Marburger Mietgeschichten: Teurer als in Düsseldorf

Marburger Mietgeschichten: Teurer als in Düsseldorf

Bild: Elija Ash Pauksch

Verschimmelnde Wohnungen, unbezahlbare Mieten, unmögliche Vermietende … die Wohnsituationen von Studierenden sind immer häufiger kaum tragbar. Gemeinsam mit dem AStA-Referat für Wohnen und Freiräume will PHILIPP darauf aufmerksam machen und die Betroffenen in der Reihe Marburger Mietgeschichten zu Wort kommen lassen.

Als ich mich entschied, für mein Studium nach Marburg zu ziehen, war ich voller Vorfreude auf das Leben in dieser kleinen, charmanten Universitätsstadt. Marburg, mit seiner malerischen Oberstadt, den hübschen Fachwerkhäusern und seiner lebendigen studentischen Atmosphäre, hatte sofort einen besonderen Reiz für mich. Ich freute mich auf die neuen Erfahrungen, neue Leute und das akademische Leben. Doch was ich in Bezug auf den Wohnraum erlebte, war alles andere als idyllisch. Es war eine ernüchternde, oft frustrierende Erfahrung, die meine anfängliche Begeisterung für das Leben in dieser Stadt trübte.

Wenn Pendeln keine Möglichkeit ist

Die Suche nach einer passenden Wohnung gestaltete sich von Anfang an als große Herausforderung. Da ich aus Nordrhein-Westfalen nach Marburg zog und mir somit nicht die Möglichkeit blieb, regelmäßig zu pendeln, war ich darauf angewiesen, möglichst schnell eine Unterkunft zu finden. Marburg liegt nicht gerade zentral und die Verbindungen zu anderen Städten sind begrenzt. Zudem kann es sich kaum ein*e Student*in leisten, täglich mehrere Stunden zwischen Heimat und Universität zu pendeln. Schon früh wurde mir klar, dass die Suche nach einer Wohnung hier alles andere als einfach werden würde. Die Nachfrage nach Wohnraum ist besonders zu Semesterbeginn enorm hoch, das Angebot hingegen stark begrenzt.

Zu meiner Überraschung war es nicht einmal so einfach möglich, eine vorübergehende Lösung in einer Notunterkunft zu finden – auch wenn der AStA Marburg sich sehr dafür engagierte – denn diese waren schlichtweg bereits alle belegt. Auch die Option, vorübergehend in einem Hotel oder einer Pension unterzukommen, war für mich nicht bezahlbar, die Preise für kurzfristige Unterkünfte lagen weit über dem, was ich als Studentin tragen konnte. Ich durchsuchte also das gesamte Angebot auf den einschlägigen Plattformen und stieß immer wieder auf dasselbe Problem: Es gab schlichtweg kaum verfügbare Wohnungen, und die wenigen, die inseriert wurden, waren in einem erschreckenden Zustand.

Katastrophale Wohnungszustände

Ich kann mich kaum erinnern, wie viele Besichtigungstermine ich in dieser Zeit pendelnd wahrgenommen habe, aber eines war immer gleich: der Zustand der Wohnungen war meist katastrophal. Während eines Besichtigungstermins stießen wir beispielsweise auf Mäusefallen und der Vermieter erklärte nur entspannt, dass in der Wohnung zurzeit eben Mäuse wohnen würden, diese aber, durch die aufgestellten Fallen, bald weg sein würden. Besonders erschütternd war die Menge an Wohnungen, die mit Schimmel befallen waren. Oft hatte ich das Gefühl, dass diese Wohnungen gesundheitlich nicht einmal bewohnbar sein sollten, geschweige denn vermietet werden dürften. Trotzdem wurden sie zu überteuerten Preisen angeboten und waren erstaunlicherweise oft schnell vergeben. Die Hoffnung, eine halbwegs annehmbare Wohnung zu finden, schwand mit jedem Besichtigungstermin inmitten vieler frustrierter Studierender.

An vielen Orten fand ich feuchte Wände, kaputte Fenster oder veraltete Badezimmer. Manche Wohnungen waren so schlecht isoliert, dass ich mir kaum vorstellen konnte, wie es sich anfühlen oder finanzieren würde, dort während der kalten Wintermonate zu leben. Trotz dieser Umstände waren die Vermieter wenig kompromissbereit und zeigten sich nicht sonderlich daran interessiert, den Zustand ihrer Objekte zu verbessern, schließlich wurden die Wohnungen ja aufgrund der Wohnungsnot früher oder später sowieso alle vermietet. Inmitten dieser Misere kam ich immer mehr an meine Grenzen – die Notwendigkeit, eine Wohnung zu finden, stand im starken Widerspruch zu der Realität, die mir geboten wurde.

30 Quadratmeter, 700 Euro

Am Ende blieb mir nichts anderes übrig, als das zu nehmen, was kurzfristig verfügbar war, eine 30 Quadratmeter große Wohnung in einer eher abgelegenen Gegend von Marburg. Die Warmmiete betrug stolze 700 Euro, eine Summe, die für das, was geboten wurde, völlig unverhältnismäßig war. 

Dass ich in Düsseldorf während meines Bachelors für eine etwas größere Wohnung rund 200 Euro weniger bezahlt hatte, machte die Situation noch absurder. Düsseldorf ist eine Landeshauptstadt, eine wirtschaftlich starke Metropole, in der man hohe Mieten erwarten würde. Doch zu meinem Erstaunen stellte sich heraus, dass ich dort günstiger und komfortabler wohnen konnte als in der kleinen Universitätsstadt Marburg, da es dort einfach vielfältigere Angebote gab. Dieses Missverhältnis im Wohnungsmarkt war für mich nur schwer zu begreifen, und ich fühlte mich, als hätte ich keine Wahl.

Ungebetene Gäste

Kurz nach meinem Einzug entdeckte ich ein weiteres, weitaus unangenehmeres Problem: Kakerlaken. Eines Tages bemerkte ich, dass sich die kleinen, ungebetenen Gäste durch die Lüftungsschächte Wege in meine Wohnung bahnten. Kakerlaken sind sehr wahrscheinlich für die meisten Menschen ein Albtraum und auch ich war entsetzt. Es war nicht nur ekelhaft, sondern auch psychisch belastend zu wissen, dass sich diese Insekten mit mir in meiner Wohnung aufhielten. Der Versuch, das Problem zu lösen, brachte jedoch wenig Erfolg. Mein Vermieter nahm die Sache nicht ernst und meinte, dass dies in einem Gebäude dieses Alters „normal“ sei und man eh nicht viel machen könne, wenn die Schädlinge von den Nachbar*innen kämen, diese hätten sowieso auch einen anderen Vermieter. Ich solle mich selbst darum kümmern – was bedeutete, dass ich mich um teure Schädlingsbekämpfungsmittel kümmern musste und ständig wachsam war, was natürlich sehr nervenzehrend ist. 

Als wäre das noch nicht genug, waren auch die Waschmöglichkeiten im Haus eine einzige Katastrophe. Für über 40 Parteien standen lediglich zwei Waschmaschinen zur Verfügung. Diese waren entweder ständig kaputt oder in einem derart verschimmelten Zustand, dass man seine Wäsche nicht ohne Ekel waschen konnte. Oftmals musste ich tagelang warten, bis eine Maschine funktionierte oder bis ich überhaupt einen Platz bekam, um meine Kleidung zu waschen. 

Schwierigerer Wohnungsmarkt als in Düsseldorf

Als ich mit meinen Freund*innen und Kommiliton*innen aus Düsseldorf über meine Wohnsituation in Marburg sprach, wurde mir klar, wie absurd das Ganze wirklich war. In Düsseldorf, einer der teuersten Städte Nordrhein-Westfalens, hatte ich für viel weniger Geld eine geräumigere und ordentliche Wohnung gehabt. Natürlich war es auch in Düsseldorf nicht einfach, eine gute Wohnung zu finden, aber dort gab es immerhin Alternativen. In Marburg hingegen scheint der Wohnungsmarkt völlig überhitzt zu sein, ohne dass es die Infrastruktur rechtfertigen würde.

Es ist schwer, nachzuvollziehen, warum in einer Kleinstadt, die eigentlich für Studierende attraktiv sein sollte, die Mietpreise so drastisch steigen, während die Wohnqualität gleichzeitig sinkt. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist schlicht nicht gegeben und viele Studierende, die in Marburg leben wollen, müssen sich mit unzumutbaren Bedingungen abfinden.

Marburgs Charme vs. Wohnungsunzufriedenheit

Marburg als Stadt hat unbestreitbar seinen Charme. Die historische Oberstadt, das kulturelle Angebot und die Nähe zur Natur machen die Stadt zu einem attraktiven Ort, zum Studieren und zum Leben. Auch die Universität selbst hat einen hervorragenden Ruf und die akademische Gemeinschaft ist sehr engagiert. Aber die katastrophale Wohnsituation überschattet all diese positiven Aspekte. Es fällt mir zunehmend schwer, die Vorzüge der Stadt zu genießen, wenn mein Alltag von Problemen mit der Wohnung und einem ständigen Gefühl der Unzufriedenheit geprägt ist. Beispielsweise fällt es mir schwer, richtig abzuschalten, wenn wir mal feiern gehen etc., da ich währenddessen schon daran denke, was mich erwartet, wenn ich im Anschluss wieder nach Hause komme.

Häufig frage ich mich, ob ich nach dem Studium in Marburg bleiben möchte. Die Antwort ist nicht einfach. Einerseits könnte ich mir durchaus vorstellen, hier länger zu leben, weil mir die Stadt an sich wirklich sehr gefällt. Andererseits sind die Wohnbedingungen schlichtweg zu schlecht, um sich hier langfristig wohlzufühlen. Solange der Wohnungsmarkt in Marburg sich nicht verbessert, ist es schwierig, diese Stadt als einen Ort zu betrachten, an dem ich mir eine Zukunft vorstellen kann. Aktuell schlafe ich häufig bei Freund:innen, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf und suche weiter.

Ich hoffe, dass sich in Zukunft etwas ändert, denn diese Stadt hätte das Potenzial, ein großartiger Ort zum Leben zu sein – wenn es nur möglich wäre, unkomplizierter eine anständige Wohnung zu finden.

Das Referat für Wohnen und Freiräume ist Teil des AStA in Marburg. Die durch das Studierendenparlament gewählten Studierenden wollen mit ihrer Arbeit in diesem Themenbereich die Interessen der Studierendenschaft vertreten und ihre Kommiliton*innen bei aufkommenden Problemen unterstützen. Das Referat möchte außerdem anderen Studierenden dabei helfen, sich über die eigenen Rechte als Mieter*in zu informieren. Dafür gibt es eine Sprechstunde, die Vertreter*innen sind aber auch per E-Mail erreichbar.

Mehr über das Referat erfahrt ihr hier, auf der Webseite des AStA oder auf Instagram.

(Lektoriert von hab und let.)

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