Sneak-Review #115 – Hostiles – Feinde
Welchen Western habt ihr zuletzt im Kino gesehen? Vielleicht war es der letzte Film von Quentin Tarantino. Vielleicht noch nie einen Western-Film. Das ist sogar sehr wahrscheinlich. Denn heutzutage schafft es kaum ein Film mit Wild-West-Thematik in die deutschen Kinos. Umso erfreulicher ist es, dass diese Woche in der Sneak mit „Hostiles“ von Scott Cooper ein waschechter Western lief.
Wir befinden uns im Jahr 1892, New Mexiko. Der US-Army Captain Joe Blocker (Christian Bale) ist für sein Misstrauen und seine Brutalität gegenüber Indianern bekannt. Ausgerechnet kurz vor seiner Pensionierung wird er von seinem Vorgesetzten dazu gedrängt, den Indianerhäuptling Yellow Hawk (Wes Studi) und dessen Familie in ein Gebiet in den Norden zu begleiten. Auf ihrem Weg treffen sie auf Rosalie Quaid (Rosamund Pike), deren Familie bei einem Überfall von Komantschi-Indianern getötet wurde. Um die junge Witwe beschützen zu können, muss Joe gezwungenermaßen mit Yellow Hawk zusammenarbeiten.
Die Figur Joe Blocker besticht nicht nur durch einen enormen Schnurrbart, sondern auch durch seine gelungene Charakterzeichnung: Christan Bale verkörpert glaubwürdig den harten und hasserfüllten Captain. Seine Läuterung und sein Verständnis dafür, dass die Indianer kein Volk sind, welches nur aus wilden Bestien besteht, stellt sich nur langsam ein. Zögerlich nähert sich Joe seinen „Feinden“ an. Gegen Ende schlägt der Film mit der Charakterentwicklung seines Protagonisten dann doch etwas über die Strenge. Zu gut hat Christian Bale den verbitterten Indianerhasser gespielt, als dass man ihm eine 180-Grad-Wende abkauft. Joes Entwicklung vom Mörder zum Freund und Beschützer wirkt nicht glaubhaft.
Sich Zeit nehmen
Die Handlung entwickelt sich, wie für einen Western üblich, langsam und gemächlich. Schon früh merkt man, in welche Richtung sich die Story gehen soll. „Hostiles“ erzählt keine besonders spannende oder noch nie erzählte Handlung. Der Film legt seinen Fokus auf eine konsequente Erzählweise und die gefühlvolle Darstellung der Figuren.
Der Film lässt nimmt sich die Zeit, die sich andere nicht nehmen. Den:die Zuschauer:in erwarten lange Einstellungen mit wunderschönen Landschaftstotalen und langen Dialogen, die tief in die zerrütteten Herzen der Figuren blicken lassen. Nicht nur die Hauptcharaktere, besonders die von Rory Cochrane und Jesse Plemons gespielten Kollegen des Captains, führen tiefgründige Gespräche. Darüber, wie es sich anfühlt jemanden zu töten. Über die Angst, durch ständige Gewalt abzustumpfen und letztlich empfindungslos zu werden.
Wer sich an den schnellen Schnitt- und Erzählrhythmus von Marvel-Filmen und anderen Blockbustern gewöhnt hat, wird es mit „Hostiles“ schwer haben. Oder zumindest etwas Zeit brauchen, um die innere Film-Uhr auf ein langsameres Erzähltempo umzustellen. Eine schnellere Erzählweise hätte nicht geschadet.
Der Film enthält viele klassische Western Elemente, wie beispielsweise die „damsel-in-distress“, die Frau in Nöten, die vom Helden beschützt werden muss. Dabei gibt sie ihm auch die Möglichkeit, sich von seiner positiven Seite zu zeigen. Dieser Held ist kein stummer, abgebrühter „Lonesome Rider“. Er zeigt Gefühle, Fürsorglichkeit und Reue, aber auch Verbitterung und Hass. Die Darstellungsweise ist grundlegend ungeschönt. Gewalt wird nicht zur Action verklärt, sondern roh und erbarmungslos dargestellt.
Ein Lichtblick im tiefsten Rassismus
„Hostiles“ erzählt von einem Mann, der an dem zu zweifeln beginnt, woran er immer geglaubt hat. An das Recht des Stärkeren. An das Bild des hinterhältigen und bestialischen Indianers, der entweder gezähmt oder vernichtet werden muss. Der Film beginnt mit einem Zitat von D. H. Lawrence: „Die amerikanische Seele ist in ihrer Essenz hart, isoliert, stoisch und mörderisch. Sie ist bisher niemals aufgetaut.“ Der Film erzählt wie Captain Joe Blocker beginnt aufzutauen. Und wie andere Menschen auftauen, oder an ihrer Abstumpfung zugrunde gehen.
„Hostiles“ kommt am 31.05.2018 in die deutschen Kinos.
FOTO: Entertainment Studios Motion Pictures