Marburger Mietgeschichten: (Alb)Traum erste eigene Wohnung

Marburger Mietgeschichten: (Alb)Traum erste eigene Wohnung

Bild: Elija Ash Pauksch

Verschimmelnde Wohnungen, unbezahlbare Mieten, unmögliche Vermietende … die Wohnsituationen von Studierenden sind immer häufiger kaum tragbar. Gemeinsam mit dem AStA-Referat für Wohnen und Freiräume will PHILIPP darauf aufmerksam machen und die Betroffenen in der Reihe Marburger Mietgeschichten zu Wort kommen lassen. Was der Marburger Rechtsanwalt Gunther Specht zu dem Fall sagt, erfahrt ihr unten.

Meine erste eigene Wohnung – in meiner Vorstellung konnte bei dem Gedanken daran nicht viel schief gehen, groß genug sollte sie sein und gleichzeitig möglichst zentral liegen. Ich sollte jedoch eines Besseren belehrt werden. Aber erstmal alles zurück zum Anfang.

Erste Hürde: Wohnungssuche

Vor drei Jahren habe ich meinen Studienplatz hier in Marburg angenommen. Nach dem Abitur hatte ich bereits eine Ausbildung absolviert und auch schon ein wenig gearbeitet, währenddessen aber noch bei meinen Eltern gelebt. Sobald ich mir mit Marburg als Studienort sicher war, ging sie also los: die Suche nach der ersten eigenen Wohnung.

Schon nach kurzer Zeit war mir klar, dass es durchaus kompliziert werden könnte, die Wohnung zu finden, die ich mir vorgestellt hatte. Nach Tagen des Durchforstens sämtlicher Wohnungsportale und unzähligen Nachrichten an verschiedenste Vermietende hatte ich meine ersten Wohnungsbesichtigungen vor mir. Da diese unter der Woche waren und ich von weiter her anreisen musste, musste ich diese allein ohne Begleitung machen.

Ein echter Glücksgriff?

Schließlich hatte ich eine Wohnung, in der mir sehr viel zugesagt hatte. Sie war keine WG – ich wollte auf jeden Fall nach dem Ausziehen bei den Eltern erst einmal allein leben –, bestand aus zwei Zimmern plus Bad und war nicht nur mit einer Küchenzeile, sondern einer normal großen Küche inklusive Backofen ausgestattet. Ich hatte einen ebenerdigen Zugang zum Garten und hörte nichts von irgendwelchem Straßenlärm. Dazu kam ein echter Parkett-Boden mit schönen hölzernen Fußleisten, eine nahezu perfekte Lage im Herzen von Marburg und die Möglichkeit einen Anwohnerparkausweis für mein Auto zu beantragen. 

Natürlich war nicht alles an der Wohnung perfekt. Es handelte sich um eine Souterrain-Wohnung, die allgemein schon recht dunkel wirkte. Die Küche war schon ein wenig in die Jahre gekommen und bot auch leider keine Spülmaschine. Im Nachhinein machte die Wohnung auch einen eher muffigen Eindruck, doch dazu später mehr. Im Vergleich zu dem Rest des Marktes erschien sie aber erst einmal wie ein Glücksgriff.

Erste Unstimmigkeiten

Für mein subjektives Empfinden hatte ich das Glück direkt am nächsten Tag eine Zusage für die Wohnung zu bekommen; lange habe ich nach kurzer Rücksprache mit meinen Eltern dann nicht überlegt und ebenfalls zugesagt. Im Mietvertrag gab es einige Punkte, die entweder nicht dem entsprachen, was mir versprochen wurde, oder auch sehr umständlich formuliert waren. Zum Beispiel sollte ich für die doch eher alte und einfache Küche jährlich einen Betrag von 80 Euro zahlen, zumindest hatte mir der Vermieter das bei der Besichtigung gesagt, im Mietvertrag war plötzlich die Rede von 100 Euro. Nach einem kurzen Anruf hat sich das dann aber auch geklärt und der Betrag wurde auf 80 Euro geändert.

Weiterhin stand im Vertrag, dass bei Einzug akzeptiert wird, dass der Keller feucht ist. „Welcher Keller in unsanierten Altbauten ist das denn nicht”, dachte ich mir und schenkte diesem Satz keine weitere Aufmerksamkeit. Meine Vermieterin machte von Anfang an einen eher seltsamen Eindruck, es wirkte alles sehr professionell, aber irgendwie fehlte Empathie. Ich hatte das Gefühl, dass es ihr egal sei, wer in seine Wohnung einzieht, Hauptsache der Geldfluss stimmt. Später sollte sich herausstellen, dass mein Gefühl mich nicht getäuscht hatte. Ich würde es am ehesten so beschreiben: Die Dinge, die gemacht werden MÜSSEN, werden von ihr mehr oder weniger fristgerecht erledigt, dabei hat man aber nicht das Gefühl, dass die Probleme der Mietenden wirklich verstanden und ernst genommen werden.

Wetterabhängigkeit

Springen wir jetzt zum Einzug in die Wohnung. Eher zufällig habe ich beim Einzug in einer der Schubladen in der Küche ein Hygrometer gefunden. Für alle die nicht wissen, was das genau ist: dieses Gerät misst die Luftfeuchtigkeit. Ist diese zu hoch, droht Schimmel, ist sie zu niedrig, kann das auch zu gesundheitlichen Problemen wie trockenen Augen führen. Die optimale Luftfeuchtigkeit liegt in Wohnräumen bei 40-60 %, in Küche und Bad sind auch mal 70 % in Ordnung. Ich habe daraufhin mal geschaut, wie es in meiner neuen Wohnung aussieht und habe feststellen müssen, dass die Luftfeuchtigkeit nahezu überall zu hoch ist. In den nächsten Tagen habe ich einiges zu diesem Thema gelesen und auch mit meinen Eltern viel darüber gesprochen. 

Nach einem kurzen, aber intensiven Gespräch, kam meine Vermieterin letztlich unserer Forderung nach, mir einen Luftentfeuchter zu stellen. Der Strom, den dieser verbraucht wird über einen Zwischenzähler abgelesen und die Kosten in der Nebenkostenabrechnung als Gutschrift aufgelistet. Dadurch kostete mich der Einsatz dieses Gerätes immerhin kein Geld. Trotzdem muss man sich klar machen, dass die Nutzung eines solchen Gerätes nicht angenehm ist. Davon geht ein dauerhaftes Lärmgeräusch aus, das man mit einem lauten alten Ventilator vergleichen könnte. Dazu kommt, dass man sehr abhängig vom Wetter ist. Viel Regen bedeutet hohe Luftfeuchtigkeit und gerade in den Sommermonaten wird es dann schnell sehr schwül. Die Folge: Das Gerät muss den ganzen Tag laufen, auch wenn ich zu Hause bin. Ich bin froh, dass es mittlerweile Noise Cancelling Kopfhörer gibt, die mir dieses Dauergeräusch ersparen beziehungsweise es mindern können.

Schimmelzerfressener Küchenschrank

Nach ein paar Monaten sind mir an meinem Körper, gerade an den Augen, raue juckende Stellen aufgefallen, die ein Hautarzt dann als Ekzeme, also meist raue Hautausschläge, diagnostizierte. Woher diese kamen, wusste ich nicht. Ich habe daraufhin zufällig hinter einen hohen Küchenschrank geschaut und die Wand dahinter gesehen, die irgendwie anders aussah als der Rest der Wohnung. Nachdem ich den Schrank abmontiert hatte, musste ich erst einmal schlucken, denn so etwas hatte ich noch nicht gesehen. Ein in der Ecke sitzender, ungefähr zwei Quadratmeter großer und tiefschwarzer Fleck. Schimmel. Und zwar so viel und vermutlich schon so lange, dass das Holz des Küchenschranks vom Schimmel zerfressen war.

Meine Vermieterin hatte vorher behauptet sie habe vor meinem Einzug die komplette Wohnung begutachtet und keinen Schimmel gefunden. Letztendlich kam sie dann am nächsten Tag vorbei und behandelte diese Stelle mit Schimmelentfernungsspray. Ihrer Pflicht kam sie also nach. Neben dem Schimmel hatte ich vor allem im Sommer immer wieder mit Ameisenstraßen und (nicht gefährlichen) Waldschaben zu kämpfen, die sich in meiner Wohnung sehr heimisch fühlten. Gerade die Ameisen fühlten sich in den Spalten zwischen einzelnen Parkettbrettern sehr zu Hause, die wohl durch vorherige Wasserschäden entstanden waren. Wirklich wohl habe ich mit damit nicht gefühlt. 

Persönlich freundlich, am Telefon schroff

Aus meiner Vermieterin werde ich bis heute nicht schlau. Bei persönlichen Aufeinandertreffen war er meist höflich und korrekt, per Telefon oder E-Mail oft sehr schroff, kurz angebunden und manchmal sogar unverschämt. Für nichtige Dinge wurde ich ausgelacht , ausgemachte Termine wurden nicht eingehalten, oft gab es keine oder eine sehr verspätete Rückmeldung und ich musste immer wieder hinter Dingen hinterherlaufen. Es war außerdem unmöglich, einen Termin auszumachen, an dem er in meine Wohnung kommt. Egal wie oft ich einen Tag oder eine Uhrzeit vorgeschlagen habe, es war nie möglich für sie, diese zu bestätigen.

Stattdessen kam sie mehr oder weniger vorbei, wann auch immer es ihr passte, und stand dann vor meiner Tür. Und das geht eigentlich gar nicht! Zum einen ist es gesetzlich festgesetzt, dass Vermietende nie ohne Termin vor der Tür stehen dürfen, zum anderen kam es zu sehr unpassenden Situationen wie, dass ich gerade geduscht habe oder auch sonst einfach keine Zeit habe. Interessant zu wissen war es auch, dass nicht nur ich sondern auch meine Nachbarn exakt dieselben Probleme mit ihm haben wie ich. Zudem wurde die Nebenkostenabrechnung stets so ausgelegt, dass mein Vermieter das Maximale für sich herausholen kann, jedoch im Rahmen der Legalität.

Insgesamt habe ich mit der Wohnung viele Probleme, die mich ich auch durchaus gesundheitlich beeinträchtigen. Das Verhältnis zu meiner Vermieterin ist zumindest aus meiner Sicht ein sehr belastetes. Mein Traum von der ersten eigenen Wohnung wurde zum Teil definitiv zum Albtraum.


Kommentar von Rechtsanwalt Gunther Specht

Der Marburger Rechtsanwalt Gunther Specht bietet in Zusammenarbeit mit dem AStA eine kostenlose Rechtsberatung für Studierende an. Das sagt er zur heutigen Mietgeschichte:

„Eine Wohnung anmieten ist oft wie ein Gebrauchtwagenkauf: „gekauft/ gemietet wie besichtigt und probegefahren“. Mängel, die schon beim Einzug vorhanden waren, können kaum noch gerügt werden – es sie denn, man konnte sie auf Anhieb entdecken. Eine alte Küche ist alt, eine fehlende Spülmaschine ist eine fehlende Spülmaschine und eine Souterrainwohnung ist in der Regel etwas dunkel – und der besonderen Gefahr ausgesetzt, feucht zu sein.

Schimmel kann gesundheitsschädlich sein oder auch nicht – hier würde eine Luftmessung weiterhelfen, die die Mietenden aber erst einmal selbst zahlen müssen. 

Und den ewigen Streit zwischen Mietenden und Vermietenden, wer Schuld ist am Schimmelbefall (schlechte Bausubstanz oder falsches Lüften / zu viele Pflanzen oder Aquarien / wenig Heizen) kann auch erst ein (teures) Sachverständigengutachten klären. Wichtig ist es auch, darauf zu achten, dass im Mietvertrag wirklich das aufgeschrieben ist, was vereinbart wurde – sonst muss nachverhandelt werden.

Und Vermietende müssen in der Tat oft darauf hingewiesen werden, dass sie Termine absprechen und diese dann auch einhalten müssen – auch wenn es um ihre Wohnung geht. Weil sie mit der Vermietung auch Rechte aufgeben – aber „Erwachsenenerziehung“ ist sehr schwer … “

Das Referat für Wohnen und Freiräume ist Teil des AStA in Marburg. Die durch das Studierendenparlament gewählten Studierenden wollen mit ihrer Arbeit in diesem Themenbereich die Interessen der Studierendenschaft vertreten und ihre Kommiliton*innen bei aufkommenden Problemen unterstützen  Das Referat möchte außerdem anderen Studierenden dabei helfen, sich über die eigenen Rechte als Mieter*in zu informieren. Dafür gibt es eine Sprechstunde, die Vertreter*innen sind aber auch per E-Mail erreichbar. 

Mehr über das Referat erfahrt ihr hier, auf der Webseite des AStA oder auf Instagram.

(Lektoriert von hab und let.)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wordpress Social Share Plugin powered by Ultimatelysocial
Instagram
Twitter