Warm geduscht, aber nassgeschwitzt

Warm geduscht, aber nassgeschwitzt

Bild: Noah Hilleke

Nach einer langen coronabedingten Konzertabstinenz lässt das Café Trauma mit Warmduschen eine Konzertreihe wiederaufleben, die bereits mit ihren ersten zwei Bands zu überzeugen weiß

Wenn es eine Sache gibt, die ich in der Corona-Pandemie vermisst habe, dann sind es Live-Konzerte. Umso schöner, dass nun auch die Marburger Konzertreihe Warmduschen wieder durchstartet. Kapa Tult und Wenn einer lügt dann wir durften nach dem Neustart das Café Trauma in der Nähe des Hauptbahnhofes beehren. Wie sich im Laufe des Abends für mich und die knapp einhundert Besucher:innen herausstellt, sind diese beiden Bands die perfekte Wahl für das Wiederaufleben der Konzertreihe.

Wenn einer lügt dann Kitsch

Den Abend dürfen etwa eine Stunde nach dem Einlass Wenn einer lügt dann wir aus Münster und Berlin eröffnen, deren Stil im Alternative-Rock bis Pop-Punk eingeordnet werden kann. Entgegen ihrem Namen beeindruckt das Trio bestehend aus Schlagzeug, Bass und Gitarre durch ehrliche, einfühlsame Texte mit zeitweise schmerzhaftem Wahrheitsgehalt, wie beispielsweise das Abrechnen mit all den selbstverliebten Posern in Nimm mich mit. Die Band bedient sich einer neuen Variante des (Pop-)Punk, indem die Stimme der Sängerin Johanna durch Autotune unterstützt wird. Autotune korrigiert unsauber gesungene Töne und „zwingt“ die Künstlerin quasi zum Singen, da auch gesprochene Laute in eine Melodie eingeordnet werden, je nachdem, in welcher Tonart wir uns befinden. Das kann auf Dauer robotisch wirken. In der Popmusik ist dieses Element allerdings bereits konventionell geworden.

Normalerweise wird im (Pop-)Punk darauf verzichtet, weil es als künstlich und unauthentisch gilt – zum Punk gehören auch unsaubere Töne. Wenn einer lügt dann wir haben dieses technische Element aber als festen Bestandteil in ihre Musik integriert. Im Press-Kit verspricht die Band eine bunte Vielfalt an schrillen Klängen und Tönen und so geben sich die Musiker:innen auch auf der Bühne. Ich muss zugeben, für mich wirkt der Sound etwas kitschig. Aber Kitsch muss ja nicht immer etwas Schlechtes sein. Kitsch entsteht häufig dort, wo von allem ein bisschen zu viel zusammenkommt – aber genau dieser überzogene Stil steht Wenn einer lügt dann wir so gut. Der ganz eigene Sound der Band ist in diesem Musikgenre ungewöhnlich, weiß aber das Publikum zu überzeugen: Es dauert ungefähr bis zur Hälfte ihres Sets, aber danach gibt es kein Halten mehr und das Publikum tanzt sich gebührend warm für den Hauptact des Abends.

Ins Gefühl katapultiert

Nach einer kurzen Umbaupause betritt Kapa Tult die Bühne. Mit einer Mischung aus Punk, Alternative und Rock mit einem guten Schuss Jazz, schafft es die Band, ein eigenes Klangbild mit Wiedererkennungswert auf die Bühne zu bringen. Frontfrau Inga überzeugt mit ihrer kraftvollen Stimme und emotionalen Texten, in die sich jede:r Besucher:in bestens hineinfühlen kann. Die Songs wechseln zwischen bereits bekannten Songs der EP des Quartetts und neuen des am 23. Juni erscheinenden Debütalbums. Sie thematisieren zwischenmenschliche Beziehungen, Freiheit, Freundschaft und (unerfüllte) Liebe, wie beispielsweise in meinem Favoriten des Abends Kaffee und was Süßes.

In den ruhigen Momenten, wie bei Michelle Obama, entfalten Kapa Tult ihr Potential und wenn sie hin und wieder (auch mitten im Song) das Tempo anziehen, kann das Publikum sehr gut dazu tanzen. Songs wie Priority Lane und Cigarettes after Sex laden dazu ein, die gesammelte Energie, die sich über die lange konzertlose Zeit angestaut hat, herauszulassen. Kapa Tult haben einen sehr wiedererkennbaren Sound, der auch daher rührt, dass die Band aus studierten Jazzmusiker:innen besteht. Zwischenzeitlich verschwindet das Keyboard etwas zu sehr im Live-Mix, aber abgesehen davon ist der Sound von beiden Bands phänomenal gut abgemischt. In kleineren Hallen bin ich meist nicht überzeugt vom Sound, da er auf engerem Raum wesentlich schwieriger zu staffeln ist, als beispielsweise in einer Halle für mehrere tausend Besucher – nehmen wir die Festhalle in Frankfurt mit der schwierigen Kuppel aus der Gleichung heraus, wo der Sound durch eben diese stark beeinflusst und dünn klingt. Im kleinen Café Trauma bot dieser Abend aber einen schön runden und im Raum stehenden Sound, der eine intime Atmosphäre geschaffen und mich positiv überrascht hat.

Das Konzert von Kapa Tult und Wenn einer lügt dann wir im Trauma in Marburg war ein voller Erfolg. Beide Bands überzeugten mit ihrer musikalischen Qualität, ihrem Engagement und ihrer Fähigkeit, das Publikum mitzureißen. Die Zuschauer:innen waren begeistert von der Vielseitigkeit der Musik und der Energie, die auf der Bühne und im Saal spürbar war. Dieses Konzert hat Lust auf mehr gemacht und ich bin gespannt, wen die Veranstalter:innen in diesem Jahr noch auf die Bühne zaubern können.

(Lektoriert von hab und jok.)

Ist seit Mai 2023 Mitglied der Redaktion des PHILIPP-Magazin. Studiert Geschichte im Bachelor. Könnte quasi ins Haus der Geschichte einziehen, so oft und lang er die Ausstellungen in Bonn besucht hat.

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