1 Jahr nach Hanau

1 Jahr nach Hanau

Am 19.Februar 2021 kam es deutschlandweit zu Demonstrationen und Kundgebungen, um an die Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau zu erinnern. Auch in Marburg gab es verschiedene Aktionen in der ganzen Stadt. Begonnen wurde der Aktionstag mit einer Demonstration am Friedrichsplatz, weitergeführt mit einer Kundgebung am Erwin-Piscator-Haus und abgeschlossen mit einem stillen Gedenken über das ganze Wochenende am Elisabeth-Blochmann-Platz.

„Lebt weiter“

Am 19. Februar 2020 erschoss ein Rechtsextremer in Hanau 9 Menschen. Sie hießen: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kenan Kurtović, Vili-Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Bereits zuvor fiel er durch rechte Hetze und Verschwörungsideologien im Netz auf. Während der gesamten Demonstration und der anschließenden Kundgebung am Erwin-Piscator-Haus trugen viele Demonstrant:innen Bilder oder Portraits der Opfer und Plakate mit der Aufschrift: Say their Names – Sagt ihre Namen. Mehrmals rufen die Veranstalter:innen der Kundgebung am Freitag in Marburg die Namen der Opfer und die Menge antwortet lautstark mit „Lebt weiter!“. Auch ein Flashmob mit selbstgemalten Portraits und kurzen Geschichten zu den Verstorbenen sollten dazu beitragen, dass diese Namen niemals in Vergessenheit geraten und sich für immer einbrennt, was in Hanau vor einem Jahr geschehen ist.

Solidarität simdi Marburg

Organisiert wurde der gesamte Aktionstag in Marburg von mehr als 20 Organisationen; unter anderen die Plattform Solidarität simdi Marburg, die zur DIDF Jugend Marburg (Jugendverband der Föderation Demokratischer Arbeitervereine) gehört. Sie haben bereits in den letzten Monaten immer wieder Kundgebungen und Aktionen ins Leben gerufen, um den Opfern in Hanau zu gedenken und den Kampf gegen Rassismus weiter voranzutreiben. Begonnen hat der Aktionstag am 19. Februar 2021 in Marburg mit einer Demonstration am Friedrichsplatz. Hier wurde neben der Errichtung eines Mahnmals für die Opfer, auch die Umbenennung der Bismarckstraße in Mercedes-Kierpacz-Straße gefordert. Auf dem anschließenden Demonstrationszug vom Südviertel zum Erwin-Piscator-Haus folgte eine Kundgebung mit mehreren Redebeiträgen. Hierbei wurden eine lückenlose Aufklärung der Tatnacht in Hanau und ein stärkerer Kampf gegen den strukturellen Rassismus in unserer Gesellschaft gefordert.

Lückenlose Aufklärung

„Wo wart ihr in Hanau?“ Immer wieder formulieren die Redner:innen diesen Satz so oder ähnlich in Richtung der Politik und der Polizei. Sie wollen lautstark auf ihr Versagen und die vielen offenen Fragen der Hinterbliebenen aufmerksam machen. Die lückenlose Aufklärung der Tatnacht ist eine der zentralen Forderungen der Demonstrant:innen an die Politik und an die Ordnungskräfte. Denn bis heute warten die Angehörigen auf die Antworten vieler offener Fragen. Warum waren die Notausgänge der Arena-Bar in der Tatnacht verschlossen, sodass eine Flucht unmöglich wurde? Wie kann es sein, dass der polizeiliche Notruf unterbesetzt und minutenlang nicht erreichbar war? Was hat es mit den Obduktionen der Ermordeten auf sich, bei denen etwa der Leichnam von Hamza Kurtović als „südländisch, orientalisch“ klassifiziert wurde und weshalb wurde dem Täter die Waffenbesitzkarte nicht entzogen, obwohl Ermittlungs- und Strafverfahren liefen, in denen er bereits mit Verschwörungsideologien auf sich aufmerksam machte? Für Solidarität simdi Marburg ist das Versagen der Polizei vor allem auf den strukturellen Rassismus zurückzuführen, womit wir bei der zweiten zentralen Forderung wären: dem Kampf gegen strukturellen Rassismus.

Struktrueller Rassismus

Hierbei nehmen sie insbesondere die Politik in die Verantwortung. Diese habe zwar in den Tagen nach dem Anschlag eine große Anteilnahme gezeigt, aber in Gänze zu wenig gegen den strukturellen Rassismus getan. Viel mehr sind sie es, die diesen reproduzieren. So etwa bezeichnet Horst Seehofer die „Migration als Mutter aller Probleme“, verweigert eine Studie über „Racial-Profiling“ in der Polizei und die CDU dreht wenige Monate vor dem Jahrestag des Hanauer Anschlags einen Spot über die Bekämpfung von Geldwäsche durch Clans mit einem Mann, der offensichtlich einen Migrationshintergrund besitzt.

Was hat sich verändert?

Solidarität simdi Marburg sieht bei dem Kampf für Veränderungen die Gesellschaft als zentralen Baustein. Sie erkennen aktuell neben einer großen Spaltung in Deutschland auch ein enormes Potential antirassistischer Strömungen. Dieses enorme Potential müsse genutzt werden, um zentrale Anliegen und Forderungen vorzutragen und den Kampf gegen rassistische Strukturen in der Gesellschaft zu verstärken. Denn auch die Anschläge von Halle, Rostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda zeigen, dass Hanau kein Einzelfall war und ein Jahr später noch immer überall ist.

FOTO: Lennart Müller


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