Sneak Review #89 – Suburbicon
Es ist fast 23 Uhr an Halloween. Der Kinosaal des Cineplex ist gefüllt mit neugierigen Sneakpreview-Gästen. Was wird am ultimativen Tag des Horrors wohl gezeigt? „Bambi“ sicher nicht. Auch wenn es sich zunächst ein bisschen danach anfühlt. Der Sneakfilm der Woche ist schließlich „Suburbicon“, das neue Werk von George Clooney.
Hier herrschen noch Ruhe und Ordnung: Der Ort, in dem perfekt quadratische Rasenflächen mit der Nagelschere geschnitten, die Rosen jeden Tag pünktlich gewässert und immer freundlich gelächelt wird: Das ist Suburbicon. Eine amerikanische Bilderbuch-Vorstadt in den 1950er Jahren, deren Idylle aber schon nach wenigen Minuten erste Risse zeigt.
Zunächst ziehen als erste afroamerikanische Familie die Meyers in die Nachbarschaft und verursachen damit einen Skandal. Bei den weißen Nachbarn sieht es aber nicht besser aus. Denn kurz darauf werden die Mitglieder von Familie Lodge bei einem nächtlichen Einbruch gefesselt und betäubt. Vater Gardner (Matt Damon) und seine Schwägerin Magaret (Julianne Moore) müssen dem kleinen Nicky (Noah Jupe) anschließend beibringen, dass seine querschnittsgelähmte Mutter Rose (ebenfalls Julianne Moore) bei diesem Überfall ums Leben gekommen ist. Schnell wird dem Zuschauer klar, wie sehr diese Geschichte zum Himmel stinkt und das nicht wegen der neuen Nachbarn. Denn praktischerweise ist jetzt Tante Margaret für den Jungen da, färbt sich die brünetten Haare nach Vorbild ihrer toten, blonden Zwillingschwester um und zieht auf Wunsch des Vaters bei den Lodges ein.
Ein Altraum in Pastellfarben
Diese spannungsreiche Grundkonstellation rund um Verrat, Verschwörung und Verleumdung hätte funktionieren können. Das tut sie aber vor allem deshalb nicht, weil die von George Clooney inszenierte und auf einem Drehbuch der Coen-Brüder basierende Thriller-Groteske „Suburbicon“ einfach nicht weiß, was sie sein will. Ein perfide überspitztes Sittengemälde, eine drastische Fallstudie zum gerade wieder aktuellen Rassismus, ein trickreich verbogenes Coming-of-Age Drama oder einfach ein Thriller mit zwei kurzen Schockeffekten?
Wenn Nicky bewaffnet in den Keller stampft, weil er von dort komische Geräusche hört, ist klar was passieren muss. Bei aller gewollten Innovation und dem angestrebten frechen Genre-Mix ist die Handlung extrem vorhersehbar. Bei vielen Szenen liegen die Schnittstellen zwischen Horror und Slapstick, Gesellschaftskritik und Nonsens so nah beieinander, dass es nicht bloß grotesk wirkt, sondern auch genauso hohl und ausgelutscht wie die Pappmaschee-Fassaden der Vorstadt.
Wenigstens die Besetzung überzeugt
Die einzige echte Stärke des Films liegt deshalb auch nicht in der Story, sondern in der Besetzung. Julianne Moore genießt die flauschige 50er Jahre Bonbonoptik sichtlich und füllt die Rolle der verstockten Vorstadtdame mit unbeweglicher Betonfrisur perfekt aus. Auch Matt Damon ist als vordergründig besorgter und eigentlich diabolischer Vater gerade wegen seines unscheinbaren Allerweltsgesichts so gut mit der Rolle vereinbar. Trotzdem schaffen es auch diese beiden Weltstars nicht, der Geschichte wenigstens einen Hauch von Tiefe zu verleihen.
„Suburbicon“ will viel und schafft wenig. Es ist die dünne Fassade einer zu übereifrigen Satire, die hier zum Einsturz kommt. Sie verstrickt sich in ihrer ausfransenden Rassismus-Nebenhandlung und wirft den Zuschauern kleine Häppchen eines bunten Genre-Potpourri vor die Füße. So kann sie dem eigentlichen Kern, nämlich der bitterbösen Vorstadtgeschichte, nicht treu bleiben. Deshalb ist das Scheitern des Films auch so viel tragischer als das Scheitern der Figuren, die er zu porträtieren versucht.
„Suburbicon“ startet am 9. November in den deutschen Kinos
Foto: Concorde Filmverleih