Bundestagswahl-Interview: Stefan Heck (CDU)

Bundestagswahl-Interview: Stefan Heck (CDU)

Foto: Tobias Koch, Collage: L. Barth, L. Selbach & A. Sent

PHILIPP stellt die Marburger Direktkandidaten zur Bundestagswahl vor. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Heck spricht im Interview über Wirtschaftspolitik, Migration und BAföG, begründet seine Forderung nach einer Rückkehr der Wehrpflicht und erzählt von einem prägenden Auslandssemester.

Herr Heck, Sie wurden in Marburg geboren, haben an der Philipps-Universität studiert und gearbeitet. Woran denken Sie bei der Stadt und Uni als Erstes?

Stefan Heck: Ich bin in Marburg aufgewachsen, war dort zum ersten Mal im Kino und habe als Oberstufenschüler in Marburg gefeiert. Später habe ich dort studiert und war als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität tätig und darf Marburg nun im Deutschen Bundestag vertreten. Das empfinde ich als große Ehre.

Was ist für Sie aktuell die drängendste Herausforderung, vor der Deutschland steht?

Das Wichtigste ist im Moment, dass wir unsere Wirtschaft wieder in Schwung bekommen. Wir haben die schlechteste Wachstumsrate aller G20-Staaten. In den letzten drei Jahren gab es hohe Belastungen für unsere Unternehmen. Die Energiepolitik hat viel Schaden angerichtet und bei den Abgaben liegen wir weltweit vorne. Wenn wir es nicht schaffen wieder Wachstum zu generieren, werden wir uns Vieles in Zukunft nicht mehr leisten können.

Wie wollen Sie der Wirtschaft nach zwei Jahren der Rezession wieder Aufschwung verleihen?

Zur Wahrheit gehört, dass viele Volkswirtschaften nach dem russischen Überfall auf die Ukraine Schwierigkeiten haben. Die angekündigte Zollpolitik von US-Präsident Trump wird uns vor neue Herausforderungen stellen. Am wichtigsten ist, dass wir wieder wettbewerbsfähig werden. Dazu müssen wir dafür sorgen, dass Energie insbesondere für das produzierende Gewerbe wieder günstiger wird, indem wir Netzentgelte und die Stromsteuer senken. Außerdem muss Bürokratie zurückgebaut werden. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz stellt unseren Mittelstand vor erhebliche Herausforderungen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Mitte der Gesellschaft sollen durch eine Steuerreform wieder mehr Netto vom Brutto haben.

Was sind außerdem ihre politischen Kernanliegen?

Im Bereich der Migration müssen wir wieder zu Ordnung, Steuerung und Begrenzung kommen. In den vergangenen zehn Jahren haben wir einen großen Zustrom an Menschen erlebt. So kann es nicht mehr weitergehen. Für Fachkräfte muss der Zugang noch einfacher werden, aber die illegale Migration müssen wir dringend begrenzen. Als Innenpolitiker ist es mir wichtig, dass die innere Sicherheit gestärkt wird. Wir müssen allen Polizistinnen und Polizisten den Rücken stärken und sie gerade im digitalen Bereich mit den notwendigen Kompetenzen ausstatten. Wir wollen eine IP-Adressen-Speicherung einführen, um besser gegen sexuellen Missbrauch von Kindern vorgehen zu können. In der äußeren Sicherheit müssen wir die Bundeswehr stärken, damit wir wieder zur Landesverteidigung in der Lage sind.

Der Entschließungsantrag zu einer härteren Migrationspolitik und das „Zustrombegrenzungsgesetz“ Ihrer Fraktion haben für große Empörung und deutschlandweite Proteste gesorgt. Was hat die Union zu diesem Schritt bewogen?

Den Zustrom der letzten zehn Jahre können wir so nicht länger stemmen. Das betrifft etwa die Situation in Schulen und Kindergärten. Von Landräten und Bürgermeistern hören wir immer wieder: „Wir sind an der Grenze unserer Integrationsfähigkeit angelangt.“ Dazu kommen leider die Anschläge der vergangenen Monate, die alle im Zusammenhang mit fehlgeleiteter Integrations- und Zuwanderungspolitik stehen. Im Bundestag kommen wir zusammen, um die Probleme der Menschen zu lösen und über Dinge zu sprechen, die die Menschen beschäftigen. Deshalb war es richtig, dass wir es auch im Bundestag thematisiert haben. 

Dass es dafür keine Mehrheit unter den demokratischen Parteien geben würde, war abzusehen. Hat es für Sie keine Rolle gespielt, gemeinsam mit der AfD zu stimmen?

Uns ging es um die Sache. Wir haben vorgelegt, was wir für richtig halten. Der Gesetzentwurf lag dem Deutschen Bundestag schon im September vor. Nach dem Bruch der Ampel-Koalition gibt es keine feste Mehrheit mehr und wir hatten schon die berechtigte Hoffnung, dass wir die SPD davon überzeugen können. Es gab eine Sitzungsunterbrechung von vier Stunden, in der Gespräche geführt wurden mit dem Ziel, dass wir insbesondere mit der SPD zusammenkommen. Mit der AfD gab es keine Verabredungen oder Gespräche. Als größte Oppositionspartei bringen wir Anträge in den Bundestag ein und werben für unsere Überzeugungen. Alle Punkte des Gesetzentwurfes hat die SPD in der Vergangenheit bereits mitgetragen oder sogar selbst mitbeschlossen. Daher hätte die SPD über ihren Schatten springen und mitstimmen müssen.

Was sagen Sie als Jurist zu den Bedenken, das Vorhaben sei nicht mit europäischem Recht vereinbar?

Was den prominentesten Punkt des Antrags, die Zurückweisung an den Grenzen, angeht, empfehle ich in unsere Nachbarstaaten zu schauen. Dänemark, Frankreich und viele andere europäische Staaten verfahren genauso und es wird völlig unbeanstandet von europäischem Recht durchgeführt.

Was möchten Sie für Studierende erreichen?

Für Studierende gilt wie für alle anderen: Wir sind dringend darauf angewiesen, dass unsere Wirtschaft wieder in Schwung kommt und wir Steuereinnahmen generieren. Das ist für alle Staatsfunktionen wichtig, gerade für die Bildung, um BAföG und anderes finanzieren zu können. Wir wollen das BAföG weiter stärken; über Detailregelungen sprechen wir noch. Insgesamt müssen wir dafür sorgen, dass wir gut ausgebildete junge Menschen haben. Es muss nicht jeder studieren, aber denjenigen, die die Befähigung dazu haben, müssen wir die Möglichkeit unabhängig von ihrem Elternhaus geben.

Auch in einer Stadt wie Marburg ist der Wohnungsmarkt extrem angespannt. Ein WG-Zimmer ist im Durchschnitt in nur drei Jahren um fast 100 Euro teurer geworden. Dazu kommen gestiegene Lebensmittelpreise und die Inflation. All das trifft Studierende besonders hart. Wie wollen Sie ihre Situation verbessern?

Das größte Problem ist, dass es einfach nicht genug Wohnungen gibt. Da hat die Ampel ihr Versprechen von 400.000 neuen Wohnungen nicht eingelöst. Die Lebenshaltungskosten sind für alle gestiegen, die Löhne und auch das BAföG aber nicht in gleichem Maße. Deswegen ist es so wichtig, dass wir einen Umschwung in der Wirtschaftspolitik hinbekommen, die Rezession stoppen und wieder ins Wachstum kommen.

7 von 8 Studierenden erhalten kein BAföG, obwohl viele Eltern sie nicht ausreichend finanziell unterstützen können.

Zum Glück ist das Studium in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen Ländern der Welt kostenfrei. Das ist ein großes Privileg. Damit die Bedarfssätze aktuell und fair bleiben, wollen wir eine unabhängige Kommission einrichten, die hierfür Empfehlungen vorlegt. 

Die CDU plant laut Wahlprogramm eine „aufwachsende Wehrpflicht“. Was genau stellen Sie sich darunter vor?

Ich selbst habe nach dem Abitur Wehrdienst geleistet. Die Aussetzung der Wehrpflicht ist in einer Zeit geschehen, als man davon ausgehen konnte, dass es auf absehbare Zeit keine Bedrohung für Frieden und Freiheit unseres Landes gibt. Das hat sich spätestens mit dem Angriff Putins auf die Ukraine geändert. Ich glaube zwar nicht, dass es in den nächsten Jahren unmittelbar eine Bedrohung für die Bundesrepublik gibt, aber wir müssen wachsam sein und unseren NATO-Verpflichtungen nachkommen können. Das Schutzversprechen Amerikas wird unter Trump anders bewertet als es über Jahrzehnte der Fall war. In der Sicherheitspolitik müssen wir deshalb auf eigenen Füßen stehen. Dazu gehört neben der finanziellen auch eine personelle Aufrüstung. Über Generationen sind viele Menschen zur Bundeswehr gekommen, die diese Entscheidung ohne Wehrpflicht nicht getroffen hätten. Durch die Aussetzung fehlen uns jetzt Soldaten. Es ist an der Zeit, Musterungen vorzunehmen, um einen Überblick zu bekommen, wie viele junge Männer und gegebenenfalls auch Frauen wir haben. Ihnen wird die Wahl gelassen, ob sie zur Bundeswehr gehen oder ein soziales oder ökologisches Jahr machen.

Viele junge Menschen haben das Gefühl, durch die letzten Jahre, vor allem mit den Einschränkungen der Pandemie schon genug belastet worden zu sein und wollen ihr Leben nach der Schule frei gestalten können.

Ich halte es trotzdem für notwendig, weil wir mehr junge Menschen in der Bundeswehr und in sozialen Berufen brauchen, auch wenn es nur für eine gewisse Zeit ist. Mein Vorschlag wäre, dass man eine Wahlmöglichkeit hat, wo man dieses Jahr verbringt. Natürlich ist es ein Einschnitt und ein Jahr, in dem man auch etwas anderes machen könnte. Aber ich finde den Gedanken gut, dass man als junger Mensch diesem Land eine Zeit lang auch mal etwas zurückgibt.

Was möchten Sie konkret im Wahlkreis Marburg-Biedenkopf umsetzen?

In Marburg ist die Sanierung des Landgrafenschlosses ein großes Projekt. Dabei ist es wichtig, dass auch der Bund einen Beitrag leistet. Dafür will ich mich einsetzen. Ein anderes Thema hat ebenfalls mit der Bundeswehr zu tun: Die Kaserne in Stadtallendorf liegt seit mehreren Jahren brach. Es gibt eine Investitionszusage des Bundes, dort tätig zu werden. Leider stellen wir fest, dass die Gebäude in einem sehr schlechten Zustand sind. Da muss dringend etwas getan werden und darum will ich mich kümmern.

Noch eine persönliche Frage: Sie waren bereits im Alter von 19 Jahren Stadtverordneter. Was war für Sie die Motivation, in die Politik zu gehen?

Als Erstes war ich im Kreisjugendparlament, was mir große Freude gemacht hat. Dann habe ich mich bei den verschiedenen Parteien umgeschaut. 1998 war Helmut Kohl im Wahlkampf auf dem Marburger Marktplatz und hat mich sehr beeindruckt. Darüber habe ich den Weg in die CDU gefunden. Es ist ein sehr spannender und abwechslungsreicher Beruf, wenn auch immer ein Beruf auf Zeit.

Gibt es noch etwas Besonderes an Ihnen, das man wissen sollte?

Ich habe ein Auslandssemester in Krakau verbracht. Das war 2005, ein Jahr nach der EU-Osterweiterung. Dort herrschte Aufbruchstimmung und große Begeisterung für Europa. Es war auch deshalb ein prägendes Jahr, weil Papst Johannes Paul II., der selbst Krakauer war, gestorben ist. Für mich war es eine beeindruckende Zeit, das in einem Land mitzuerleben, das so vom Katholizismus geprägt ist wie Polen.

Zur Person
Stefan Heck saß bereits zwischen 2013 und 2017 im Deutschen Bundestag. Bei der vergangenen Bundestagswahl unterlag er Sören Bartol (SPD), schaffte den Einzug aber über die Landesliste, was ihm mit Listenplatz 6 auch dieses Mal sicher sein dürfte.
Daneben ist Heck Vorsitzender seines Kreisverbandes und gehört dem CDU-Bundesvorstand an. Er war außerdem Stadtverordnetenvorsteher der Stadt Amöneburg, Mitglied des Kreistages und Landesvorsitzender der Jungen Union.
Der 42-jährige promovierte Rechtsanwalt arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Öffentliches Recht der Universität Marburg und als Staatssekretär im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport.

(Lektoriert von jub.)

Macht es wie Felix Lobrecht: studiert Politikwissenschaften in Marburg.
22 Jahre alt, seit Anfang 2024 bei PHILIPP und seit November Teil der Chefredaktion

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