Marburg deine Musik: Einsneunzig

Marburg deine Musik: Einsneunzig

Ausgeschrieben wird nicht nur der Name von Einsneunzig, sondern so heißt auch das neue Album, dass am 22. Januar veröffentlicht wurde. Die aktuelle Besetzung besteht aus Dimi, Jannick, Tim und Moritz. Die vier Jungs haben alle ihre eigenen Vorlieben, was Genres angeht, aber in der Band setzen sie sich keine Grenzen. Ob das immer gut klappt und warum 2020 Fluch und Segen zugleich für ihr Album war lest ihr im Folgenden. 


Philipp: Wie würdet ihr euch mit eurer typischen deutschrock Besetzung in einem Musikmagazin selber beschreiben?

Tim: Puh, ich würde sagen es ist poplastiger Indie-Rock. Aber Pop ist so ein unfassbar weiter Begriff. Ich stehe auf poppige, einfache Melodien, die schnell ins Ohr gehen. Für uns ist es aber gar nicht möglich Grenzen zu setzen, weil wir aus vier verschiedenen Genres kommen. Dimi ist krasser Jazzer, Moritz liebt Funk und ich bin gerade in afrikanischen Remixen gefangen. Am Ende würde ich sagen poplastiger Indie Rock oder poplastiger Alternative Rock.

Dimi: Es schweift auch mal aus. Es gibt Songs, die nicht 100 Prozent “Reggae Reggae” sind. Aber man könnte sagen, dass es “Raggae in unserem Kosmos” wäre. Auf dem neuen Album gibt es einen Punk-Song, der geht komplett nach vorne – alles in die Fresse. Aber es ist halt Punk in unserem Kosmos.

Angefangen hattet ihr 2017. Wie haben sich danach eure Einflüsse so entwickelt?

Moritz: Zwischen Ende Frühling 2017 und Frühsommer haben Tim und ich uns getroffen mit Akustikgitarre. Tim war überzeugt vom Gitarrenspiel; Ich war das noch nicht. (lacht) Dann sind wir bei einem Singer Songwriter Contest in Frankfurt aufgetreten und Zweiter geworden. Danach sind wir irgendwann im KFZ beim Marburger Abend aufgetreten und haben dort Chucky, Dimis Vorgänger, getroffen und später kam Eric dazu und dann ging es los.

Dimi: Als ich zu der Band kam, waren die verschiedenen Einflüsse noch nicht so krass. Vieles hörte sich doch sehr generisch an. Jannik und ich haben schon frischen Wind mitgebracht und auch musikalisch auf ein paar Wege hingewiesen.

Tim: Ja voll. Mit Jannik und Dimi kam so eine technische Fertigkeit in die Band. Ideen hatten wir, aber an der Umsetzung hatte es ab und zu gehakt. Moritz oder ich haben uns da noch in viele andere Richtungen entwickeln können.

Wie organisiert ihr eure verschiedenen Ideen bei neuen Songs?

Tim: Also das ganze Album entsteht erstmal als Text in meinem kleinen Kämmerchen. Dann bring ich die mit in den Proberaum und Dimi kann die z.B. schon mal mit den Drums auseinandernehmen.

Dimi: Aber es ist nicht so, dass ich möglichst krassen Jazzgroove darunter lege. Das Ganze ist viel intuitiver. Ich höre einen Song und habe dann meist was parat. Dann arbeitet wir an jedem Instrument weiter. Stück für Stück; Stein für Stein und dann steht der Songs irgendwann. Manchmal kommen auch noch Einfälle drei Monate nachdem der Song fertig ist. 

Moritz: Wie bei unserem Auftritt im KFZ, wo wir aus “Allein hier” eine langsamere Version gemacht haben oder bei “Bidde Bidde” mit einem Jam eingestiegen sind. 

Arbeitet ihr dabei eher perfektionistisch?

Moritz: Nicht sehr, aber wir gehen schon voll ins Detail. Es soll edgy sein, aber wir bringen Finessen und Feinheiten mit rein. Wir beißen uns auch schon mal an Sachen fest bis es klappt, aber nie so, dass etwas einfach klappen muss und wir da keinen anderen Weg hätten.

Dimi: Von der Spieltechnik, wenn ich es blöd sagen will vom Skill her, hab ich da schon ein Auge darauf. Ich sage dann mal, dass da was nicht tight ist und versuche da schon perfektionistisch ranzugehen.

Tim: Was das Schreiben angeht nehme ich zu 90 Prozent den ersten Versuch. In letzter Zeit schreibe ich auch mal was um, aber hauptsächlich wegen der vielen Zeit. Ich bleibe gerne beim ersten Gedanken, weil der meistens der Beste ist. Wenn es dann klappt, dann klappt es.

Bekommt ihr euch dabei auch in die Haare?

Tim: Natürlich reibt sich mal was, aber nie so, dass wir uns behindern. Wenn jemand ‘ne Idee hat und das funktioniert nicht oder wir mit der Idee nicht klar kommen, schmeißen wir das auch weg. Uns ist im Prozess immer wichtig, dass alle mit einer Idee einverstanden sind. Spaß, Vibe und das richtige Gefühl müssen stimmen.

Moritz: Bei uns wird Ehrlichkeit groß geschrieben. Eine Idee von mir auf  Synthies lief mal im Proberaum durch und dann meinten Dimi und Jannik halt: “Ja, das klingt scheiße” (alle Lachen) Ich war erstmal traurig, aber die haben im Endeffekt recht gehabt. Man geht da keine Kompromisse ein. Aber das läuft auf jeden Fall freundlich und konstruktiv.

Dimi: Absolut. Wenn man einfach aus Nettigkeit Sachen ausprobiert, die man musikalisch für Murks hält, verstreicht einfach unheimlich viel Zeit.

Tim: Wir haben dafür aber auch an unserer Kommunikation gearbeitet. Wir können inzwischen so reden, ohne dass jemand denkt: “Boah fick dich!”. (alle lachen) Das ist schön und wir sind auch sehr gute Freunde. Da kann man gleichzeitig sehr direkt und herzlich, schwesterlich sein.

Warum spielt der Live Aspekt in eurer Band so eine große Rolle?

Moritz: Man merkt live, wie man mit den Leuten spielen kann. Man kann sich ein paar Witze erlauben. Das kann man auch beim Album machen, aber dann hören die Leute weg. Live bist du räumlich da und hast die Leute am Sack.

Tim: Es muss halt Spaß machen. Uns und den Leuten, die das hören. Das checkt man live am besten. Wir haben Auftritte vor zwei Leuten und vor 200 Leuten gespielt, wobei wir auch bei zwei Leuten gemerkt haben, was eher funktioniert und was nicht. Aber auf einer Platte kannst du inzwischen kein Sechs-Minuten-Intro mehr machen. Da hört leider keiner mehr zu. Deswegen ändert sich oft noch etwas im Studio. Wir haben auch ein paar Lieder, die würde ich mir bei Spotify nicht geben; aber live machen die Spaß! Gerade die “Tanzsachen” sind auf dem Album geil, aber live wesentlich besser. Bei “Let the shit go” wird das richtig tricky, weil der gut mit dem Schauspiel funktioniert .

Und was braucht ihr nach dem Auftritt?

Tim: Es gab so eine Phase, wo wir uns nach jedem Konzert komplett auseinander genommen haben. Wir haben jeden Fehler reflektiert und sind das durchgegangen und irgendwann hat das voll an uns gezehrt. Wir freuen uns, alles ist voll gut und wir reden erstmal über alle Fehler. Das macht keinen Sinn. Wir machen das noch, aber wir kommen jetzt erst runter, feiern uns selbst, umarmen uns, haben uns lieb, rauchen eine, trinken Bier und dann kommt noch das Abbauen. Wenn wir dann noch zusammen sind, kommt das mal auf. Aber nicht so emotional. Zumindest ist das bei mir so. Es stört mich nicht in dem Moment, aber ich weiß es dann für’s nächste Mal.

Moritz: Du bist gerade noch euphorisch und musst dir dann anhören, wo du scheiße gespielt hast. Das ist nicht leicht. Deswegen reflektieren wir im Proberaum, was wir verbessern müssen. Zum Runterkommen unterhalten wir uns auch mit den Leuten vor Ort. Freund:innen und Lebensgefährt:innen kommen meist schon auf uns zu. Dann gucken wir, was der Abend so bringt. Beim Mano Festival haben wir uns noch Magnus angeguckt und erstmal den Moment genossen.

Tim: Das ist eigentlich eine super privilegierte Situation. Wenn wir noch hinter der Bühne stehen und die nächsten Bands angucken oder selber in der Meute mitfeiern können. Also ich kenne Wenige, die das einfach wegschmeißen.

Dimi: Das sind die Jazzer immer! (Alle lachen) Die bauen dann ab und dann heißt es: “Ab nach Hause!”. Da muss einfach mehr gesoffen werden, ganz klar!

Was holt euch selber bei dem neuen Album richtig ab und worauf freut ihr euch am meisten?

Tim: Puh, ich bin nach der langen Zeit froh, dass es fertig ist. Das ist fast schade, aber ich hab Bock was Neues zu machen. Ich bringe mir gerade Producing bei, damit wir EPs in Eigenregie machen können. Außerdem schreibe ich und bringe die Songs in den Proberaum, dann arbeiten wir daran nochmal doppelt so lang, dann wird der live ausprobiert und kommt auf die Platte und dann hab ich auch keinen Bock mehr (lacht). Aber ich freue mich auf jeden Fall auf “Schon wieder zu spät” mit Cynthia Nickschas. Von dem Song bin ich immer noch ein großer Fan, weil der einfach sehr, sehr geil geworden ist.

Dimi: Mein Favorit ist der besagte Punksong, weil Jannick ein Solo aus der Pre-Production spielt und das Szenario richtig geil war. Wir sitzen bei Marburg Records und es sind gefühlt 50 Grad. Ich sitze dort in Unterhose und trommel. Jannick spielt ein Solo, das mir nicht aufgefallen ist. Ich hab gegrübelt und dann hingehört und dachte: “Was ist denn jetzt los?”. Das ist so ein geiles Solo geworden. Rhythmisch nice, alles ist richtig abgefahren und krass geworden. Ich hab ihm sofort gesagt, dass er sich das Neueinspielen sparen und das aus der Pre-Production reinschneiden soll. Ich hab gestern den gemasterten Song gehört und das ist echt nice.

Inwiefern würdet ihr sagen, unterscheidet sich das neue Album von den bisherigen?

Moritz: Die Alben sind aus der Zeit vor Dimi und Jannik. Die Musiker hatten keine Ahnung, Kevin hatte ein bisschen Ahnung und so klingen auch die Songs. Viele Höhen, nicht viel Wums dahinter und wir wissen nicht wirklich, was wir tun. Das war in zwei bis drei Monaten fertig aufgenommen.

Tim: Der Song “Schenk nochmal ein” ist immer noch einer meiner Lieblingssongs. Den spielen wir auch noch live. Der ist in 20 Minuten entstanden und an einem Tag aufgenommen. Das war im ehemaligen Kinderzimmer von Kevin, was jetzt sein Studio ist. Gerade im Vergleich zu jetzt mit drei verschiedenen Studios, in denen wir aufgenommen haben, ist das schon lustig.

Der Albumrelease ist wegen der Pandemie anders gelaufen, als geplant. Seid ihr trotzdem zufrieden mit den Alternativen?

Dimi: Das ist so ein zweischneidiges Schwert. Wir hatten schon alles geplant, die Location ausgecheckt, einen Deal gemacht. Das wäre alles am 11. April so geschehen, wenn die Pandemie nicht gekommen wäre. Ich hab mich wirklich krass darauf gefreut. Viele meiner Leute hatten zugesagt und die der Anderen auch. Wir waren so hyped und aufgepumpt und hatten einfach Bock das Trauma komplett wegzuficken an dem Abend. Und dann kam das nicht zustande. Andererseits ist uns 2020 noch viel eingefallen und wir konnten viele Feinheiten und Ideen einbauen. Auch wenn es sieben Monate später ist, sind wir soweit unseren Release zu machen.

Tim: Also ich hab mir am Anfang vom ersten Lockdown ein bisschen Equipment geholt und weitere Zweitstimmen eingesungen und Synthies eingespielt. Das wäre sonst nicht passiert und da bin ich sehr froh, weil ich Zweitstimmen liebe. Unsere erste EP kam raus, weil wir mehr live spielen wollten und es war für das Booking auch hilfreich. Wir wollten qualitativ was Besseres und Neues machen, aber auch unsere Musik anpreisen um mehr Auftritte und Zugang zu mehr Festivals zu erhalten. Das ist momentan kacke, aber dafür haben wir viel gelernt mit dem Album. Ich bin aber super hyped auf kommende Projekte und wenn wir dann wieder spielen dürfen, wird zwei Jahre durchgespielt. (lacht) 

Moritz: Also bei den letzten Monaten Verlängerung des Releases, wurde viel Grips reingesteckt. Kurz vor dem eigentlichen Release hatte ich nicht so das Gefühl, dass so viel wie jetzt ans Album gedacht wurde, wegen des Events. Das hätte wohl nicht so geil geklungen wie jetzt.

Kommt jetzt für euch noch eine Promophase nach dem Release oder konzentriert ihr euch auf neue Projekte, die jetzt im Hintergrund laufen?

Tim: Also Promo hört im Internet eigentlich nie auf. Wenn die Umstände es zulassen, dass wir uns wieder mehr treffen können, kommt nochmal was. Zum Beispiel sind noch zwei Videos geplant. Wir werden weitere Promo machen, und Videos raushauen und kleinere Sachen auf Instagram. Im Sommer geht es mit etwas Glück mit den Gigs weiter und sonst arbeiten so gut wie es geht an uns. 

Foto: Henrik Isenberg

studiert Politikwissenschaften, verbringt zu viel Zeit um sich über die BILD aufzuregen und isst süßes und salziges Popcorn gemischt.

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