Social Media-Trend im Deutschunterricht: BookTube begeistert Schulen
Bild: Elisa Freede
Kommt euch folgendes Szenario aus eurer Schulzeit bekannt vor? Vorne an der Tafel steht ein*e Schüler*in und hält einen Vortrag. Mit Plakat und Notizen in der Hand wird ein Buch der gesamten Klasse vorgestellt. Eine klassische Buchvorstellung. Dass solche Vorträge nicht nur ganz schön langweilig sein können, sondern heutzutage auch völlig überholt sind, bemerkt auch Barbara Reidelshöfer. Die Lehrerin aus Bayern beschäftigt sich im Schulalltag als Deutschlehrerin viel mit dem Schwerpunkt Leseförderung im Unterricht und zeigt neue Wege für einen innovativen Umgang mit Büchern im Unterricht: ‚BookTube‘.
Bei einer Veranstaltung zum Thema „‚Dieses Buch ist ein Lesemuss‘ – BookTube als Möglichkeit digitaler Leseförderung“ am 01. Februar 2024 ermöglichte Reidelshöfer einen grundlegenden Einblick in die digitale und kreative Auseinandersetzung mit BookTube. Diese Videos lassen sich vermehrt auf YouTube wiederfinden und können ganz einfach in den Unterricht integriert werden. Der digitale Umgang mit Büchern löst in den Schulen immer mehr die schon veralteten Varianten des klassischen Vortrags ab und lässt die neuen Medien in den Vordergrund des Deutschunterrichts rücken.
#wirsindbooktube
Was genau ist aber eigentlich BookTube? Allgemein dient ‚BookTube‘ als Übergriff für eine Community, die aus interessierten Leser*innen unterschiedlichen Alters besteht, die von zuhause aus vor einer Kamera über Bücher sprechen und diese Videos dann auf YouTube hochladen. Also eigentlich: digitale Buchvorstellungen! Die Booktuber*innen fungieren in einer Vermittlerfunktion und stellen dabei nicht nur die ausgewählten Bücher ihren Zuschauer*innen vor, sondern sprechen auch Empfehlungen aus. Die Bücher werden somit auch rezensiert, nur eben im Videoformat.
Mit Blick in die BookTube-Community fällt aber auf, dass sich nicht nur die Machart der Buchvorstellungen und Rezensionen von klassischen Printalternativen unterscheidet. Auch die Auswahl der Bücher sieht anders aus. Der Fokus der Bücher liegt deutlich auf den Genres der Unterhaltungsliteratur, wie Fantasy oder Romance sowie Kinder- und Jugendliteratur. Genres, die eher weniger Beachtung im Feuilleton finden. Die Community von BookTube sucht sich ihre Bücher selbst aus und spricht über das, was sie interessiert. Zudem haben sich eigene Formate und ein spezielles Vokabular entwickelt. BookTuber*innen fassen in Videos beispielsweise ihren ‚Lesemonat‘ zusammen und erzählen, welche Bücher sich auf ihrem ‚SuB‘ (Stapel ungelesener Bücher) befinden. Auch auf anderen sozialen Medien lassen sich vermehrt Formate erkennen, die an das „klassische“ BookTube erinnern. So zeigt sich zum Beispiel ‚BookTok‘ auf TikTok als Format, das Bücher in den Mittelpunkt stellt. Das Sprechen über Bücher in den sozialen Medien wird also immer populärer.
Kamera und Stativ statt Stift und Plakat
Für Barbara Reidelshöfer steht fest, dass BookTube eine spannende neue Möglichkeit ist, die in den Deutschunterricht integriert werden kann. Die Leseförderung passt sich an die neuen medialen Möglichkeiten an und bezieht sich somit auch auf die Lebens- und Erfahrungswelten der Schüler*innen. Die Kinder und Jugendlichen sind mit YouTube vertraut und können ihre eigenen Ideen in selbst gestaltete BookTube-Videos einbringen. Sie werden vor neue mediale Herausforderungen innerhalb des schulischen Alltags gestellt, die dabei auch ihre Kreativität herausfordern.
Der Vorstellungskraft der Kinder sind dabei keine Grenzen gesetzt. Ob abwechselnd frontal in die Kamera gesprochen oder das Video sogar als Handpuppenspiel aufgezeichnet wird: In Booktube-Videos ist alles möglich. Alles, was man braucht, ist ein Buch, eine Kamera und ein Stativ. Da sich viele der Kinder bereits mit verschiedenen Videobearbeitungsprogrammen auskennen, fällt das Schneiden und Bearbeiten der Videos gar nicht mehr schwer, so Reidelshöfer. So bleibt mehr Platz für die Entwicklung eigener Ideen.
Literaturkritik im digitalen Raum
Die Etablierung von BookTube-Videos im Unterricht sei für Lehrer*innen auch mehr als spannend, so Barbara Reidelshöfer, da dadurch die Leistungen der Schüler*innen praktisch haltbar gemacht werden. Am Ende steht immer ein Video als Produkt. Nicht nur für die Benotung oder Feedback ist das produktorientierte Arbeiten praktisch. Die Schüler*innen können ihre Leistung einsehen und sich bewusstwerden, was sie erarbeitet haben. Alle Beteiligten können am Ende des Tages einen deutlichen Fortschritt erkennen und daran weiterarbeiten.
Dabei zeige sich vor allem die literarische Urteilsbildung, die von den Schüler*innen geübt werden kann. Um andere von dem Lieblingsbuch zu überzeugen, muss man gut argumentieren können. Welche Stelle hat mir am besten gefallen? Und wieso? Weshalb müssen die anderen das Buch unbedingt auch lesen? Was sollte man vorher über das Buch wissen und was vielleicht lieber nicht, um nichts vorwegzunehmen? Auf diese Fragen gilt es, möglichst überzeugende Antworten zu finden und diese auch gut zu präsentieren. Das ist manchmal gar nicht so einfach. Für viele Schüler*innen sei das Sprechen vor der Kamera eine ungewohnte Herausforderung, die erst einmal geübt werden muss. Ein angenehmes Klassenklima, in dem auch Raum für Fehler ist, sollte vorausgesetzt sein, um die fertigen BookTube-Videos vor der Klasse präsentieren zu können. Die Kinder und Jugendlichen sollen schließlich auch aus der Präsentation ihrer Ergebnisse etwas lernen.
Bücher bekommen ein neues Image
Schließlich geht es Reidelshöfer vor allem darum, die Schüler*innen unter anderem durch BookTube für das Lesen zu begeistern. Häufig trifft die gewählte Pflichtlektüre nicht den Geschmack der Kinder, sondern trägt eher dazu bei, dass Bücher als „uncool“ und nicht als mögliches Hobby wahrgenommen werden. Laut Reidelshöfer ist es wichtig darauf zu achten, dass bei der Auswahl eines Buches im Unterricht keine zu hohe Diskrepanz zum privaten Lesevergnügen der Schüler*innen herrscht. Buchvorstellungen haben da den Vorteil, dass jede*r ein eigenes Buch auswählen und dann in einem modernen Format den Mitschüler*innen präsentieren kann.
BookTube ist also eine spannende und moderne Alternative, die sich mehr als gut in den schulischen Alltag integrieren lässt. Vom digitalen bis kulturellen Lernen ist alles dabei und BookTube ist eben doch mehr als bloß langweilige Videos über Bücher. Sie bieten eine spannende und ergebnisreiche Möglichkeit, Leseförderung mit digitalen Medien zu kombinieren und so das Image eines verstaubten Buches ordentlich aufzupeppen!
BookTube erscheint als Möglichkeit eine Buchvorstellung mit der Förderung digitaler Kompetenz zu verbinden. Wenn wir an traditionelle Buchvorstellungen mit Plakat zurückdenken, waren diese doch spätestens nach der fünften Präsentation, die nach demselben Muster abläuft, ziemlich langweilig. BookTube-Videos bieten deutlich mehr Möglichkeiten für Kreativität und Variation. Kinder, denen es Probleme bereitet vor der ganzen Klasse zu sprechen, bekommen durch das Video-Format zudem die Möglichkeit, die Buchvorstellung in Ruhe aufzuzeichnen.
Neben den positiven Eigenschaften, die BookTube-Videos innerhalb des Schulalltags aufzeigen, darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Schulen zunächst einen Zugang zu Kameras, Stativen und Schnittprogrammen bieten müssen. Nicht jedes Kind hat diese Sachen zur Hand. Auch die Kompetenz vor größeren Gruppen und Schulklassen sprechen zu können, sollte mit Blick auf die Digitalisierung des Deutschunterrichts nicht außer Acht gelassen werden. BookTube kann sehr gut als Zusatz innerhalb der Schule genutzt werden und dient im Großen und Ganzen der Leseförderung. Aber wer weiß, wie sich Social Media-Trends mit Büchern weiterentwickeln und den Deutschunterricht in der Zukunft verändern werden. BookTube-Videos scheinen erst der Anfang zu sein.
(Lektoriert von hab und lurs.)
studiert Literaturvermittlung in den Medien und ist noch ganz frisch bei PHILIPP. Sie schreibt am liebsten über Kulturereignisse und mit Nele zusammen.
studiert Literaturvermittlung in den Medien und ist seit Anfang 2024 in der Redaktion. Sie liest alles, was sie in die Finger bekommt, und schreibt am liebsten zusammen mit Paula.