Marburger Mietgeschichten: WG mit Waschbär

Marburger Mietgeschichten: WG mit Waschbär

Bild: Elija Ash Pauksch

Verschimmelnde Wohnungen, unbezahlbare Mieten, unmögliche Vermietende … die Wohnsituationen von Studierenden sind immer häufiger kaum tragbar. Gemeinsam mit dem AStA-Referat für Wohnen und Freiräume will PHILIPP darauf aufmerksam machen und die Betroffenen in der Reihe Marburger Mietgeschichten zu Wort kommen lassen. Was der Marburger Rechtsanwalt Gunther Specht zu dem Fall sagt, erfahrt ihr unten.

Als wir in unsere Mietwohnung einzogen war unsere Vermieterin eine sehr nette ältere Dame. Nach etwa eineinhalb Jahren verkaufte sie die Wohnung an eine Kapitalgesellschaft. War unser erster Eindruck von dieser noch positiv, sollte sich das leider im Laufe der Zeit ändern. Ich kann zwar aus Platzgründen nicht von allen negativen Erfahrungen berichten, aber die negativsten möchte ich gerne beisteuern.

Fotos und spontane Besichtigungen

Als wir das erste Mal einen kleineren Mangel meldeten, bot einer der Geschäftsführer an, ihn direkt persönlich zu beheben. Da sie die Wohnung (nach wenigen Monaten) wieder verkaufen wollten, wolle er bei der Gelegenheit auch direkt Fotos von ihr anfertigen. Unwissend über unsere Rechte diesbezüglich und um nicht ein gutes Verhältnis zu gefährden, widersprachen wir dem zunächst nicht. Als er dann vor Ort die Fotos schoss, ließen wir uns von ihm aber die Zusage geben, sie erst zur Abnahme zu erhalten und dass sie ohne unsere Zustimmung nicht veröffentlicht werden würden. Wochen und Monate vergingen, aber wir erhielten keine E-Mail mit den Fotos. „Scheinen wohl nicht gut genug geworden zu sein“, dachten wir uns nur und konzentrierten uns auf Uni und Arbeit bis die Fotos irgendwann vergessen waren.

Währenddessen gewährten wir ganz freundlich mehrere Besichtigungen, gingen auf spontane Terminanfragen ein, verschoben sogar extra eine Mittagspause im Homeoffice, um Personen in unsere Wohnung zu lassen, die sich teilweise augenscheinlich gar nicht für diese, sondern eine andere Wohnung im Hausblock interessierten und denen man offenbar unsere Wohnung nach der eigentlichen Besichtigung spontan auch noch zeigen, und, ganz ohne Vorwarnung an uns, unter Umständen auch zur Eigennutzung schmackhaft machen wollte.

Dass wir daraufhin einem Mieterschutz-Verein beitraten, sollte sich später noch mehr als bezahlt machen. Im nächsten Frühjahr erhielten wir nämlich ein Schreiben, mit dem unsere Kaltmiete erhöht werden sollte. Professionell formuliert und gefolgt von einem Anruf mit der Frage, wann denn damit zu rechnen sei, dass wir dem zustimmen, glaubten wir zunächst, es unterschreiben zu müssen, doch wurden vom Mieterschutz-Verein zum Glück eines Besseren belehrt: Das Schreiben war unwirksam.

Eine neue Vermieterin

Im Sommer des gleichen Jahres folgte unsere erste Nebenkostenabrechnung (NKA) von der neuen Vermieterin, in der sie uns für das vorherige Jahr 600€ weniger Nebenkostenvorauszahlung anrechnete, als wir bezahlt hatten und Kosten umlegte, die aufgrund fehlender Vereinbarung im Mietvertrag gar nicht umgelegt werden durften. Infolgedessen verlangte sie ca. 270 € Nachzahlung, während uns tatsächlich über 300 € Rückzahlung zustanden. Auch die folgende NKA konnte sich nicht viel besser sehen lassen – mit einer zu hohen Grundsteuer, die erst nach meiner Bitte um einen Nachweis darüber um über 70 € nach unten angepasst wurde, fehlender Anrechnung der über 30 € Dezemberhilfe (für die wir bei der NKA 2022 auf die NKA 2023 vertröstet worden waren) und erneut der Umlage der gerade genannten, nicht umlegbaren Kosten. Das Ergebnis: Uns standen über 190 € Rückzahlung zu, statt der zunächst ausgewiesenen 30 €. 

Während ich mich dann in der Vorbereitung auf mein 1. Staatsexamen befand und auch ohne die Termine für Besichtigungen und das ständig über uns schwebende Unwohlsein, regelmäßig fremde Menschen in unsere intimsten Räume lassen zu müssen, die uns vielleicht nach dem Kauf für eine Eigennutzung rauswerfen wollen würden, unter enormem Stress stand, gab es zwei Ereignisse, die ich besonders belastend fand. 

Fotos von unseren Fotos im Internet

Wir erinnern uns kurz zurück an die Fotos, die uns nie zur Freigabe erreichten. Während wir schon gar nicht mehr weiter an sie gedacht hatten, hatte unsere Vermieterin sie plötzlich einfach im Internet veröffentlicht. Ohne überhaupt je nach unserer Freigabe gefragt zu haben. Fotos aus sämtlichen Räumen – Schlafzimmer eingeschlossen. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, waren auf den Bildern sogar private Fotos an unseren Wänden, mitsamt der abgebildeten Personen zu erkennen. Genauso wie gänzlich unzensiert private Liebesbotschaften zwischen meiner Partnerin und mir, die wir uns in unserem Zuhause, unserem Safespace, aufgehängt hatten und die nun jeder Besucher dieser öffentlichen Internetseiten einfach so lesen konnte …

Nachdem wir die Vermieterin dann – immerhin erfolgreich – angewiesen hatten, die unerlaubt genutzten Fotos aus dem Netz zu entfernen folgten mehrere Nachfragen, wann wir denn endlich zensierte Bilder heraus- oder die bisherigen freigeben würden. Wir müssten mit einer erhöhten Belastung durch Besichtigungen rechnen, wenn wir keine Fotos herausgäben. Wir sollten entsprechend pro Woche einen Zeitraum von 3 Stunden für Besichtigungen freihalten, man fände es sehr schade, dass sich seit Wochen alles so kompliziert hinzöge, man wolle die Sache zu einem Abschluss bringen … Unterdessen wurde es gefühlt zu einem jährlichen Ritual, dass Besichtigungen seitens der Vermieterin überhaupt nur im Frühjahr und manchmal noch im Spätsommer stattfinden sollten, während im Winter und Sommer kein Interesse an Terminen bestand, sowie, dass auf die meisten Zeitfenster, die wir anboten und extra freihielten, keine Reaktion mehr erfolgte und sie ohne eine Absage doch nicht genutzt wurden.

Und dann war da Bärnadette

Nachdem das alles weitgehend überwunden war und ich mich endlich kurz vor meiner mündlichen Prüfung befand, raubte das zweite Ereignis uns wortwörtlich den Schlaf: Ein Waschbär zog in der Wand über unserem Schlafzimmer ein. Es folgten schlaflose Nächte voller Poltern und Kratzen und noch schlaflosere Nächte als Mama Waschbär ihre wirklich sehr laut und vehement schrill fiependen Babys bekam. Unsere Matratze wanderte in der Verzweiflung ins Wohnzimmer auf den Boden, die Nerven lagen blank, Rücken fingen an wehzutun und meine mündliche Prüfung rückte immer näher.

Waschbärdame Bärnadette wurde zur unangekündigten WG-Mitbewohnerin. Foto: privat.

Auf die Infos, die wir über die Bären sammelten, Fotos, die wir schossen, ein Loch im Dach und ein hochgebogenes Blech, das wir meldeten, wurde uns nicht geantwortet oder nur mitgeteilt, dass bis zum Ablauf der Schonfrist (was noch über drei Monate entfernt war) nichts unternommen werden dürfe. Dass es sich bei den Tieren um Waschbären handelte, glaubte die Hausverwaltung uns nicht und auf unseren mehrfachen Hinweis auf die Möglichkeit einer Vergrämung (unabhängig von der Schonfrist) wurde nicht reagiert. Es gipfelte schließlich über sechs Wochen nach der Mangelmeldung (und fast einen Monat nach meiner mündlichen Prüfung) in einer Drohung der Vermieterin mit der Beantragung einer einstweiligen Verfügung gegen uns, wenn wir nicht plötzlich einen kurzfristigen Termin nennen und einem Jäger und seinem Handwerker Zutritt gewähren würden, damit diese Löcher bohren könnten, um die Tierart herauszufinden und direkt anschließend eine Falle aufzustellen, die dann täglich von unserer Wohnung aus kontrolliert werden müsse. 

Der beauftragte Jäger zeigte sich dann hingegen zum Glück deutlich verständnisvoller für unsere Lage und schaffte es kurzerhand die Bären mit der einmaligen Verwendung eines Vergrämungsmittels innerhalb von eineinhalb Tagen loszuwerden.

Wie groß ist eigentlich unsere Wohnung?

Und zum Schluss noch: Im Frühjahr dieses Jahres fanden wir heraus, dass die Vermieterin die Wohnung mit einer anderen Wohnungsgröße (ca. 38 qm) verkauften wollte, als in unserem Mietvertrag angegeben ist („ca. 45 qm“), oder sie noch etwa ein Jahr zuvor der Wohngeldbehörde gegenüber angegeben hatte (ca. 43 qm). Es sollte sich durch Nachmessungen unsererseits herausstellen, dass die tatsächliche Wohnungsgröße dagegen sogar nur etwa 34 qm beträgt. In der Folge ließ die Vermieterin einen neuen Grundriss erstellen, den wir bis heute trotz mehrerer eigener und Nachfragen des Mieterschutz-Vereins nicht von ihr übersendet bekommen haben. Auch unser Anfordern einer Mietbescheinigung für unseren neuen Wohngeldantrag wird nur noch „geghostet“. (Und der vergangene Bewilligungszeitraum muss aufgrund der damals fehlerhaft angegebenen Wohnungsgröße möglicherweise nun auch noch einmal neu aufgerollt werden.) 

Um das, aufgrund der großen Abweichung zu viel gezahlte, Geld in Höhe von fast 2.500 € zurück zu bekommen, kommen wir nun wohl nicht mehr um den Gang zum Anwalt und möglicherweise eine Klage bei Gericht herum und hoffen nun darauf, dass wenigstens unsere Wohngeld-Sachbearbeiterin die Mietbescheinigung(en) selbst beschaffen kann …

Doch einen Lichtblick gibt es immerhin: Zum Zeitpunkt meiner Einreichung dieser Geschichte hat die Vermieterin nach rund zweieinhalb Jahren anscheinend endlich verkauft und wir haben laut ihrer Mitteilung nun seit einer Woche neue Vermieter. Deren Kontaktdaten möchte sie uns zwar auch auf Nachfrage nicht mitteilen und bisher haben die neuen Vermieter uns auch noch nicht kontaktiert, aber wir hoffen mal das Beste und dass die Geschichte mit diesem Verkauf nun endlich einen anderen Lauf nimmt.


Kommentar von Rechtsanwalt Gunther Specht

Der Marburger Rechtsanwalt Gunther Specht bietet in Zusammenarbeit mit dem AStA eine kostenlose Rechtsberatung für Studierende an. Das sagt er zur heutigen Mietgeschichte:

„Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie viel Geduld Mieter*innen mit ihren Vermietenden haben können – hier dauerten die Probleme über viele Monate an.

Diese Mietgeschichte ist auch ein gutes Beispiel dafür, was für eine Bandbreite an Problemen in einem Mietverhältnis auftreten können (Vermieter*innenwechsel / Recht am eigenen Bild / Mieterhöhung / Nebenkostenabrechnung / Schädlingsbefall / Abweichen der Wohnungsgröße).

Von wegen ich bezahle meine Miete und habe meine Ruhe….“

Das Referat für Wohnen und Freiräume ist Teil des AStA in Marburg. Die durch das Studierendenparlament gewählten Studierenden wollen mit ihrer Arbeit in diesem Themenbereich die Interessen der Studierendenschaft vertreten und ihre Kommiliton*innen bei aufkommenden Problemen unterstützen  Das Referat möchte außerdem anderen Studierenden dabei helfen, sich über die eigenen Rechte als Mieter*in zu informieren. Dafür gibt es eine Sprechstunde, die Vertreter*innen sind aber auch per E-Mail erreichbar. 

Mehr über das Referat erfahrt ihr hier, auf der Webseite des AStA oder auf Instagram.

(Lektoriert von hab und let.)

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