Ich gehe (auf gar keinen Fall) zu „3 Tage Marburg“

Ich gehe (auf gar keinen Fall) zu „3 Tage Marburg“

In Gießen gibt es eins, Kassel hat eins und auch Würzburg und sogar unsere Landeshauptstadt Wiesbaden feiert es – Ein Stadtfest! Vor allem kleinere Städte schmücken sich damit und Marburg scheint sehr stolz darauf zu sein, dass „3 Tage Marburg“ „die größte Veranstaltung Mittelhessens“ ist. Marburg putzt sich wie jedes Jahr vom 10. bis 12. Juli ein Wochenende heraus und zeigt, was es hat. Rund um das Schloss und den Schlosspark treten auf insgesamt neun Bühnen über 1000 Künstler*innen auf. Doch auch wenn manche dieses Event feiern, kommt anderen bei den Worten „3 Tage Marburg“ doch eher die Gülle hoch.

PRO von Julia Mehr
Mit „Rock, Pop, Jazz, Klassik, Weltmusik, Sport und jeder Menge Spaß“, wie es auf der Veranstaltungshomepage angekündigt wird, klingt „3 Tage Marburg“ wie die ARD unter den Stadtfesten. So ist es für mich auch nicht verwunderlich, dass der Quoten-Tourismus Menschen in überdimensionalen Reisebussen in die Stadt fährt, die meist das Klischee, Schlagermusik zu mögen, erfüllen. Was Marburger Studis in ihrer Blase, in der sie leben, gerne vergessen: Ja, es gibt auch Menschen, die nicht studieren, nicht in WG’s leben oder sogar gebürtig aus Marburg kommen und gerne auf Feste, aber nicht auf Festivals gehen. 3TM hat nämlich im Vergleich zum Marburger Hafenfest, bei dem ich mich jedes Jahr wieder frage, „welcher Hafen?!“, etwas zu bieten. Die Oberstadt ist gefüllt mit guter Sommerlaune, lauter live-Musik und Stadtfest-Menschen, die essen, trinken, Acts erleben und tanzen wollen. Und wer kann zu Krammarkt, Feuerwerk, Drachenbootrennen, Tombola und Kinderzauberern nein sagen? Das Stadtfest bietet die Möglichkeit, Eltern, Großeltern und Freunde, die einen Anlass brauchen, zu Besuch zu kommen, einzuladen und ihnen die Stadt zu zeigen. Busfahren ist in den drei Tagen in Marburg sogar kostenlos. Alles beginnt freitags mit der feierlichen Eröffnung mit Magistrat und Veranstalter „Express“ um 18 Uhr, bei der alle, die sich wichtig fühlen, mit dem Fassbieranstich das Fest eröffnen. Der Abend ist anschließend gefüllt mit klassischer Musik der VFL BigBand und dem studentischen Sinfonieorchester. Entweder, man blättert sich durchs Programmheft und hört sich vorher online bestimmte, meist bis dahin unbekannte Bands und Künstler an, oder aber man lässt sich treiben und bummelt durch die Oberstadt bis zum Schloss. Die Band „We are Rinah“, die am Samstag um 22 Uhr auf der Schlosspark-Bühne auftreten, beschreibt sich folgendermaßen: „Zuschauen, getanzt und einfach nicht mehr nachgedacht. (…) Es ist die Sehnsucht, die uns antreibt.“ Deshalb ist es mein Plan, am Samstag nachmittags zu starten, durch die Oberstadt zu bummeln, irgendwo einen überteuerten Snack zu essen, aber mein eigenes Bier mitzubringen und gegen Abend am Schloss zu landen, bekannte Gesichter zu treffen und den Abend tanzend bei Klez’n Roll von „We are Rinah“ ausklingen zu lassen. Das wird ein Fest! Marburg lässt sich feiern und zeigt, dass es nicht nur Uni, sondern auch Schloss und Sommerfeierei, ist – Auch wenn es vielleicht musikalisch noch nicht ganz mit dem Darmstädter Schlossgrabenfest mithalten kann. Aber ich kann es mir ja für nächstes Jahr wünschen, oder?

KONTRA von Yvonne Elfriede Hein
Am Wochenende soll es wieder schön werden. Das sagt der Wetterbericht und lockt mit Sonne und Temperaturen um die 25 Grad für eine Lahn-Session: draußen lernen, Kubb spielen, grillen und Sonne. Ach wie schön, endlich ein bisschen mehr freie Zeit für Draußen als unter der Woche – wenn nicht das „3 Tage Marburg“-Fest wäre. Aus die Maus, nichts mit Lernen an der Lahn und einem gemütlichen Grillabend, denn dort stehen dann Buden, Stände und zu später Stund‘ mehr Besoffskis als Besuchende. Marburg ist kein geeigneter Ort für so ein riesiges Straßenfest. Zum einen ist Marburgs Innenstadt viel zu eng und die Besucherzahl viel zu groß, sodass gerade vor den Bühnen und in der Oberstadt sich die Menschenmassen tummeln, niemand mehr durchgehen kann und es aufgrund des Platzmangels schnell zu schlechter Stimmung und Pöbeleien kommt. Marburg braucht auch keine Buden an der Lahn und in der engen Oberstadt keine Grillstände mit überteuertem Fleisch aus Massentierhaltung, keine Zuckerwattestände, keine bunten Holzkugeln mit Aromadüften, keine Tücher, keine Haushaltsgeräte, kein Fettgebäck und vor allem nicht noch mehr Konsum. Hand aufs Herz: Wer hat sich je etwas von den Ständen des 3TM-Events gekauft? Seht ihr, schade um die schönen Wiesen an der Lahn. Marburg braucht auch keine 10 Bühnen, auf denen Coverbands mit Namen wie Rudi & das Rocktrio spielen oder DJ Andy den Abend ausklingen lässt. Hier leben rund 26.000 Menschen in den Zwanzigern. Die hören sowas nicht. Den Lärm kann man sich sparen. Gerade in der Prüfungszeit. Und vor allem braucht Marburg kein Stadtfest um Tourist*innen zu locken und den Standort wettbewerbsfähiger zu machen. Die Stadt ist schön und bietet alles, was das neugierige Touri-Herz will. Eine Stadt voll mit Besoffenen oder entnervten Menschen erzeugt auch eher das Gegenteil vom schönen Stadtbild, zumal in Marburg schon jedes Wochenende genug betrunkene, vorwiegend junge, Menschen rumlaufen. Und ganz ehrlich, liebe Stadtverwaltung, lieber Bürgermeister, euch werden doch noch bessere, nachhaltigere und vor allem weniger kostspielige Ideen einfallen, um Tourist*innen nach Marburg zu locken, als Fressbuden und Trödelstände und eine Musikbegleitung, die erst mit zwei Promille erträglich ist. Zumal Marburg genug soziale Baustellen hat, bei denen das ausgegeben Geld sinnvoller angelegt wäre.

FOTO: Promo (Marbuch-Verlag)

Ein Gedanke zu “Ich gehe (auf gar keinen Fall) zu „3 Tage Marburg“

  1. PRO gewinnt sprachlich-stilistisch, obgleich zwischen den Zeilen die unterdrückte Ironie rauszulesen bleibt. CONTRA verpackte offensichtliche Argumente fad und lahm.

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