, kostete der Transporter mit Jungfahrerzuschlag, Tanken und Versicherung nur 200 €. Bisher konnte ich das Bett und den Schrank für insgesamt 210 € verkaufen, der Rest wird maximal 50 € wert sein. Also ungefähr -640 €.
Nach einer einminütigen Vorbesichtigung, bei der der Hausmeister fast 30 Minuten zu spät kam, dem Abtransport der Möbel und der gründlichen Reinigung der Wohnung war es nun Zeit für die Endabnahme mit der neuen Hausverwaltung. Nachdem sie erst 20 Minuten später am vereinbarten Treffpunkt vor ihrem Büro ankam, stellte sich heraus, dass sie die Endabnahme alleine durchgeführt hatte. Das musste wohl ein Missverständnis gewesen sein, nicht am selbst gewählten Treffpunkt zu erscheinen. Im Gespräch bei der Schlüsselabgabe war sie freundlich und bedankte sich bei mir dafür, dass ich so gründlich sauber gemacht hatte. So unterschrieb ich dummerweise das Abnahmeprotokoll, ohne es zu lesen. Sie sagte mir, dass alles in Ordnung sei und es keine Probleme mit der Kautionsrückzahlung geben sollte, für die sie allerdings nicht zuständig sei. Später las ich im Protokoll, dass manche Wände und Böden verschmutzt sein sollen. Eine E-Mail an die Hausverwaltung zum Protokoll und eine weitere zur Kautionsrückzahlung an die Zentrale wurden bis heute nicht beantwortet.
Ein verlustreicher Ausblick?
Ich bin sehr froh, wieder das Studierendenwerk als Vermietung zu haben. Im letzten Semester war ich durch den konstanten Lärm in der Wohnung so schlecht gelaunt und wütend, dass das mein einziges Gesprächsthema war. Doch jetzt ist die Geschichte noch lange nicht vorbei, auch wenn dies mein letzter Abschnitt wird. Ich weiß nicht, ob ich meine 810 € Kaution jemals wiedersehen werde. Ich weiß nicht, ob und wie die Vermietung auf meine Mietminderung von vor einem halben Jahr reagieren wird. Eine Rechtsschutzversicherung oder Mitgliedschaft im Mieterverein hilft ja nicht in rückwirkenden Fällen. Da ich von der Vermietung ignoriert werde, bleibt mir wohl keine Wahl als bis Oktober zu warten und mir dann einen Anwalt zu nehmen. Diese Ungewissheit ist sehr frustrierend.
Was Rechtsanwalt Gunther Specht zu dem Fall sagt, lest ihr hier.
Das Referat für Wohnen und Freiräume ist Teil des AStA in Marburg. Die durch das Studierendenparlament gewählten Studierenden wollen mit ihrer Arbeit in diesem Themenbereich die Interessen der Studierendenschaft vertreten und ihre Kommiliton*innen bei aufkommenden Problemen unterstützen Das Referat möchte außerdem anderen Studierenden dabei helfen, sich über die eigenen Rechte als Mieter*in zu informieren. Dafür gibt es eine Sprechstunde, die Vertreter*innen sind aber auch per E-Mail erreichbar.
Mehr über das Referat erfahrt ihr hier, auf der Webseite des AStA oder auf Instagram.
Du hast oder hattest auch Probleme in deinem Mietverhältnis und möchtest darüber (anonym) berichten? Schreibe gerne eine Mail an wohnen(at)asta-marburg.de unter dem Betreff „Mietgeschichten“.
(Lektoriert von ror.)
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