Bundestagswahl-Interview: Sören Bartol (SPD)

Foto: SPD, Collage: L. Barth, L. Selbach & A. Sent
PHILIPP hat mit den Direktkandidaten des Kreises Marburg-Biedenkopf für die Bundestagswahl gesprochen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sören Bartol über bezahlbaren Wohnraum, eine gefallene Brandmauer und das Drachenfliegen in Borkum.
Wenn Sie wieder in den Bundestag gewählt werden, welche Hauptziele werden Sie verfolgen? Und wie lassen sich diese Ziele mit dem Parteiprogramm der SPD verbinden?
Sören Bartol: Ich bin seit 2002 der direkt gewählte Bundestagsabgeordnete von Marburg-Biedenkopf und möchte das auch gerne bleiben. Inhaltlich bin ich in den Bereichen Bauen, bezahlbares Wohnen, Stadtentwicklung sowie Verkehr und Mobilität tätig. Ich glaube, die Arbeit in diesem Bereich ist sehr wichtig, um Themen wie Klimaschutz, wirtschaftliche Stärke oder soziale Gerechtigkeit zu adressieren. Es ist alles miteinander verbunden. Wahrscheinlich werden in diesen genannten Bereichen in der nächsten Legislaturperiode viele wichtige Entscheidungen fallen – und ich will sie mitgestalten.
Und welche konkreten Ziele verfolgen Sie im Bereich Wohnen?
Ich bin im Moment parlamentarischer Staatssekretär, sowohl im Bauministerium als auch im Verkehrsministerium. Alles, was in den letzten drei Jahren passiert ist, habe ich irgendwo mitgestaltet und damit möchte ich natürlich gerne weitermachen. Das Thema bezahlbares Wohnen treibt so viele Menschen um. Daran müssen wir weiterarbeiten, wir brauchen in diesem Bereich Fortschritte. In unserem Wahlprogramm ist die Mietpreisbremse und die 400€-WG-Garantie aufgeführt. Wir brauchen aber auch weiterhin mehr sozialen Wohnungsbau, nur so können wir Menschen auch Wohnungen bezahlbar anbieten. Der Bereich des Gebäudebaus ist aber auch ein schlafender Riese bezüglich seines CO2-Ausstoßes. Wir müssen diese Dekarbonisierung fortführen, aber so, dass sie sozial gerecht funktioniert.
Herr Bartol, seit 2002 sind Sie im Deutschen Bundestag vertreten. Was konnten Sie in den letzten vier Jahren konkret für Ihren Wahlkreis erreichen?
Am Ende ist Politik immer Teamarbeit, weil man alleine nichts erreicht. Aber ich habe eine regelmäßige Sprechstunde, in die Menschen mit ihren Problemen kommen. Ich hatte viele wunderbare Erlebnisse, wo ich Menschen helfen konnte – fast so als letzter Rettungsanker. Das reicht in alle Lebensbereiche hinein: von Universität bis Firmen. Dann geht es um Ausfuhrgenehmigungen, Verkehrsanbindungen oder die Förderung von Firmen, die sich auf den Weg machen zu dekarbonisieren. Was auch immer kommt, man muss einfach Ansprechpartner sein und dann bin ich auch Ansprechpartner. Außerdem versuche ich in Förderprogrammen des Bundes immer die Anträge aus Marburg-Biedenkopf durchzusetzen. Das betrifft vor allem die Bereiche Sport, Jugend, Kultur und Denkmalschutz. Ich habe maßgeblich dazu beigetragen, dass der Marburger Hauptbahnhof saniert wurde. Auch die anderen Verkehrsstationen, zum Beispiel in Kirchhain, die hätte es ohne meinen Einsatz so nicht gegeben. Außerdem habe ich mich für wichtige Ortsumgehungen eingesetzt. Die B 252 bei Münchhausen war zum Beispiel ein sehr wichtiges Projekt, weil die Menschen dort wirklich jahrzehntelang vom Verkehr betroffen waren. Oder auch der Lückenschluss der B 3 Richtung Gießen, die Ortsumgehung bei Oberweimar, auch da habe ich maßgeblich meinen Einfluss geltend gemacht und mitgeholfen. Aber wie gesagt: Nie alleine, man muss immer zusammen mit anderen arbeiten. Deshalb ist es auch sehr wichtig, dass man eine hohe Vernetzung hat.
Unsere Leserschaft setzt sich zum Großteil aus Studierenden zusammen. Welche Rolle nehmen diese in Ihrem Wahlprogramm ein?
Ich finde zunächst, dass alle Themen auch für Studierende interessant sind. Alle. Ich glaube es ist sehr wichtig, dass man sich als Student nicht auf ein Monothema einlässt. Am Ende ist die 400€-WG-Garantie sicherlich sehr spannend, aber ich finde auch Studierende müssen sich damit beschäftigen, was Parteien zu Themen wie der Rente sagen. Am Ende trifft auch den Studierenden irgendwann die Frage, ob es noch eine vernünftige auskömmliche Rente gibt. Auch das Thema Wohnen ist natürlich wichtig. Wir haben das Förderprogramm „Junges Wohnen“ eingeführt, damit haben wir Azubi-Wohnen und Studierenden-Wohnen massiv gefördert. Ein anderer Dauerbrenner ist die Frage, wie es mit dem BAföG, aber auch insgesamt bei der Wirtschaftspolitik weitergeht. Dabei geht es darum, dass man zum Beispiel nach dem Studium einen verlässlichen Arbeitsplatz findet. Ich glaube aber, ob die Gesellschaft offen bleibt, ist für viele Studierende eine ganz wichtige Frage. Es handelt sich darum, dass Europa offen bleibt, dass man weiter reisen kann, dass man auch weiter ohne Problem eine Zeit lang im europäischen Ausland arbeiten kann. Auch die Frage, wie man mit internationalen Krisen umgeht, betrifft junge Menschen – und zwar essentiell. Solche Fragen werden alle am 23. Februar entschieden und deswegen würde ich jedem Studierenden empfehlen, nicht nur den Bildungs-, Wohnungs- und Forschungsteil zu lesen, sondern das gesamte Wahlprogramm. Alle Themen sind für jeden interessant.
Und wie möchte die SPD diese Fragen des BAföGs und des Wohnens beantworten?
Das Programm „Junges Wohnen“ ist im Endeffekt die Weiterentwicklung der 400€-WG-Garantie. Wir haben im Bereich des sozialen Wohnungsbaus eine extra Scheibe Geld für junges Wohnen aufgelegt. Ganz bewusst nicht nur für Studierende, sondern auch für junge Auszubildende. In meinen Augen ist das ein Riesenthema, weil das Thema bezahlbarer Wohnraum wirklich viele an den Rand der Existenz bringt. Für viele Menschen ist Wohnraum einfach nicht mehr bezahlbar. Zur Frage des BAföGs: Wir haben zwar auch unter der Ampel Reformen erreicht, aber jeder, mit dem ich rede, sagt mir, dass immer noch zu wenige Menschen unterstützt werden. Wir bleiben dabei, dass wir ein elternunabhängiges BAföG brauchen. Es kann nicht sein, dass immer nur auf die Eltern zurückgegriffen wird. Außerdem brauchen wir mehr Geschwindigkeit bei der Bearbeitung der BAföG-Anträge. Für junge Menschen ist aber auch der Bereich der Ausbildung interessant. Immerhin konnten wir bereits die Mindestauszubildendenvergütung einführen. Das war ein Riesenschritt. Jetzt müssen wir uns auch dafür einsetzen, dass diese vernünftig angehoben wird. Vielleicht im Schnelldurchlauf.
Der Antrag der Union zur Verschärfung der Migrationspolitik erreichte seine Mehrheit mit den Stimmen der AfD. Die Ereignisse haben bundesweite Demonstrationen losgelöst. Auch Olaf Scholz kritisierte das Abstimmungsverhalten scharf.
Das haben wir alle.
Das heißt, Sie betrachten die Brandmauer als gefallen?
Die Brandmauer der CDU ist an dieser Stelle gefallen. Ich kann nur an die CDU appellieren, zur Besinnung zu kommen. Man darf Rechtsextremen aus der demokratischen Mitte nicht zur Mehrheit verhelfen. Dass so etwas im deutschen Bundestag passiert, war eine Zäsur in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Wir reden über das höchste deutsche Parlament. Merz hat nicht versucht, über die Themen in der demokratischen Mitte zu reden. Im Endeffekt hat er gesagt: friss oder stirb. Er hat klipp und klar gesagt: Ich habe hier meine Punkte. Entweder ihr stimmt denen einfach zu oder ich gucke, dass ich eine Mehrheit erhalte, egal mit wem. Und das ist eine Art von Demokratieverständnis, das mich sehr klar sagen lässt: Friedrich Merz hat nicht das Format für einen Kanzler, das hat er gezeigt. Er ist impulsiv, er denkt nicht nach. In so einer schwierigen Zeit kann kein Bundeskanzler auf diese Weise handeln. Und ich glaube, viele Leute merken das gerade.
Unsere Leserschaft möchte Sie gerne auch persönlich näher kennenlernen. Was hat Sie motiviert in die Politik zu gehen?
Meine Mutter war eine sehr aktive Sozialdemokratin, die mich als Kind schon immer mitgenommen hat. Und dann bin ich irgendwann mit SPD-Fähnchen am Fahrrad rumgefahren. Ich fand dabei aber vor allem das Fähnchen gut, ich wusste nicht, was die SPD ist. Irgendwann fängt man schließlich an, eine politische Meinung zu entwickeln und sich für Dinge einzusetzen. Ich war immer sehr engagiert und ich fand schon immer die Grundwerte der SPD und die Geschichte der SPD großartig. Dann habe ich angefangen, mich bei den Jusos zu engagieren. Damals konnte man erst mit 16 in die SPD eintreten, das habe ich dann auch gemacht. Ich habe sehr viel ehrenamtlich gearbeitet. Vor allem bei den Jusos, aber auch in der SPD. Ich habe damals in Marburg zum Beispiel den Nachtbus mit ins Leben gerufen. Es macht auch einfach Spaß, sich mit kommunalen Themen zu beschäftigen. Und so bin ich die ganze Zeit bei der Politik geblieben, ehrenamtlich – bis ich dann 2001 gesagt habe: Dann versuche ich es mal. Natürlich musste ich mich innerhalb der SPD erstmal durchsetzen. Neben mir gab es noch zwei andere Kandidierende, aber ich bin der Direktkandidat geworden und seitdem bin ich hauptamtlich in der Politik. Letztendlich kann man einfach sagen, dass ich über die Familie gelernt habe, Engagement zu zeigen.
Gibt es einen Funfact, den kaum jemand über Sie kennt?
Ehrlich gesagt ziehe ich ganz gerne durch die Kneipen. Ich finde es immer schön, Kneipen-Hopping zu betreiben. Dann gehe ich gerne ins Spock. Ich liebe auch das Delirium und den Frazzkeller. Aber ich komme natürlich kaum dazu, insofern ist das jetzt vielleicht auch kein wirklicher Funfact. Ich lasse in den Herbstferien extrem gerne Drachen steigen. Und zwar ganz viele hintereinander. So viele, dass man fast mitgezogen wird. Man würde meinen, das machen nur Kinder, aber das kann man auch noch als Erwachsener machen. Es macht einfach wahnsinnig Spaß. Dafür fahre ich dann immer nach Borkum.
Einige Menschen sind noch nicht sicher, bei wem Sie am 23. Februar ihr Kreuz setzen. Warum sollten unsere Leser*innen ihre Erststimme Ihnen geben?
Weil ich in den letzten 20 Jahren gezeigt habe, dass ich den Landkreis Marburg-Biedenkopf hervorragend in Berlin vertrete. Weil ich für alle ansprechbar bin. Aber auch, weil ich eine stabile Brandmauer gegen rechts bin. So wie es die gesamte SPD ist – allein schon aus ihrer Geschichte und ihrem Selbstverständnis heraus. Ich glaube, dass in aktuellen Zeiten – die morgen nicht besser werden, sondern eher noch komplexer, noch schwieriger – wir eine erfahrene Führungskraft an der Spitze mit Olaf Scholz brauchen. Ich möchte gerne dazu beitragen, dass er auch weiterhin an der Spitze bleibt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es einen Bundeskanzler wie Friedrich Merz gibt. Und dafür kämpfe ich auch. Außerdem ist für die Erststimme noch sehr wichtig zu wissen: In Marburg-Biedenkopf gewinnt entweder Sören Bartol oder Stefan Heck. Historisch war es immer ein Rennen zwischen der SPD und der CDU. Das heißt: Jeder muss sich gut überlegen, wem er seine Erststimme gibt.
(Lektoriert von lurs.)
ist 26 Jahre alt und studiert im Master Friedens- und Konfliktforschung. Macht sich auch außerhalb des Studiums viele Gedanken über die Welt und die Menschen, die sie beleben. Seit November Teil der Chefredaktion.