Marburger Mietgeschichten: Unheimliche Steckdosen und ein undefinierbarer Geruch

Bild: Elija Ash Pauksch
Verschimmelnde Wohnungen, unbezahlbare Mieten, unmögliche Vermietende … die Wohnsituationen von Studierenden sind immer häufiger kaum tragbar. Gemeinsam mit dem AStA-Referat für Wohnen und Freiräume will PHILIPP darauf aufmerksam machen und die Betroffenen in der Reihe Marburger Mietgeschichten zu Wort kommen lassen. Was der Marburger Rechtsanwalt Gunther Specht zu dem Fall sagt, erfahrt ihr am Ende.
Meine Mietgeschichte in Marburg begann mit der verzweifelten Suche nach einer WG oder einer kleinen Wohnung. Ich war ein Dorfjunge und hatte keine Ahnung, wie das in der Stadt läuft. Trotzdem bekam ich einige Zusagen für Besichtigungen, also plante ich alle schön praktisch an einem Tag. Es stellte sich aber schnell heraus, dass ich wirklich keine Ahnung hatte, wo ich da hineingeraten war. Ich habe sogar aus Versehen zwei Burschenschaften besichtigt, die ganz offensichtlich politisch weit rechts standen – das merkte ich schon beim Betreten der Häuser.
Teure Übergangslösung
Da ich ansonsten keine weiteren Zusagen bekam, musste ich mich notgedrungen für eine viel zu teure 5er-WG in Cölbe entscheiden, einer Nachbargemeinde von Marburg. Schon beim Einzug war mir klar, dass ich dort nicht lange bleiben würde. Die Wohnung war viel zu weit außerhalb, die Vermietung bestimmte die Mitbewohner*innen, und insgesamt war das Ganze einfach nicht das, was ich wollte. Noch schlimmer wurde es, als mir nach ein paar Wochen auffiel, dass die Heizung im Winter ständig ausfiel. Trotzdem habe ich erst gekündigt, als die Polizei eines Tages plötzlich vor der Tür stand. Nicht wegen der Bewohner*innen, sondern wegen unseres Vermieters, der in einen Immobilienflipping-Skandal verwickelt war. Er landete in Untersuchungshaft und sollte später auch vor Gericht stehen. Es dauerte dann sechs lange Monate und einige nervenaufreibende Anwaltsschreiben bis ich meine Kaution in Höhe von 990 Euro zurückbekam.
Kein direkter Zugang zum Bad
Nach dieser Tortur zog ich in eine andere WG in der Nähe des Bahnhofs. Dort hatte ich ein separates Zimmer, das außerhalb der eigentlichen Wohnung lag und nur über einen eigenen Eingang zu erreichen war. Kann ich absolut keinem empfehlen, der regelmäßig ein Badezimmer aufsuchen und kochen möchte. Mein Vormieter war ein drogensüchtiger alleinerziehender Vater, der das Zimmer in einem katastrophalen Zustand zurückgelassen hatte und zur Übergabe nicht auftauchte. Es gab einen Ersatzschlüssel, aber den ‚richtigen‘ Schlüssel bekam ich erst 2 Wochen später.
Auch wenn diese Wohnung immer noch nicht der Hauptteil meiner Mieten-Horror-Geschichte ist, habe ich dort einige negative Erfahrungen gemacht, die ich niemandem verschweigen will: Im Waschkeller konnte man keine eigene Waschmaschine anschließen, sondern musste die der Wohngesellschaft nutzen. Für die Nutzung musste man Chips vom Vermieter kaufen, man konnte aber maximal sechs Stück auf einmal kaufen. Pro Waschgang hat man vier Euro gezahlt bzw. zwei Chips. Ich musste bei meinem Waschverhalten mindestens zweimal im Monat Chips besorgen gehen. Darüber hinaus hingen diese Waschmaschinen am Wasserzähler, ich zahlte also doppelt. Sechs Monate nach meinem Einzug bekamen wir eine Nebenkostenabrechnung in Höhe von über 500 €, also 100 € pro Person. Die Nebenkostenabrechnung bestand aus mehr als zehn Seiten und war komplett undurchsichtig und es war unwahrscheinlich, dass wir so viel mehr verbraucht haben, als zuvor angegeben – vor allem ich: Die Wohnung war so unzumutbar, dass ich die meiste Zeit bei meiner Freundin verbrachte.
Tiefpunkt-Highlight
Die Wohnung danach war dann aber wirklich das Highlight meiner Mieten-Horror-Geschichte – oder eher der Tiefpunkt. Es handelte sich um eine frisch sanierte Souterrainwohnung im schönen unteren Ortenberg, einer der besseren Lagen in Marburg. Mit dem Fahrrad war ich in fünf Minuten am Erlenring, ganz in der Nähe meiner Werkstudentenstelle. Das klang zunächst perfekt. Sogar eine schicke Terrasse und ein großer Garten waren dabei – wenn auch völlig ungepflegt. Doch der Schein trog. Schon nach kurzer Zeit zeigten sich gravierende Mängel. Die Luft in der Souterrainwohnung war stickig und feucht, was von Anfang an einfach nur unangenehm war. Ich begann, die Luft- und Wandfeuchtigkeit zu messen – und die Ergebnisse waren schockierend: Die Luftfeuchtigkeit lag bei konstant etwa 70 %, und die Wände wiesen eine Feuchtigkeit von 33 % auf. Das perfekte Klima für Schimmel, der sich auch schon an mehreren Stellen in der Wohnung ausgebreitet hatte. Die Tapete sollte erst im Jahr zuvor angebracht worden sein, trotzdem löste sich diese zum Teil von der Wand.
Außerdem musste für den Einzug einen für mich persönlich viel zu hohen Abschlag zahlen, obwohl ich die Möbel gar nicht gebraucht hätte. Das Mobiliar bestand aus alten, zusammengewürfelten Stücken, die nicht einmal zu der restlichen Einrichtung passten. Aber das war nicht das eigentliche Problem: Die Möbel waren perfekt geeignet, um Schimmel und andere Mängel zu verstecken.
Unheimliche Steckdosen und undefinierbarer Gestank
Es war fast unmöglich, die Wohnung richtig zu lüften oder angenehm warm zu halten. Die Heizungen waren veraltet und ineffizient, was das Heizen zu einem teuren und frustrierenden Unterfangen machte. Die Steckdosen waren teilweise nicht geerdet, was mich zusätzlich beunruhigte. Dazu zog tagsüber immer wieder ein undefinierbarer, unangenehmer Geruch in die Wohnung, dessen Ursprung ich nie herausfinden konnte. Er verstärkte das Gefühl, dass diese Wohnung eine gesundheitliche Belastung darstellte. Manchmal vermutete ich, dass der Geruch von Abflussrohren oder aus den Kellerräumen des Gebäudes stammte, aber eine genaue Ursache wurde nie gefunden.
Die Kommunikation mit der Wohngesellschaft, die für die Vermietung der Wohnung verantwortlich war, gestaltete sich ebenfalls als schwierig. Der Hausmeister ließ sich oft wochenlang nicht blicken, und einfache Reparaturen, wie der Austausch einer Glühbirne im Hausflur, dauerten zwei Monate. Ich meldete jeden Schaden. Das ist schließlich meine Pflicht als Mieter und ich mache mich selber haftbar, wenn ich das nicht tun würde. Aber bin ich wirklich ein Mieter? An dieser Stelle sind mir einige Fehler, die man wohl vermeiden sollte, passiert. Ich hatte nämlich keinen Mietvertrag, mir wurde aber versprochen, dass ich in den bestehenden Mietvertrag ohne Mieterhöhung aufgenommen werde. Die Vermieter wollten außerdem 50 Euro, um den „Verwaltungsakt“ zu finanzieren.
Noch mehr schlechte Nachrichten
Nach einem Monat Kampf und Diskussionen kam dann die nächste Hiobsbotschaft: Anstatt mich einfach in den bestehenden Mietvertrag aufzunehmen, teilte mir die Wohngesellschaft mit, dass ich einen völlig neuen Mietvertrag bräuchte – mit einer zusätzlichen Mieterhöhung. Für eine Wohnung, die ohnehin schon viel zu teuer war – wir zahlten als 2er WG bereits 700 € kalt für 45 m², aufgeteilt in zwei Zimmer, ein winziges Badezimmer und eine Küche, die ebenfalls kaum mehr Platz bot. Diese Mieterhöhung schien reine Willkür zu sein, vor allem angesichts des Zustands der Wohnung, die weit davon entfernt war, den Preis zu rechtfertigen. Hätte sich jemand um die Wohnung gekümmert, wäre ich auch bereit mehr als die Hälfte meines Einkommens für die Wohnung auszugeben.
Zu allem Überfluss wurde ich in dieser Wohnung auch noch krank. Der Schimmel und die Feuchtigkeit setzten mir so stark zu, dass ich einen Monat lang mit Atemwegsproblemen zu kämpfen hatte und einfach nicht wieder richtig gesund wurde. Ich bin eigentlich ziemlich sportlich und ernähre mich gesund. Erst nach dem Auszug konnte ich mich langsam erholen.
Immerhin war ich zufrieden mit meinem Mitbewohner. Er studierte das gleiche wie ich und hatten ansonsten auch viele Gemeinsamkeiten. Dann stellte sich aber heraus, dass er mich mit den Nebenkosten übers Ohr gehauen hat. Er zahlte selbst so gut wie keine und ich habe fast die gesamten Nebenkosten alleine gestemmt. Er stritt so ziemlich alles ab, konnte mir aber nicht nachweisen, dass er genauso viel wie ich zahlte. Das war für mich der endgültige Punkt, an dem ich beschloss, diese Wohnung zu verlassen – egal, wie schwierig es sein würde, etwas Neues zu finden. Zum Glück konnte ich relativ schnell eine neue Wohnung finden, und obwohl sie nicht perfekt war, war es zumindest ein Neuanfang nach all dem Chaos.
Das Referat für Wohnen und Freiräume ist Teil des AStA in Marburg. Die durch das Studierendenparlament gewählten Studierenden wollen mit ihrer Arbeit in diesem Themenbereich die Interessen der Studierendenschaft vertreten und ihre Kommiliton*innen bei aufkommenden Problemen unterstützen. Das Referat möchte außerdem anderen Studierenden dabei helfen, sich über die eigenen Rechte als Mieter*in zu informieren. Dafür gibt es eine Sprechstunde, die Vertreter*innen sind aber auch per E-Mail erreichbar.
Mehr über das Referat erfahrt ihr in diesem Artikel, auf der Website des AStA oder auf Instagram.