Das liebe, böse Geld
Tacken, Kohle, Asche. Die Präsenz des Geldes verdeutlicht sich nicht nur in seinen bunten Bezeichnungen. Sowohl im privaten als auch im wirtschaftlichen Alltag ist Geld allgegenwärtig und seine Kritik fällt ebenso komplex wie politisch aus. Doch was ist Geld, hier wie auch anderen Orts, eigentlich genau? Welche volkswirtschaftliche Funktion erfüllt es und was hat Karl Marx nochmal in seinem Kapital sagen wollen? Ein Essay über das liebe, böse Geld.
Es gibt diese allseits bekannten Sprichwörter, die da lauten: „Geld fällt nicht vom Himmel“, „Zeit ist Geld“ oder „Geld regiert die Welt“. Gemeinsam ist ihnen, dass sie allesamt einfache Sätze sind, die Großes erklären. Wie bei Sprichwörtern ebenso üblich. Solche Reduktionen auf das Wesentliche finden meist dann Anwendung, wenn der zu beschreibende Sachverhalt ein komplizierterer ist. So wie das Geld zum Beispiel, das nebst seiner Komplexität auch ein ganz schön präsenter Zeitgenosse in unserer aller Leben ist. Und das sowohl in Vergangenheit als auch der Gegenwart. Man denke allein mal die Varietät an Möglichkeiten, die sich bieten, nur um von ihm zu reden: Asche, Heu, Knete, Kohle, Mäuse, Moneten, Moos, Öcken, Schotter, Zaster – die Liste der volkstümlichen Bezeichnungen für Geld ist lang. Sehr lang. Doch dahinter steckt auch Methode. Meist rekurrieren die Alternativbezeichnungen nämlich auf Wörtern, die im Positiven ausdrücken wollen, dass etwas Wärme und Energie für das Leben geliefert wird (Holz, Kohle, Asche). Negativ behaftete Begriffe gibt es selbstredend auch. Peanuts beschreibt abwertend einen geringen Geldbetrag und mit Blüten wird allgemeinhin Falschgeld bezeichnet. Aber auch sonst ist es immer zweierlei mit dem Geld. Einerseits ist es ein Symbol für Reichtum und Macht, andererseits, das sagte schon Cicero, ist es auch „die Lebenskraft des Krieges.“ Vor allem ethische Diskussionen ranken sich daher um die Frage, wie Geld und Moral miteinander interagieren. Wenn Steuern hinterzogen werden zum Beispiel, oder sich Manager:inen den drölften Boni auf Kosten der Allgemeinheit eingesackt haben.
Unendliches Geld
Die Geschichte des Geldes reicht bis in das Altertum zurück. Historiker:innen gehen davon aus, dass es bereits in der Steinzeit rege Tauschbeziehungen gab, in der meist Ware gegen Ware getauscht wurde. Das so genannte Natural- oder Warengeld fand in fast allen Epochen weite Verbreitung. Wie beispielsweise in Zeiten, in denen das Vertrauen aufgrund von Inflation oder Krieg zum offiziellen Geld gestört war. Objekte wie Zigaretten dienten dann oft als Tauschvermittler. Das erste Geld soll schließlich etwa um 4500 v. Chr. in Mesopotamien (das ist heute der südliche Irak) genutzt worden sein, da aus Schriften dieser Zeit hervorgeht, dass Zahlungen in Silber vorgenommen wurden. Und auch die Ägypter:innen entwickelten ein Zahlungssystem mit abgewogenem Metall aus Gold, Silber oder Kupfer. Das erste geprägte Geld, die Münze, wurde indes vom Perserkönig Darius um 700 v. Chr. Hergestellt und markiert den Beginn für jenes Münzgeld, das bis in das 20. Jahrhundert in der Finanzwelt eine herausragende Rolle spielte.
Heute wird Geld in der (Volks-) Wirtschaftslehre eher funktional definiert: Geld ist nebst Wertbewahrungsmittel und -maßstab zunächst nämlich alles, womit man zahlen kann. Also sowohl Banknoten und Münzen als auch Guthaben, das auf den Girokonten der Banken liegt. Man spricht auch von Buch- oder Giralgeld, das in ersteres eingelöst werden kann. Heute jedoch wirklich nur noch in ersteres. Der sogenannte Goldstandard, der im Bretton-Woods-Abkommen des Jahres 1944 zur Stabilisierung der Weltwirtschaftslage eingeführt wurde, setzte feste Wechselkurse an die Goldreserven der Erde fest. Für eine Feinunze, das sind etwa 31 Gramm, gab es 35 Dollar. Nicht mehr und nicht weniger. Bis zum Jahr 1973 jedenfalls. Dann wurde das Abkommen für nichtig erklärt. Seither können Zentralbanken und damit jene Institutionen, die für die Geld- und Währungspolitik eines Währungsraums zuständig sind, ohne Rücksicht auf irgendwelche Reserven und Standards den Banken Geld in beliebiger Höhe zur Verfügung stellen. Anders ausgedrückt: Buchgeld kann von von Jahr zur Jahr erhöht und damit Geld geschöpft werden. Man muss sich vorstellen: Durch die Vermehrung der Geldmenge schreitet diese Geldschöpfung bis ins Unendliche Wie in einem Perpetuum mobile. Schon heute sind 95 Prozent der sich im Umlauf befinden Geldmengen reines Buchgeld.
A, Anti, Anticapitalista
Grund für dieses Wachstum ist das kapitalistische Wirtschaftssystem, dessen berühmtester Analyst wie auch Kritiker wohl Karl Marx, Autor des epischen Werkes „Das Kapital“ darstellt. Nach ihm besteht die Ursache für die geschichtliche Herausbildung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Aus ihr bildete sich, laut Marx, nicht nur das allgemein akzeptierte Zahlungsmittel in Form des Goldes, beziehungsweise Geldes heraus, das Geld war auch die Bedingung dafür, da es als allgemeines Äquivalent den Waren und ihren Beziehungen zueinander zugeschrieben wurde. Diese Zuschreibung erfolgte jedoch nicht aus einer natürlichen, sondern aus einer gesellschaftlichen Gewohnheit heraus. Man kann es damit vergleichen, dass es das Geld ebenso wenig gibt, wie es das Tier gibt. Es ist eine künstliche, abstrakte Zuschreibung und kein Naturgesetz. Aber zurück zur Theorie: Auch hergestellte Gebrauchsgüter verwandeln sich nach Marx nur durch ihren „notwendigen Doppelcharakter“, sowohl Gebrauchswert als auch Tausch- und damit Warenwert zu sein, in Waren. Gebrauchswert meint hier, dass man einerseits auf einem Stuhl sitzen kann und Tausch- und Warenwert andererseits, dass der Stuhl in beispielsweise 20 Euro eingetauscht werden könne.
An politischer Kraft gewinnt Marx‘ Analyse, sobald er dieses Prinzip weiterdenkt: Neben den produzierten Gütern müssen sich nicht nur diese selbst, sondern auch die Arbeitskraft in eine Ware verwandeln, für dessen Transformation „der doppelt freie Arbeiter“ notwendig ist. Frei sein in dem Sinne, als dass der:die Arbeiter:in rechtlich in der Lage ist, sowohl einen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen und seine:ihre Arbeitskraft damit verkaufen zu können und auch frei in dem Sinne zu sein, als dass er :sie keine eigenen Produktionsmittel besitzt, die ihn:sie daran hindern könnte, die Arbeitskraft an ein:e Geldbesitzer:in zu verkaufen. Arbeiter:in und Geldbesitzer:in bedingen sich somit gegenseitig. Denn: Die Geld- und Warenbesitzer:innen benötigen die Arbeitskraft zur Akkumulation von Mehrwert (in Formelsprech: G-W-G‘) und die Arbeitskraftbesitzenden die Anstellung bei den Geld- und Warenbesitzer´:innen. Warum? Weil sie gar nicht anders können, da sie selbst Produktions- und Lebensmittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes besitzen. Die Marx’sche Analyse sieht in der Ware „Arbeitskraft“ jedoch genau deshalb auch das Potenzial zum Widerstand gegen die Gewalt in Form des bürgerlichen Staates, der als der zentrale Motor angesehen wird, der Menschen im Kapitalismus im doppelten Sinne frei und besitzlos macht. Weil er die kapitalistischen Verhältnisse als Naturgesetze verkläre und durch seine Grundstruktur die Ökonomie und den Staat strikt voneinander zu trennen der strukturellen ökonomischen Gewalt die Chance bietet die gesellschaftlichen Produktions- und Lebensmittel in Kapital und die Bevölkerung in Lohnarbeiter:innen zu verwandeln. Was oft missverstanden wird: Die Marx‘sche Kapitalismuskritik richtet sich vor allem gegen das kapitalistische System, nicht gegen die Menschen, die die Funktionen des:der Kapitalist:in oder des:der Lohnarbeiter:in ausfüllen. Mitnichten ist Marx natürlich der:die einzige Theoretiker:in, die sich mit dem lieben Geld beschäftigte. Zu nennen sind wohl mindestens John Maynard Keynes, dessen Werk „Die Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ eine wissenschaftliche Revolution auslöste, sowie Milton Friedman als Vertreter des dem Keynesianismus diametral entgegengesetzten Monetarismus.
Es geht ums Geld
Die Wirkmacht des Geldes zeigt sich, das zeigt unter anderem die Analyse nach Marx, weit mehr als eine funktionalistische Rolle. Geld ist Teil der (Alltags-)Kultur der Menschheit, sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht. So führte eine verkürzte Form der Geldkritik zu nichts anderem, als zum Antisemitismus, der vom Mittelalter bis in die Jetztzeit reicht. Der Begriff und das Klischee des geldgierigen „Wucherjuden“ ist bis in das 12. Jahrhundert zurückzuführen. Doch schon damals war es Juden schlichtweg verboten, Land und Acker zu besitzen. Aus Kaufmannsgilden und Handwerkszünften wurden sie zudem ausgeschlossen, sodass ihnen oftmals nur der Handel blieb. Mit Geld. Für zirkuläre Probleme wurde schließlich aber nicht das System oder die Geldpolitik, sondern die Juden als ihr symbolischer Vertreter verantwortlich macht und infolgedessen diffamiert.
Heute ist der zentrale Zustand mit dem Geld vor allem jener, dass es zwar jedes Individuum zum Leben braucht, nur wenige jedoch genug von ihm besitzen, noch weniger das meiste (1 % der Weltbevölkerung hält etwa 40 Prozent des weltweiten Vermögens) und die ganz große Mehrheit zu wenig (auf die unteren 50 Prozent der Weltbevölkerung entfällt weniger als 1 % des weltweiten Vermögens). Politische Konflikte, das weiß die Wissenschaft, entstehen oftmals aber nicht, weil sich zwei oder mehr Gruppen gegenüberstehen, die unterschiedlicher Ethnie oder Religion sind. Sie entstehen, weil die Menschen um Macht und Ressourcen kämpfen. Vielleicht müsste man in die Reihe der allseits bekannten Sprichwörter deshalb dringlichst eines hinzufügen: Es geht nicht nur ums Ganze, es geht auch ums Geld.
ANDERES GELD Es muss nicht immer Gold und Silber sein. Verschiedenste indigene Bevölkerungen der Erde handelten und handeln immer noch mit weitaus kreativeren Tauschformen. In der Vergangenheit wurde in Äthiopien und Eritrea viele jahrhundertelang mit Salz gehandelt, die alten Azteken handelten mit Kakao und in Südchina/Tibet/Mongolei wurde Tee zu Ziegeln gepresst. Heute handelt man auf der Insel Ulithi in Yap (Mikronesien) teilweise noch mit Rai. Das sind Steine, die einen Durchmesser von einem Handteller bis vier Meter haben können.
PHILIPP-Gründerin und Chefredakteurin von 2014 - 2017.