Warum es keine gute Idee ist, deinen BAföG-Antrag zu frisieren

Warum es keine gute Idee ist, deinen BAföG-Antrag zu frisieren

Ein bisschen schummeln ist doch eigentlich nicht schlimm. Wem schadet es denn schon, wenn ich Geld vom Staat bekomme? »Der Staat« – das ist sowieso eine eher abstrakte Konstruktion. Wenn ich erst einmal arbeite, zahle ich über die Steuern mehr als genug wieder zurück. In den Sozialkassen ist ja ohnehin genug Geld. Wird doch immer gesagt, dass man mehr in die Bildung investieren muss. Warum dann nicht gleich in mich? Und andere beziehen ja auch BAföG – sie haben es auch nicht nötiger als ich. Wer weiß, wo die ihr Erspartes vergraben haben!

So oder ähnlich haben sicherlich viele Studierende schon einmal gedacht, als sie den Ablehnungsbescheid des BAföG-Amts (Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz) in der Hand hielten. Grund dafür ist meist eine Überschreitung des Freibetrags für eigenes Vermögen: Als Antragsteller:in darf man 5.200 € Vermögen haben – wer mehr hat, soll zuerst dieses Vermögen zur Finanzierung seiner:ihrer Ausbildung aufwenden. Zum Vermögen zählen neben Bar- und Sparvermögen etwa auch bewegliche und unbewegliche Gegenstände, ein Bausparvertrag, eine Lebensversicherung, Geschäftsanteile oder Wertpapierguthaben. Haushaltsgegenstände, etwa Möbel, Kleidung oder ein Laptop, werden nicht angerechnet, ein eigenes Auto aber schon. Für einige Studierende scheint die Versuchung, ihre Daten an dieser Stelle ein wenig zurechtzubiegen, groß zu sein.

Datenabgleich deckt Abweichungen auf

Eine gute Idee ist das aber nicht: Die BAföG-Ämter dürfen nämlich die Angaben, die bei der Antragstellung gemacht wurden, mit dem Bundesamt für Finanzen abgleichen. Wurden falsche, unvollständige oder »frisierte« Angaben gemacht, fällt dies beim Datenabgleich so gut wie immer auf. Bekannt sind krasse Fälle, in denen ein Vermögen in sechsstelliger Höhe verschwiegen oder kurz vor der Antragstellung ein größerer Betrag auf ein anderes Konto verschoben wurde. Dass sich in diesen Konstellationen die Staatsanwaltschaft einschaltet, ist nicht verwunderlich. Doch auch bereits kleinere Abweichungen ziehen rechtliche Folgen nach sich.

Unterschieden werden muss dabei zwischen der verwaltungsrechtlichen und der strafrechtlichen Seite. Auf Verwaltungsebene darf das BAföG-Amt zunächst den Bewilligungsbescheid zurücknehmen. Konkret hat das zur Folge, dass sämtliche Zahlungen erstattet werden müssen. Ist ja auch klar: Was einem nicht zusteht, soll man auch nicht behalten dürfen. Verbunden werden kann die Rück nahme mit einem Bußgeldverfahren, bei dem eine Geldbuße von bis zu 2.500 € möglich ist. Dass unrichtige Angaben gemacht wurden, stellt in diesem Zusammenhang (nur) eine Ordnungswidrigkeit dar. Im Vergleich zu Straftaten sind Ordnungswidrigkeiten leichtere Verstöße gegen das Gesetz, wie etwa Falschparken oder das Fahren über eine rote Ampel. Ordnungswidrigkeiten werden daher auch nicht in einem Strafprozess verhandelt.

Ordnungswidrigkeit oder Straftat?

Wie hoch das Bußgeld ausfällt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine Rolle spielen können etwa die Schadenshöhe, die Dauer der rechtswidrigen Zahlungen oder das Verhalten des Geförderten. Ganz klar kommt hier auch zum Tragen, dass viele Studierende nur »aus Schusseligkeit« unrichtige Angaben machen. Wer sich von den BAföG-Formularen oder den eigenen Finanzen hat verwirren lassen, sich verrechnet oder schlicht etwas übersehen hat, erfüllt zwar auch den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit, muss aber nicht mit einem hohen Bußgeld rechnen. Dass die Antragstellung für Studierende – und teilweise auch für deren Eltern – kompliziert ist, wissen auch die BAföG-Ämter. »Ob Schusseligkeit oder Vorsatz – das zu bewerten ist für uns natürlich nicht einfach«, heißt es von Seiten des Marburger BAföG-Amtes. Grundsätzlich empfehle man unsicheren Studierenden aber einen Online-Antrag – dieser wird nämlich schon beim Ausfüllen auf Vollständigkeit und Plausibilität geprüft.

Gravierendere Folgen kann ein sogenannter BAföG-Betrug in strafrechtlicher Hinsicht haben. Liegen nämlich Anhaltspunkte dafür vor, dass die Falschangaben nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat darstellen, muss das BAföG-Amt die Sache an die Staatsanwaltschaft abgeben. In Marburg – zwischen den einzelnen Bundesländern können durchaus Differenzen bestehen – werden laut Aussage des BAföG-Amtes Fälle an die Staatsanwaltschaft abgegeben, in denen die Rückforderung höher als 1.000 € ist. Die Polizei ermittelt dann, ob ein Betrug im Sinne des Strafgesetzbuches vorliegt.

Großteil der Verfahren wird vor Hauptverhandlung eingestellt

Gut für den oder die Beschuldigte:n ist es, wenn das Verfahren vor der Hauptverhandlung eingestellt wird, etwa weil sich der Verdacht nicht bestätigt oder keine ausreichenden Beweise vorliegen. Ebenfalls eingestellt wird das Verfahren, wenn es sich um einen bloßen Bagatellfall handelt. Dies kann etwa bei einer Schadenshöhe bis zu 500 € angenommen werden – in der Gerichtspraxis der einzelnen Bundesländer bestehen aber Schwankungen. Bei Schadenshöhen bis zu 3.000 € kommt zudem eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage in Betracht. Wichtig ist dabei: Als »Schaden« wird nur die Hälfte des gewährten Betrags gewertet, die der Staat als Zuschuss auszahlt. Die andere Hälfte stellt nach der Konzeption des BAföG ein zinsloses Darlehen dar, das ohnehin zurückgezahlt werden muss. Wird die Hauptverhandlung tatsächlich eröffnet, handelt es sich regelmäßig um besonders schwerwiegende Betrugsfälle, etwa bei besonders hohem Schaden, wenn sich der Betrug über viele Jahre hingezogen hat oder wenn bei Erstantrag und Folgeanträgen beharrlich falsche Angaben gemacht wurden.

Für ihre Zukunft von besonderer Bedeutung ist für viele Beschuldigte auch die Frage, ob sie nach einem BAföG-Betrug als vorbestraft gelten. Grundsätzlich gilt, dass jede Straftat, die in einer Hauptverhandlung abgeurteilt wurde, in das Bundeszentralregister eingetragen wird. Private Arbeitgeber:innen können allerdings nur einen Auszug aus dem Bundeszentralregister, das sogenannte Führungszeugnis, einsehen, in dem nur Verurteilungen ab 90 Tagessätzen oder drei Monaten Freiheitsstrafe enthalten sind. Staatliche Stellen, also etwa die Polizei, die Gerichte und die obersten Behörden, haben im Bewerbungsprozess aber ein vollumfängliches Einsichtsrecht und können daher auch von geringeren Verurteilungen erfahren. Insgesamt lässt sich wohl eine Tendenz beobachten, BAföG-Betrüger:innen zwar nicht ungestraft davonkommen zu lassen, weder die Staatsanwaltschaft noch die BAföG-Ämter haben aber ein Interesse daran, junge Menschen zu kriminalisieren und ihnen ihre Zukunft zu verbauen.

WER NUN DENNOCH ANGST BEKOMMEN HAT: Kostenlose Rechtsberatung gibt es beim Marburger AStA und bei der studentischen Rechtsberatung des Fachbereichs 01.

FOTO: Susanna Roßbach

Stellvertretende Chefredakteurin und Ressortleiterin Politik. Hat seit neustem ein abgeschlossenes Hochschulstudium - yeah! - und ist ein Fan von Katzen, dem Internet und Katzen im Internet.

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