Sneak-Review #228: Sonne und Beton 

Sneak-Review #228: Sonne und Beton 

„Stopp, Schulausweis!“, „Man, ich bin seit vier Jahren auf dieser scheiß Schule!“, erwidert Lukas. „Nein, kannst so nicht rein“, sagt der Security-Mitarbeiter vor den Toren der Schule und versperrt dem Jungen den Eingang. Hier beginnt der Film Sonne und Beton von Felix Lobrecht und Regisseur David Wnendt, der am 02. März 2023 in die deutschen Kinos kam.

Das Bild: Bomberjacken, Picaldi Jeans und Reeboks Classic. Im Hintergrund läuft ein Track von Bushido und Fler, die Plattenbauten erstrahlen straßengrau unter der prallen Sonne, die schmalen Rasenflächen sind verdorrt, die Hitze des Sommers ist in den Kinosesseln auch Ende Februar spürbar. 

Lukas (Levy Rico Arcos) ist der, um den es in dem Film geht – Lukas und seine drei Freunde Julius (Vincent Wiemer), Gino (Rafael Luis Klein-Hessling) und Sanchez (Aaron Maldonado Morales). Die Vier haben eins gemeinsam: Sie leben in Gropiusstadt, einem Berliner Brennpunkt im Stadtbezirk Neukölln. Der Film spielt im viel zu heißen Sommer 2003. Hier gilt das Gesetz der Straße und die vier Jungs müssen sich in ihren jungen Jahren schon früh behaupten. Was mit einem vergessenen Schulausweis und somit einem Eintrittsverbot in die Schule für Lukas beginnt, endet schnell in einer Schlägerei, als er und seine Freunde an Drogendealer geraten, die alles andere als friedlich gestimmt sind. Ab hier nimmt der Film Fahrt auf und wird zu einem abenteuerlichen Sommer für die Vier, die keine leichte Jugend erleben. 

Hauptcharakter Lukas ist das perfekte Opfer. Seine Mutter ist früh gestorben, sein älterer Bruder nie richtig anwesend und in dubiose Machenschaften verwickelt und sein Vater, gespielt von Tatort-Kommissar Jörg Hartmann, denkt er wisse, was in Gropiusstadt passiert. Dass er die Situation, in der sich sein Sohn befindet, massiv unterschätzt, spürt er noch im Verlauf des Films am eigenen Körper, sein Ratschlag „Der Klügere gibt nach.“, wirkt hier schon fast sarkastisch. Lukas lernt von seinem Bruder schnell „Der Klügere tritt nach!“ und fängt an zu trainieren. Aber er scheint nicht ganz in das Bild zu passen, bei Schlägereien hat er Angst und läuft weg, das Kind in ihm ist noch zu präsent und er muss viel zu schnell erwachsen werden.

Weder Lukas noch seine Freunde haben Geld, das bisschen, was sie haben, geben sie für Alkohol, Zigaretten und Gras aus. Bei Beschaffung des Letzteren geraten sie in angesprochene Schlägerei und als einer der Dealer 500 Euro von Lukas haben will, gerät sein Leben, was zuvor aus Schule-schwänzen und Kiffen bestand, aus den Fugen. 500 Euro sind für die Vier verdammt viel Geld, aber es ist klar, dass sie es gemeinsam beschaffen werden. Wie durch einen Zufall verkündet der Rektor der Schule ein paar Tage später, dass die gesamte Schule mit neuen Computern ausgestattet würde, ein Plan entsteht in den Köpfen der Jungs: „Wir brechen in die Schule ein und klauen die Dinger. Das wird so einfach!“ Ob das gelingt? An dieser Stelle soll nicht vorweggegriffen werden. 

Man kann nicht anders, als Mitleid mit den Vieren zu haben. Die Welt scheint gegen sie zu sein und wo wir heute von sozialer Gerechtigkeit sprechen, wird deutlich, wie wenig Stellenwert diese im Sommer 2003 in Gropiusstadt hat. Wenn Gino zuhause seine Mutter vor dem alkoholisierten Vater beschützt, der wutentbrannt den Esstisch umwirft, wenn Julius beim drogenabhängigen Bruder in einer dunklen, verdreckten Wohnung wohnt, wo den ganzen Tag der Bass wummert oder wenn Sanchez eine Ohrfeige von seiner Mutter kassiert, weil er sie mit ihrer Armut konfrontiert. Die Frustration und Perspektivlosigkeit sind spürbar. 

Der Film ist nicht besonders vogue und schon gar nicht politisch korrekt, aber, und dafür plädiert Lobrecht immer wieder, er spiegelt seine Kindheit und Jugend authentisch wider. Die Sprache ist hart mit einem realistisch wirkenden Slang, ganz á la Türkisch für Anfänger:

Lehrer: „Der Schaden geht in die Tausende…“

Mitschüler: „Tschüüüsch, die haben ja richtig Schnapp gemacht!“

Schulleiter: „SCHNAUZE!“. 

Das Publikum lachte an nicht nur einer Stelle laut. Die Stimmung des Films changiert immer wieder zwischen Komik und Dramatik und ein Gefühl, was von Ungerechtigkeit ausgelöst wird, macht sich in der Magengegend während des Schauens breit. Zu ernst ist er dabei aber nie, denn der nächste Spruch lässt nicht lange auf sich warten. Was am Ende von Sonne und Beton bleibt, sind zwei Stunden sehr guter Unterhaltung, ohne dass Lobrecht dabei ein präsenter Charakter ist, denn länger als ein paar Sekunden ist er nicht zu sehen. Das macht den Film besonders stark, denn es ist kein Film nur für seine Fans, es ist ein großartiger deutscher Film, der in seiner Sprache und seinen Bildern glänzt. 

Das Publikum bewertete den Film zu 83% positiv. 

Sonne und Beton erschien am 02.03.2023 in den deutschen Kinos.   

Habt ihr Beton und Sonne schon gesehen? Falls ja, schreibt gerne in die Kommentare, ob euch der Film gefallen hat.

(Lektoriert von hab, lab und let.)

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