Sneak Review #52: Welcome to Norway

Sneak Review #52: Welcome to Norway

Diese Woche in der Sneak: Ein altes Hotel, 50 Flüchtlinge, eine zerrüttete Familie und Rassist:innen in speckigen Jacken. Willkommen in der Welt von „Welcome to Norway“ von Rune Denstad Langlo, hier gibt es makabre Dialoge und herzzerreißende Freundschaften.

Das kühle Bier ist im Getränkehalter, der Mantel auf dem Schoß und der Kino-Mitarbeiter wirft, anstatt Losnummern aufzurufen, Bälle in die Menge. Die Horrorfilmtrailer (uagh) sind vorbei und der Film beginnt. Statt eines Titels wird lediglich ein norwegisches Bergdorf und ein Mann Mitte 40 eingeblendet, der durch ein vollkommen verrottetes Hotel geht und Matratzen in die Zimmer wirft. Einer der Zuschauer applaudiert, allgemeines Gelächter. Ich bin gespannt…

„Mama! Papa nennt die Geflüchteten Neger!“

Im Großen und Ganzen handelt der Plot von „Welcome to Norway“ davon, dass ein finanziell verzweifelter Norweger eine Aufnahmestelle für 50 Geflüchtete aus aller Herren Länder in seinem alten, gescheiterten Hotel einrichtet. Was sich allerdings als schwierig erweist, wenn die Zimmer keine Türen haben und nur Vollkornbrot und Forellen von 1987 in der Tiefkühltruhe zu finden sind. Zudem sehen die Dorfbewohner die Geflüchteten zumindest anfangs nur als Gelegenheit zum Geldmachen, weniger als Menschen. Eine überzogen-rassistische Dialogzeile folgt der anderen, man fragt sich ernsthaft, ob man im falschen Dorf gelandet ist.

Nun sind die Umstände schon schlimm genug für unseren Protagonist, aber auch die norwegische Flüchtlingsbehörde übt Druck aus, der Zustand habe sich augenblicklich zu verbessern. Innerhalb von zwei Wochen wächst, mithilfe eines norwegisch sprechenden Afrikaners und einer jungen, gutaussehenden Bibliothekarin, die Bruchbude zu einem annehmbaren Wohnort heran. Freundschaften entstehen, Angehörige unterschiedlicher Religionen vergessen ihre Zwistigkeiten, Friede Freude Eierkuchen. Doch geht am Ende alles gut aus? Die norwegische Polizei, eine lesbische Hochzeit und ein paar Schlägertypen haben jedenfalls auch noch ihren Auftritt.

Schwarzer Humor mit Schluck-Effekt

Es gibt keine Explosionen, Schießereien, schnelle Zooms und Macho-Sprüche. „Welcome to Norway“ ist eine klassisch ruhige europäische Tragikomödie, die ihr Feuer eher aus spitzen, makabren Dialogen, dunklem Humor und einem kleinen Hauch Emotionen nimmt. Auch die Leidensgeschichten der Geflüchteten werden nicht außen vor gelassen, wobei einem gelegentlich das Lachen im Halse stecken bleibt: „Erzähl doch mal was Persönliches.“ „Ich wurde drei Tage vergewaltigt, von sieben Soldaten und zum Sterben zurückgelassen.“ „Ääh, fein fein.“

Rune Denstad Langlo möchte hier ein absolut nicht witziges Thema in eine Komödie verpacken, was ihm den Umständen entsprechend gut gelingt, auch wenn die einzelnen Handlungsstränge eher parallel verlaufen und sich wenig berühren. Allerdings wird das durch die Leistung des hierzulande eher wenig bekannten Schauspielers Anders Baasmo Christiansen ziemlich gut wieder wettgemacht, der die Entwicklung vom idiotischen Dörfler zum dann doch noch nicht ganz so souveränen Primus der Unterkunft sehr gut darzustellen weiß. „Welcome to Norway“ ist ein Must-See für die Freund:innen der entspannten, schwarzhumorigen Komödie, doch auch allen anderen die sich beim Thema Flüchtlingskrise angesprochen fühlen, kann ich diesen Film wärmstens ans Herz legen.

 

 FOTO: youtube

PHILIPP-Gründerin und Chefredakteurin von 2014 - 2017.

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