Bundestagswahl-Interview: Gökhan Özdemir (Freie Wähler)

Foto: Freie Wähler, Collage: L. Barth, L. Selbach & A. Sent
PHILIPP hat mit den Direktkandidaten des Kreises Marburg-Biedenkopf für die Bundestagswahl gesprochen. Gökhan Özdemir von den Freien Wählern blickt positiv auf die Zukunft der Partei. In seinen schriftlichen Antworten auf unsere Fragen spricht er über „grüne Ideologie“, elternunabhängiges BAföG – und darüber, wie die Freien Wähler alle Bürger entlasten wollen.
Herr Özdemir, falls Sie am 23. Februar in den Bundestag gewählt werden, was wäre die erste Maßnahme, die Sie umsetzen möchten und was möchten Sie spezifisch für Ihren Wahlkreis Marburg-Biedenkopf erreichen?
Gökhan Özdemir: Mehr Netto vom Brutto! Ich würde mich für die Abschaffung der CO2-Steuer einsetzen und versuchen, die ersten 2.000 Euro monatlich für jeden steuerfrei zu machen. Und spezifisch für den Landkreis würde das Entlastung für jeden Bürger bedeuten.
Für wen machen Sie und die Freien Wähler Politik?
Wir machen für jeden Politik, aber besonders für arbeitende Menschen und junge Familien.
In ihrem Wahlprogramm fordern die Freien Wähler mehr „Economic Deal“ und weniger „Green Deal“, wenn es um die Zukunft der Wirtschaft in Deutschland geht. Was ist damit gemeint?
Grüne Ideologie hat leider unsere Wirtschaft an die Wand gefahren. „Economic Deal“ bedeutet, dass wir wieder wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen brauchen und wieder Anreize für Unternehmen schaffen. Natürlich sollten Wirtschaft, Mensch und Umwelt im Einklang sein, aber mit gesundem Menschenverstand. Ohne Leistungskraft – also Geld – können wir keinen Sozialstaat und keinen Umweltschutz finanzieren!
Die Lebenshaltungskosten steigen und viele Studierende kämpfen mit finanziellen Belastungen. Welche Rolle spielen Studierende in der Wirtschaftspolitik der Freien Wähler?
Wir wollen alle Bürger entlasten, dazu zählen auch Studierende. Durch die Abschaffung der CO2-Steuer, die Minderung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie und durch die Abschaffung von Steuern auf 2.000 Euro des monatlichen Einkommens wird das allgemeine Leben wieder günstiger. Außerdem wollen wir ein elternunabhängiges BAföG durchsetzen.
Unsere Leserschaft setzt sich zum Großteil aus Studierenden zusammen. Wie werden diese in anderen Teilen des Wahlprogramms der Freien Wähler mitgedacht?
In unserem Wahlprogramm haben wir einige Punkte für unsere Studierenden: unbürokratisches und elternunabhängiges BAföG, ein breit zugängliches Stipendiensystem unabhängig von der finanziellen Situation begabter und engagierter Studenten, die Förderung der Teilzeit- und Dualstudiengänge und des Europäischen Erasmusprogramms. Außerdem wollen wir Hochschulen und Universitäten weiterhin auf Weltniveau halten.
Angesichts Ihrer Unterstützung für die Reaktivierung von Kernkraft: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit konkret in Ihrem Programm und wie planen Sie, Marburg umweltfreundlicher zu gestalten?
Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle. Wir setzen uns für Nah- und Fernwärmenetze ein. Ein Beispiel dafür ist der Bioenergiehof in unserem Landkreis in Mellnau. Wir fordern mehr Photovoltaikanlagen, aber auf bereits versiegelten Flächen und nicht auf wertvollen Agrarflächen. Ebenfalls muss die Wasserstofftechnologie weiter ausgebaut werden. Kernenergie brauchen wir momentan als kurzfristigen Schub für günstige Energie, um unsere Wirtschaft nicht komplett an die Wand zu fahren.
Sie fordern den Stopp „unkontrollierter Zuwanderung“. Es kommen nicht mehr Menschen nach Deutschland als vor 10 Jahren. Wieso muss die Zuwanderung dann jetzt eingedämmt werden?
Unkontrollierte Zuwanderung soll gestoppt werden, nicht die komplette Zuwanderung. Unsere Geschichte zeigt, wie wichtig Zuwanderung ist. Ich selbst bin die dritte Generation einer Gastarbeiterfamilie. Jedoch müssen wir klar unterscheiden: Fachkräfte, Frauen, Kinder und wirklich Hilfesuchende sind herzlich willkommen, aber Menschen, die nur unser Sozialsystem ausnutzen und Verbrechen begehen, sind nicht willkommen.
Und wie ist die Migrationspolitik der Freien Wähler mit ihrer Forderung des Schutzes von Minderheiten in Deutschland zu vereinen?
Antisemitismus, Antiziganismus und Übergriffe auf Menschen mit Migrationshintergrund sind keine Entwicklungen, die wir stillschweigend hinnehmen. Wir werden diese Menschenfeindlichkeit aktiv bekämpfen. Es spielt hierfür keine Rolle, ob es sich um individuelle Angriffe oder um eine strukturelle Diskriminierung handelt.
Sie sind erst 2020 in die Partei Freie Wähler eingetreten. Warum so spät und warum die Freien Wähler?
Ich war schon immer interessiert an Politik. Was das Fass zum Überlaufen gebracht hat, war die Corona-Pandemie. Die Freien Wähler passen zu meiner Persönlichkeit, weil diese bürgernah, ideologiefrei und authentisch sind. Ebenfalls habe ich meinen Freiraum, da einem nichts vorgeschrieben wird wie bei anderen Parteien.
Das Rennen um das Direktmandat in Marburg wird wahrscheinlich zwischen CDU und SPD entschieden. Warum sollte man dennoch Ihnen die Erststimme geben?
Die Stimmen an mich sind nicht verloren, sondern vielmehr Stimmen für die Zukunft. Ich bin hier Kreisvorsitzender meiner Partei und wir wollen auf langfristige Sicht erfolgreich werden. Von Wahl zu Wahl kriegen wir mehr und mehr Zuspruch. Wir wollen für die Zukunft hier im Landkreis etwas Großes aufbauen.
Was ist ein Funfact über Sie, den kaum jemand kennt?
Ich benutze nie ein Parfüm und trage auch keine Uhr.
(Lektoriert von nos, nok und jap.)
ist 26 Jahre alt und studiert im Master Friedens- und Konfliktforschung. Macht sich auch außerhalb des Studiums viele Gedanken über die Welt und die Menschen, die sie beleben. Seit November Teil der Chefredaktion.