Endgegner*in: Anstehen in der Studi-Cafeteria oder warum Schlangen die natürlichen Feinde des Colibris sind

Endgegner*in: Anstehen in der Studi-Cafeteria oder warum Schlangen die natürlichen Feinde des Colibris sind

Bild: Laura Schiller

Wenn dir das Leben Zitronen gibt, gibt dir die wacklige Internetverbindung oder die Drehtür in der Bib vielleicht noch den Rest – in dieser Reihe schreiben wir über die Endgegner*innen des Unialltags, also Dinge, die Studis an den Rand der Verzweiflung bringen.

Das muss man dem CoLibri lassen: Seitdem für die Kaffeetassen kein Pfand mehr verlangt wird, besteht eine Hürde weniger. Dennoch bin ich überfordert.

Ich erinnere mich an meinen ersten Tag an der Uni. Ohnehin nervös und unbeholfen war ich in die Unibibliothek-Cafeteria gestolpert. Verlassen würde ich das CoLibri eingeschüchtert und wütend. Wie man es eben von Menschenschlangen kennt, an deren Ende Koffein in Pappbechern wartet, hatte ich mich an ihr Ende gestellt, das aus einem Grüppchen durcheinander quasselnder Student*innen bestand. Ich lauschte ein wenig, verlor mich in den Erzählungen um mich herum, und von einem Moment auf den anderen befand ich mich in einer unerwarteten Misere. Unwissend war ich den Leuten vor mir in der Schlange gefolgt und hatte mich dabei – bestehender Erfahrung im Anstehen zum Trotz – in mein Unglück manövriert, das aus einem garstigen Kommentar bestand, dessen trockene Formulierung einen Hinweis auf Gewohnheit gab und mich an das Ende der Schlange zurückwerfen lies.

Komplexes oder fehlendes System?

Worin bestand der Fehler? Hinter der Schlange im CoLibri steckt ein komplexes System. Oder ist es gerade das fehlende System, das die Verwirrung stiftet? Mittlerweile verstehe ich, dass ich damals zu weit gelaufen bin. Dass ich meine Cappuccino-Bestellung bereits früher hätte aufgeben müssen, nämlich in der Zwischenstation an der Glasvitrine, bevor ich das Ende der Schlange erreiche. Und dass das Konzept des CoLibris an größere Café-Ketten angelehnt ist: An der ersten Station in der Schlange bestellt man, an der zweiten bezahlt man. Könnte einfach sein, ist es aber nicht. Denn anders als die besagten Großkonzerne, eröffnet das CoLibri weitere Ebenen und macht den Pausengang in der Universitätsbibliothek damit zur Mammutaufgabe.

Belegte Körnerbrötchen, Nudel- und Kartoffelsalat und meinen noch immer heißgeliebten Cappuccino kann ich an der ersten Station in Auftrag geben. Ausgeschlossen davon sind ohne erkennbares Muster wechselnde Backwaren, Äpfel und Bananen, die ich mir einfach aus einem Plastikkasten fischen kann. Während ich jedwedes andere Essen direkt in die Hand gedrückt bekomme, kann ich weiterlaufen, um mein schäumendes Heißgetränk in Empfang zu nehmen. An besagter Zahlstation bezahle ich dann auch. Logisch.

Doch hinter dieser Station gelange ich an Schokoriegel und Eis. Das heißt: möchte ich einen Nachtisch, muss ich, bevor ich zahle, irgendwie an der Traube von wartenden Menschen vorbei, die bereits verschiedenste Dienstleistungen der Kassierer*innen in Anspruch nehmen möchten. Dieser Akt muss aber in Hochgeschwindigkeit vollzogen werden, damit ich rechtzeitig wieder vor der Kasse stehe.

Eintauchen in eine Schar verwirrter Menschen

Und dann gibt es ja auch noch die Tage, an denen ich mein Koffein lieber in Form eines Kaltgetränks zu mir nehmen möchte. Das Problem: der Kühlschrank mit den Erfrischungen steht am anderen Ende des Raumes, hinter Tischen, um die sich Student*innen stapeln. Bis ich mit meiner Mate wieder am Kassenautomat ankomme, ist mir mindestens einmal beinahe das belegte Käsebrötchen vom Teller gerutscht, den ich entlang von bepackten Studis und dreckigen Tischen balancieren musste. Endlich bereit zu zahlen, kann ich wieder eintauchen in die Schar verwirrter und ungeduldiger Menschen.

Heute sehe ich mich um – in Gedanken bei meinem ersten Tag an der Uni. Da stehen sie also alle: Die dauergestressten Studis, die auf ihren Espresso warten, die Gastdozent*innen, die für ihren bereits erhaltenen Mayonnaise-Nudelsalat aufkommen möchten, und ich mit meinem mittlerweile angeschmolzenen Duplo zwischen den Fingern. Und wer ist nun an der Reihe? 

(Lektoriert von lurs, let und hab.)

ist 25 Jahre alt und studiert im Master Friedens- und Konfliktforschung. Macht sich auch außerhalb des Studiums viele Gedanken über die Welt und die Menschen, die sie beleben. Seit November Teil der Chefredaktion.

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