Servus Grundrechte!

Servus Grundrechte!

Im Gespräch erklären Marburger Jurastudent:innen das Polizeiaufgabengesetz Bayerns und zeigen wie der Freistaat gekonnt die Grundrechte missachtet. Dabei unterstützen die Marburger ihre Kommilitonen und Professoren aus Erlangen, Würzburg und München, die mit ihrer Popularklage den Stein ins rollen gebracht haben. Nun wollen auch Politiker klagen, frei nach dem Motto: Keine extra Weißwurst mehr für die Bayern!

Trotz stundenlanger Debatten im Landtag, über 30.000 Demonstrant:innen in München und etlichen Gegenargumenten wurde das neue Polizeiaufgabengesetz (PAG) am  15. Mai in Bayern, pünktlich eine Woche vor dem Tag des Grundgesetzes, eingeführt. Der Freistaat darf nun beschämend zugeben, dass es das härteste PAG Deutschlands durchgesetzt hat – und das mit einer erstaunlichen Mehrheit der Union. Doch lange bevor die Rede von Novellierung war, reichten drei Professoren und knapp 20 Studenten der Unis Erlang, Würzburg und München 2017 eine Popularklage gegen das sogenannte Gefährder-Gesetz ein. Zu Recht, erklären vier Marburger Jurastudent:innen.

Grundrechte? Freilich ned!

„Die Kriminalstatistik zeigt ja deutlich, dass Bayern eines der sichersten Bundesländer ist. Warum dann das Gesetz verschärfen?“ fragt sich Lisa (27), die kurz vor ihrem zweiten Staatsexamen steht. Die Frage scheint begründet, denn nicht nur ist die Kriminalitätsrate im Freistaat so gering wie noch nie, sondern auch die Handlungsmacht, die der Polizei nun zur Verfügung steht, wirft Fragen in die Runde. „Ein Bürger, der allein auf Basis der drohenden Gefahr in Präventivhaft kommen kann, muss damit rechnen, dass er abgehört wird und auf unbestimmte Zeit in Haft bleibt. Das ist ein klarer, vor allem nicht gerechtfertigter, Eingriff in das Grundrecht der Person“ stellt Giovanni (26) fest.

Die meisten werden sich fragen, was als drohende Gefahr gilt. Auf diese Frage gibt es bislang keine einheitliche Antwort. Auch das kritisieren die bayerischen Professor:innen in ihrer Popularklage. „Der Begriff ist damals im Bezug auf den Terrorismus definiert worden. Aber das ist ein ganz anderer Rahmen“ erklären die Marburger Jurastudentinnen Ayse (24) und Sabrina (25). Das PAG ermöglicht es Polizeibeamten Personen festzunehmen, sobald sie der Meinung sind sie könnten eine Straftat begehen – ohne Beweise und Verfahren! Ist der Richter derselben Meinung, kommen die Personen in Präventivhaft, die auf beliebig lange Zeit verlängert werden kann. In das Grundrecht darf in einigen Ausnahmefällen eingegriffen werden, „zum Beispiel wenn sich die Allgemeinheit in einer nachweisbaren Gefahr befindet“ betont Ayse. In Bayern scheint da allerdings eine Ausnahme erlaubt worden zu sein. Denn in Grundrechte darf dort nun, lediglich auf Basis eines Verdachtes, eingegriffen werden. Beunruhigt sind die Marburger Student:innen zu dem auch, dass die Rede von gefährdenden Orten ist, an denen sich zunehmend eine drohende Gefahr ausbreiten könnte. Flüchtlingsheime seien solche.

Is scho Recht(s)

Dass  die CSU Flüchtlingsheime als gefährliche Ortschaften bezeichnet, lässt Skepsis aufkommen. Die jüngsten Aussagen von Horst Seehofer und Co. rücken die Partei in ein schlechtes Licht. Eines das ziemlich rechts leuchtet. Auf klare Definitionen hoffen die Jurastudent:innen trotzdem: „Die Klage ist im Mai eingegangen und es kann bis zu zwei Jahren dauern, bis diese bearbeitet wird. Das ist nicht ungewöhnlich. Wir glauben, dass zumindest ein Teil des PAGs geändert wird.“

„Heuer mach ma auch was!“ Das muss wohl den Parteimitgliedern der Grünen und der FDP durch das Oberstübchen gegangen sein, als sie sich entschlossen haben ebenfalls eine Klage einzureichen. „Die Christliche Union militarisiert langsam die Polizei. Zu erst Handgranaten, jetzt der willkürliche Eingriff in die Grundrechte: Das kann nicht lange halten!“ sind sich die Jurist:innen der Philipps-Universität sicher. Auch wenn sich die Bayern als Freistaat  vom Rest der Republik abgrenzen, können sie nicht einfach „die klare Trennung von Exekutive, Legislative und Judikative ignorieren. Da wird sich noch was ändern müssen“, vermutet Lisa. Die Popularklage ist nur der erste Schritt.

Foto: pixabay

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