Theater Review #35: Struwwelpeter (Shockheaded Peter)

Theater Review #35: Struwwelpeter (Shockheaded Peter)
„Tu dies nicht, sonst passiert irgendwas und dann kommt ein Erwachsener und bestraft dich.“ – Mensch 33 (auf der Bühne eingeblendetes Zitat)

Auch am Donnerstag, den 02.03. durften wir den Struwwelpeter (Shockheaded Peter) wieder auf der Bühne sehen. „Phui! Ruft da ein jeder: Garst´ger Struwwelpeter!“ Altbekannt sind die schaurigen Geschichten des Frankfurter Psychiaters Heinrich Hoffmann. Der umstrittene Erziehungsratgeber ging 1844 in den Verkauf. Doch was wäre, wenn uns die Figuren aus Hoffmanns Erzählungen heute auf der Straße begegnen würden? Wie würden wir ein Marichen heute wahrnehmen? Mit diesem Gedankenexperiment entstehen eine Reihe von Neuinterpretationen, die aktuell in zahlreichen Theatern Deutschlands zu sehen sind. Die Band The Tiger Lillies verwandelt die zehn Struwwelpeter-Geschichten dabei in eine groteske und alptraumhafte „Junk-Oper“ namens Shockheaded Peter.  

Es geht um Freiheit! 

Das alte Struwwelpeter-Buch will Kinder erziehen und erreichen, dass sie sich anpassen und fügen, in das Verhalten, welches die Gesellschaft ihnen auferlegt hat. Insbesondere die Marburger Theaterinszenierung stellt eine kritische Auseinandersetzung mit den traditionellen Struwwelpeter-Geschichten dar. Der Zappelphilipp, der es nicht schafft, ruhig am Tisch zu sitzen, wird zum Bewegungskünstler und Mariechen, die trotz des Verbots ihrer Eltern mit den Streichhölzern spielt, zur Pyrotechnikerin. Die Theateraufführung will die Figuren nicht als sonderbar, sondern als einzigartig darstellen. Als Menschen mit komplexen und auch außergewöhnlichen Persönlichkeiten und Talenten. Ein Loblied auf die Individualität und bestimmt ein neues Herantasten an die Materie der Hoffmann-Geschichten. Die Darsteller:innen werden zudem als Gruppe präsentiert, wodurch sie gar nicht mehr so sonderbar und allein sind, wie man denn auf den ersten Blick meinen mag. 

Unterstrichen wird das Ganze von einem außergewöhnlichen Bühnenbild, das Werk Cosima Winters, die gekonnt den Geist des Stücks mit Absperrband und roten Lederschuhen in Szene setzt, ohne dass es aufdringlich und ablenkend wirkt. Die Bühnenbildnerin spielt mit Motiven von Treppen und Linien, von Begrenzungen und Kanten, an welche die Schauspieler:innen auf keinen Fall „anecken“ wollen.

Auch choreographisch kann das Stück sich sehen lassen – indem es gerade keine festgefahrene, einstudierte Choreographie aufweist, sondern den Schauspieler:innen während des Entstehungsprozesses selbst Gelegenheit zur intuitiven Bewegung gegeben wurde. Dadurch wird jede Aufführung einzigartig.

Das Theaterstück ist für alle Personen ab 14 Jahren geeignet. Auf der Bühne geht es recht laut zu, das Stück ist also nichts für ruhige Besucher:innen – aber genau das will Struwwelpeter (Shockheaded Peter) und so lernen wir ihn auch als Figur kennen: Er will wachrütteln und aufmerksam auf die Ecken und Kanten der Vorschriften machen.

Nächste Termine: 29.03., 30.03.

Eintritt: 26 Euro / ermäßigt 15 Euro 

Foto: Jan Bosch

(Lektoriert von let und hab.)

studiert Rechtswissenschaften, kombininiert die Farben blau und schwarz und liebt Fruchtzwerge.

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