Jesus Christ Superstar? Pop & Rock auf der Orgel

Jesus Christ Superstar? Pop & Rock auf der Orgel

Pop- und Rockmusik in der Kirche – eine unerwartete Kombi, die sich unser Redakteur Noah nicht entgehen lassen konnte. Über das Konzert von Michael Schütz in der Kugelkirche am 10. September und ob Orgel und Queen, die Beatles und Co. tatsächlich zusammenpassen, berichtet er hier.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich innerhalb zweier Monate gleich zweimal in die Kirche gehen würde, aber das Plakat, das ich eine Woche zuvor bei einem abendlichen Spaziergang an der Litfaßsäule auf der Radestraße entdeckt hatte, machte mich neugierig. Kirche und Popmusik? Im ersten Moment sind dies zwei Begriffe für mich gewesen, die augenscheinlich nicht weiter voneinander entfernt sein könnten. Für mich klang diese Kombination so herrlich banal, dass ich mir diese Erfahrung unter keinen Umständen entgehen lassen wollte.

Michael Schütz aus Berlin spielte am 10. September ein Konzert in der Kugelkirche. Auf dem Programm waren allerdings keine traditionellen Kirchenlieder, sondern verschiedene Songs aus dem Rock- und Pop-Bereich. Schütz nahm an diesem Abend an der Orgel der Kugelkirche Platz, um innerhalb der nächsten 90 Minuten die Klänge von 15 Musikstücken engelsgleich durch das Oval der Kirche schweben zu lassen. 

Eine etwas andere Messe

Ich war schon sehr lang nicht mehr in einem traditionellen Gottesdienst, aber der Drang, aufzustehen, in der Erwartung, die Pfarrer*in ziehe gleich in Begleitung von Messdiener*innen, feierlich in die Kirche ein, war dennoch für einen Augenblick in meinen Knochen spürbar. Den Künstler Michael Schütz hat man an allerdings während des Konzertes nicht zu Gesicht bekommen. Er nahm über den Besucher*innen auf der Empore Platz, dort, wo auch sein Werkzeug für den heutigen Abend stand.

Pünktlich um 17 Uhr eröffnete er den Abend mit dem Stück „Thank You for the Music“ von ABBA. ‚Abba‘ hat hier aber wenig mit der Anrede Jahwes aus dem Alten Testament zu tun, sondern bezeichnet die allseits bekannte Pop-Gruppe aus Schweden. Ein erster, befremdlicher Eindruck, der sich mir mit den ersten Takten bietet. Diese Klänge sind so vertraut und doch klingen sie für mich zunächst deplatziert, dass ich für einen kurzen Moment nicht damit umgehen kann.

Der gewaltige Klang der Orgel macht sich wunderbar in der Kirche. Es ist eine sehr angenehme Überraschung, nicht „Großer Gott wir loben dich“ oder „Tochter Zion“ aus den Pfeifen hören zu müssen, sondern das nächste Stück der schwedischen Pop-Supergroup ABBA: „SOS“. Ich hatte zuerst befürchtet, dass der Organist die Musik etwas verlangsamen würde, damit das Tempo dem Flair der Kirche nicht enteilen würde, allerdings behält „SOS“ seine volle Geschwindigkeit und wirkt so herrlich beschwingt, dass ich sehr viel Freude daran hatte.

„Dancing Queen“ bildet den Abschluss der ABBA-Trilogie, die den Abend eröffnet. Auf der Orgel klingt der Pop-Superhit so breit und tief gestaffelt, dass ich kurzzeitig eine Gänsehaut bekam. Ich hätte nicht gedacht, dass es möglich sein würde, Popmusik so majestätisch auf eine Orgel zu bringen, ohne, dass sich die beiden völlig unterschiedlichen Geister der Musik gegenseitig aufheben.

Die geballte Ladung Rock, bis die Orgelpfeifen glühen

Der Deep Purple Hit „Smoke on the Water“, dessen Intro-Gitarrenriff nicht nur alteingesessene Hardrock-Rentner mitsingen können, folgt im Anschluss auf die Pop-Giganten. Es ist erstaunlich, wie Michael Schütz es schafft, mit ein wenig Fingerspitzengefühl aus seinen Registern die nötige Zerre für die Simulation einer elektrischen Gitarre herauszuholen.

Im Anschluss an den Deep Purple-Standalone folgen erneut drei Stücke eines Künstlers, beziehungsweise einer Band. Als nächstes Segment kommen die Besucher*innen in den Genuss von Queen. Als Auswahl des breiten Katalogs der Briten wählte Michael Schütz die wohl populärsten Stücke „Bohemian Rhapsody“, „We Are the champions“ und „Don’t Stop Me Now“. Besonders die Opern-Passage von „Bohemian Rhapsody“ wirkt in diesem Kontext merkwürdig – allerdings nicht negativ auffallend. Es ist erstaunlich, wie dieses eigentlich doch sehr getragene Stück in diesem Teil des Songs so explosionsartig an Fahrt gewinnt und nicht nur mir ein nostalgisches Lächeln ins Gesicht zaubert. Das darauffolgende „We Are the Champions“ kann die Spannung aufrechterhalten. Queen auf der Kirchenorgel. Wenn ich so etwas vor drei oder vier Jahren gelesen hätte, hätte ich vermutlich mit dem Kopf geschüttelt und wäre an dem Plakat ohne weitere Achtung vorbeigegangen. 

Bis heute hat sich mein Musikgeschmack allerdings immer mehr verbreitert und ich bin wirklich beeindruckt, wie gut diese Kombination von Tradition und Moderne tatsächlich funktioniert. Queen wirkt perfekt für die Kirchenorgel – ein Satz, von dem ich nie gedacht hätte, ihn mal schreiben zu müssen. Es ist aber wahr. Rockmusik klingt auf dem als altertümlich deklarierten Instrument so herrlich breit und stimmgewaltig, ohne die Stimme als Instrument zu benötigen.

„Don’t Stop Me Now“ braucht tatsächlich gegenüber seinem Vorgänger ein wenig, bevor es das gut vorgelegte Tempo anziehen kann. Hier bilde ich mir zum ersten Mal ein, dass das Tempo nicht ganz stimmt, was aber auch kein großer Abriss ist, wenn mein Gefühl wirklich stimmen sollte.

Wenn es um Rockmusik geht, dürfen die Beatles natürlich auch nicht fehlen. Zwei der letzten Stücke der Rock-Sektion sind einer der bekanntesten Lieder der Beatles, „Hey Jude“, und John Lennons berühmter Song „Imagine“. Zum Schluss spielte Schütz „Russians“ von The Police-Sänger Sting. Ich muss zugeben, dass ich zu diesen Stücken keinen wirklichen Vergleich habe, wie diese im Original klingen, da ich selbst nie wirklich einen Zugang zu dieser Art von Musik gefunden habe, also darf ich mir hier einen völlig unvoreingenommenen Blick (oder Gehör) erlauben und die kommenden drei Stücke frei von Kritik – egal, ob positiv oder negativ – genießen. Der John Lennon-Klassiker „Imagine“ ist aus dieser Sektion mein Highlight.

Eine filmreife Leistung

Auf dem eingangs erwähnten Plakat wurde den Besucher*innen neben der Rock- und Popmusik auch Filmmusik versprochen, die kommenden vier Stücke komplettieren diesen Block. Das erste Stück ist das „James Bond Main Theme“. Ich bin großer Fan der Filme, auch wenn diese zugegebenermaßen szenisch und in ihrer Handlung nachgelassen haben. Das Hauptthema der Filmreihe bleibt aber weiterhin ein zeitloser Klassiker.

Wenn es um Filmmusik geht, darf das „Hedwig’s Theme“ aus Harry Potter ebenso nicht fehlen. Ich bin erstaunt darüber, wie gut die Orgel eine Flöte imitieren kann, ehe das Stück an Breite gewinnt. Ich muss zugeben, der Charm der Kirchenorgel macht bei diesem Stück besonders viel aus. Besonders modern wird der Abend gegen Ende mit dem „Game Of Thrones Main Theme“, einer Serie, die mich über die Jahre ihrer Ausstrahlung so sehr in ihren Bann gezogen hat und – für mich persönlich – mindestens eine der Top 5 Serien überhaupt ist.

Als letztes Stück der Filmmusik-Abteilung drückt Michael Schütz das „Pirates of the Carribbean“-Thema in die Tasten. Ein gelungener Abschluss dieser Sektion. Davy Jones hätte dieses Stück nicht besser auf seiner Orgel auf der Flying Dutchman zum Besten geben können – und Michael Schütz lässt das Thema herrlich breit klingen, ganz ohne die Zuhilfenahme von extra Tentakeln. Da kann der Oktopus schonmal vor Neid erblassen. Oder besser: im Erdboden beziehungsweise den Fluten der Meere versinken. Mit dem Stück „Music“ von John Miles schließt diese doch etwas andere „Messe“ und ich darf diesen besonders kurzweiligen Abend und die letzten sommerlichen Tage noch mit einem harmonischen Gefühl ausklingen lassen.

(Lektoriert von jok und hab.)

Ist seit Mai 2023 Mitglied der Redaktion des PHILIPP-Magazin. Studiert Geschichte im Bachelor. Könnte quasi ins Haus der Geschichte einziehen, so oft und lang er die Ausstellungen in Bonn besucht hat.

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