Herr K. regt sich auf über: Kapitalismuskritik

Herr K. regt sich auf über: Kapitalismuskritik

Herr K. mag die Kapitalismuskritik nicht besonders. Das Einzige was er noch weniger mag ist der Kapitalismus. Weshalb? Herr K. findet, dass die Kapitalismuskritik ein Imageproblem hat. Dabei könnte Kapitalismuskritik so sexy sein. Wie Herr K. sich diesen Stilwandel vorstellt, lest ihr hier.

Kapitalismuskritik kommt im Kneipentalk trés chique und wird oft mit intellektueller Pose getragen. Als Eyecatcher sind Marx-Zitate, das Wort „Neoliberalismus“ und altkluge Gestik besonders beliebt. Spätestens seit Alt-68er Reiner Langhans im Dschungelcamp war, ist dieser Look jedoch ziemlich vintage. Zum Unglück für die Kapitalismuskritik liegt Retro gerade in studentischen Kreisen voll im Trend. So ereilt sie ein Schicksal, das jeder Mode blüht. Sie wird von ihren Nacheiferern gedankenlos kopiert, entwurzelt und ach ja: Dem Kapitalismus zum Fraß vorgeworfen. Oder glaubst du wirklich, dass Ché Guevara testamentarisch festgelegt hat, nach seinem Tod als Merchandiseartikel vermarktet zu werden? Frag mal das Poster an deiner Wand!

An die Stelle fescher Gedanken treten stillose Dogmen. Dadurch ist ein Großteil der Kritik am Kapitalismus mehr so prêt-à-porter als haute couture. Zu oft hat man diesen Style schon gesehen, um ihn wirklich wahrzunehmen. Ja, die Armen werden immer ärmer und die Reichen immer reicher. Ja, die Ressourcen unserer Erde sind endlich. Ja, Nestlé würde am liebsten das Trinkwasser auf der ganzen Welt privatisieren. Die Smarties schmecken dir deshalb nicht weniger gut. Aus die- sem Grund ist es immer ein Wagnis, den Kapitalismus zu kritisieren. Selbst wenn du gute Argumente hast, wirst du damit rechnen müssen, dass deine Integrität infrage gestellt wird.

Metaebene ist ab der nächsten Saison wieder voll im kommen

Aber bedeutungsschwanger zu denken: „Adorno sagt, es gibt kein richtiges Leben im Falschen“, nur um dann wieder wie gewohnt dein Tagewerk zu verrichten, wäre ein absolutes No-Go! Adorno sagt nämlich auch, dass Idealismus wichtig ist. Das Fashion-Basic mit V-Ausschnitt – „V“ für Varoufakis – des Idealisten ist die Fähigkeit die Diff erenz zwischen Ideal und Wirklichkeit auszuhalten. So findest du als kritischer Trendsetter die confidence um den alten Look der Kapitalismuskritik im neuen Gewand zu präsentieren: Als mündige:r Bürger:in, der:die nicht die Perfektionierung, sondern die Verbesserung der Welt im Sinn hat. Die Illusion einer perfekten, das heißt berechen- und kontrollierbaren Welt sei den Kapitalist:innen überlassen.

Du merkst: Die Kapitalismuskritik hat ein Imageproblem. Ob Leistungsdruck an der Uni, Krise an den Finanzmärkten oder Flüchtlingsströme aus dem globalen Süden – die Symptome eines zu schwach regulierten Finanzmarkts sind dir hinreichend bekannt. Deshalb soll diese kleine Wutschrift kein weiteres Sammelsurium altbekannter Fakten sein, sondern ein Aufruf die Kritik an bestehenden Verhältnissen wieder ernst zu nehmen. Das bedeutet auch vermeintlich kritische Stimmen zu hinterfragen. Metaebene ist ab der nächsten Saison wieder voll im kommen – und du könntest Vorreiter:in dieses Trends sein.

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