„Perfekt verpasst“: Eine Rezension zur neuen Prime-Serie aus Sicht einer Marburgerin
Alle Fotos in diesem Artikel: Prime Video; Collage: Laura Schiller
Anke Engelke und Bastian Pastewka haben eine neue Serie für Amazon Prime in Marburg gedreht. Svenja hat sie für euch angesehen und bereitet euch auf die positiven und negativen Aspekte vor, die ihr als Stadtbewohner*innen erwarten könnt.
„Ach cool, die Stadt kenne ich aus der Serie mit Pastewka!“, so in etwa könnte die Reaktion lauten, wenn man in Zukunft in einer anderen Stadt erzählt, dass man aus Marburg kommt. Die in Marburg gedrehte und Mitte August erschienene Serie Perfekt Verpasst mit Anke Engelke und Bastian Pastewka ist derzeit nicht nur in Marburg ein großes Gesprächsthema – egal, ob man auf die Startseite von Prime Video oder auf die digitalen Plakatbanner in den Großstädten schaut, kommt man nicht an ihr vorbei. Natürlich habe ich die Gelegenheit genutzt und alle acht Folgen am Erscheinungsabend durchgebinged und werde nun berichten, was ihr als Marburger*innen oder Stadtfremde erwarten könnt.
Die Besetzung der Serie ist sicherlich eine ihrer größten Stärken: Während man als älteres Fernsehkind Bastian Pastewka wohl noch aus seiner Kultserie Pastewka oder zahlreichen abendfüllenden Filmen kennt, verbindet man Anke Engelke untrennbar mit der Sketch-Comedy Ladykracher und Moderationen verschiedener anderer Shows der großen deutschen Sender. Schon in den Rollen der Schlagerstars Wolfgang und Anneliese haben die beiden bewiesen, dass sie als Duo perfekt funktionieren. Auch den jüngeren Generationen dürften sie ein Begriff sein, spätestens aus gemeinsamen Auftritten in Fernsehshows wie Wer stiehlt mir die Show oder LOL: Last One Laughing.
Die neue Serie allerdings sollte anders als die bisherigen Auftritte werden: Als Maria und Ralf stellen sie komplett neue Figuren dar, die nicht nur in eine Komödie passen sollen, sondern auch Drama und Romantik können müssen.
Nun zum Konzept der Serie: In Perfekt Verpasst wird die Geschichte der beiden Singles Maria (Engelke) und Ralf (Pastewka) erzählt, die ihr Leben in Marburg führen, ohne einander wirklich zu begegnen. Wie es in einer kleineren Stadt oft der Fall ist, kreuzen sich ihre Wege dennoch ständig. So halten sie auf einem Marburger Fahrgeschäft beim Stadtfest Händchen, ohne sich dabei sehen zu können. Zudem überschneiden sich ihre Freundes- und Familienkreise und sie schreiben sich immer wieder gegenseitig Nachrichten in den Staub von Ralfs Auto, ohne die unbekannte andere Person zu kennen.
Marburg – Tag und Nacht?
Nicht nur im Trailer sondern auch zu Beginn der Serie fragt man sich zunächst, welcher Mensch aus dem Stadtmarketing Marburgs hier einen großen Batzen an die Kölner Produktionsfirma überwiesen hat. Marburg wird in Perfekt Verpasst ungefähr so deutlich als Schauplatz betont, wie Berlin in Berlin – Tag & Nacht oder Köln in Köln 50667.
Die Antwort ist jedoch überraschend: Zwar wurde tatsächlich mit dem Stadtmarketing kooperiert, aber die Begeisterung für Marburg als Drehort kam laut einem Interview der hessenschau von Bastian Pastewka selbst. Grund für Marburg als Schauplatz seien die vielen Aufzüge und die Unwahrscheinlichkeit des sich einander Verpassens in einer Stadt mit nur 80.000 Einwohnern.
Die Vorstellung, dass man in einer mittelgroßen Stadt zwangsläufig aufeinandertrifft, wirkt dann doch etwas großstädtisch gedacht. Immerhin befinden die Protagonist*innen sich in der Kernstadt und nicht in Dilschhausen.
Ja, Marburg kann durchaus dörflich sein – aber gerade diese dörfliche Gemütlichkeit wird von der Serie charmant eingefangen. Den Marburger Umständen folgend ist daher tatsächlich wahrscheinlich, dass zwei Personen mit je einem eigenen Unternehmen einander kennenlernen würden.
Wohlfühlatmosphäre
Über diese Frage der Perspektive hinaus bietet die Serie allerdings weit mehr als eine bloße Liebeserklärung an Marburg. Sie thematisiert Einsamkeit, Schicksal und die sonst wenig erzählten Tragödien des Lebens, eingebettet in eine typisch „marburgische“ Wohlfühlatmosphäre.
Für Fans von Pastewka mag die Serie an manchen Stellen melancholisch anmuten: Ralf wird, ähnlich wie die Figur Pastewka, oft missverstanden, was sowohl humorvolle als auch emotionale Szenen hervorbringt, die von Bastian Pastewka unnachahmbar getragen werden. Die Figuren Maria und Ralf wirken authentisch und liebenswert, fast so, als würden Engelke und Pastewka, wie so oft, sich selbst spielen – nur eben in einer neuen Umgebung.
Falls man sich als eingefleischte*r Marburger*in auf die Suche nach dem in der Serie als Knotenpunkt fungierenden Parkplatz oder nach dem Sportfachgeschäft begeben möchte, wird man allerdings enttäuscht werden. Der Parkplatz befindet sich außerhalb des Serienuniversums in einem kleinen Ort in der Nähe von Düsseldorf, während die Drehs in Innenräumen aus Kostengründen in Köln stattfanden.
Ungenutzte Chancen
Leider bleiben einige Chancen ungenutzt. Darunter zum Beispiel, dass Marburg aufgrund des Hafenfestes ohne Hafen und des immer an Weihnachten wiederkehrenden kleinen Riesenrades am Marktplatz bereits wahre Anknüpfungspunkte für die Story besessen hätte. Auch die zahlreichen Buchhandlungen und Cafés der Stadt ähneln nur grob den in der Serie gezeigten Schauplätzen. Gerade da eine Geschichte mit großem Fokus auf der Stadt erzählt wurde, wäre ein Cameo von Svens Laufshop, dem Café am Grün oder bereits bekannten Marburger Lokalitäten bestimmt schön gewesen.
Trotz dieses Umstandes wurde die Stimmung Marburgs fast genauso wiedergegeben, wie sie sich anfühlt. Von allen Aussagen in der Serie ist für mich am typischsten für Marburg übrigens der Satz: „Nein, ich bleibe hier stehen. So einen guten Parkplatz finde ich nie wieder!“
Die Struktur der Erzählung und Darstellung der schicksalhaften Verpassungen sind gelungen und erschaffen eine unaufgeregte Form der Spannung. Während es natürlich Potential bietet, die Verflechtungen der beiden Leben und die kleinstädtische Atmosphäre zu skizzieren, wird durch diese Art des Erzählens aber ein großer Vorteil bis zuletzt verspielt. Dass Engelke und Pastewka als Duo harmonieren, wird innerhalb der Serie erst weit nach der Hälfte der Spielzeit deutlich, da zuvor keine gemeinsamen Dialoge oder Interaktionen möglich waren.
Eine Frage der Erwartungshaltung
Insgesamt ist es trotzdem ein wahrer Zugewinn, dass ausgerechnet ein derart starker Stamm an Schauspieler*innen eine realistische, romantische und humorvolle Geschichte in einer Stadt wie Marburg erzählt. Die Serie wird Personen gut gefallen, die Pastewkasche Figuren zu schätzen wissen oder ein Faible für deutsche Komödien mit ein wenig Fremdscham besitzen.
Sollte man ein großer Fan des Duos sein und daher gemeinsame Screentime mit aufeinander abgestimmten Gags erwarten, wird die Serie hinter den Erwartungen zurückbleiben. Aufgrund der Erzählstruktur lebt die Serie zwar von Running Gags und dem Sich-immer-wieder-verpassen der beiden, allerdings nicht von gemeinsamen Sketchen oder Synergieeffekten der beiden Schauspieler*innen. Was nicht ist, könnte allerdings noch werden. Wenn auf die erste Staffel eine zweite folgt, könnten Zuschauende bestimmt etwas mehr Screentime und ein anderes Konzept erwarten. Und die Marburger*innen hätten erneut die Möglichkeit, als Statist*innen mitzuwirken!
Die achtteilige Serie Perfekt verpasst ist seit dem 15. August 2024 bei Prime Video zu sehen.
(Lektoriert von lurs und joh.)