Happy Birthday, Bettenhaus!

Liebes Bettenhaus,

Vor 30 Jahr‘n mit links besetzt und bewohnt,
Bist‘ noch heute mit studentischem Leben belohnt.
Deinen Geburtstag feierst du heute
Dazu eingeladen sind alle deine kollektiven Leute.
Gemeinschaftlich Tanzen und trinken,
In politischen Diskussionen versinken.
Übernachtungspartys – kein Problem
Ein Bett für alle ist dein Phänomen.
Rassismus und Faschismus sind dir ein Graus
Besser autonomes Leben in Saus und Braus!
Wie schön, dass du gegründet bist,
Marburg hätte dich sonst sehr vermisst.

Das Bettenhaus lädt am 3. und 4. Juli zum Sommerfest für ein gemeinsames Tanzen und Trinken ein. Die Tage sollen als „politische Plattform“ genutzt werden und Raum für Diskussionen geben. Das volle Programm findest ihr hier. PHILIPP wünscht alles Gute zum 30. Geburtstag!

Bettenwhat?

Bestimmt seid auch ihr schon mal mit dem Bus auf dem Weg zum Hauptbahnhof daran vorbeigefahren. Ganz in der Nähe der Bushaltestelle Robert-Kochstraße in der Emil-Mannkopfstraße 6 steht das große Haus. Von außen sieht es aus wie ein Krankenhaus, das es auch tatsächlich einst gewesen ist. Die Architektur erinnert an einen Plattenbunker aus den 70ern. Seit 30 Jahren wird das Gebäude allerdings nicht mehr als Klinik, sondern als Ort alternativen Lebens genutzt. Das selbst verwaltete Wohnheim entstand 1985 aus einem leerstehenden Klinikgebäude. Nach der Besetzung des ungenutzten Raumes gründete sich ein Ort für und von Studis mit der Idee eines sozialen Lebens, das frei von Diskriminierung ist. Die Gründung des gemeinnützigen „Vereins zur Förderung studentischen Wohnens in Marburg e.V.“ ermöglichte die alternative Wohnform statt eines weiteren universitären Wohnheims. Mit dem Einzug ins Bettenhaus entscheiden sich die Bewohner*innen meist auch Mitglieder im Verein zu werden.

Auch wenn es von außen zunächst abschreckend wirkt, soll es im Inneren ganz anders aussehen – nämlich sozial und kulturell bunt. Das Bettenhaus steht obligatorisch für ein bestimmtes Marburger Leben und studentisches Gefühl. So erinnert sich ein ehemaliger Bewohner: „Ich habe viele wunderschöne Zeiten, Partys und ungezählte Stunden im  Bettenhaus verlebt. Ganz am Anfang während der Besetzung. Dass das alles 30 Jahre her ist, kann ich kaum glauben. Und ich vermisse Marburg und alles, was in meiner Erinnerung dazu gehört.“ Die Bewohnenden des Bettenhaus‘ leben in elf Wohngemeinschaften mit insgesamt 56 Betten. Viele von ihnen engagieren sich neben dem Studium in politischen, kulturellen und sozialen Projekten, die eng mit der links-alternativen Kulturszene vernetzt sind.

Ein Bett in Marburg

Das Bettenhaus steht symbolisch für eine alternative Wohnform. Mit seinen 56 Betten bietet es jedoch im Vergleich zu den 2.100 Wohnplätzen des Studentenwerks Marburg nur eine kleine Alternative. Dennoch bauen sie gerade in den Anfängen des Wintersemesters immer wieder viele Notbetten auf, für Personen, die noch gar keine Unterkunft in Marburg gefunden haben. Marburg verzeichnet insgesamt circa 80.000 Einwohnende, von denen ungefähr 10.000 nicht ihren Erstwohnsitz in Marburg angemeldet haben. Zur Zeit sind etwas über 25.000 Studierende an der Philipps-Universität Marburg eingeschrieben. Jedes Semester kommen neue Erstis dazu. Nach der Entscheidung oder dem Losverfahren für das Studium in Marburg folgt für alle, die nach Marburg kommen, die Frage: Wie und wo will ich wohnen?

Ob eine eigene Wohnung, Untermiete oder Zwischenmiete – eine Mietwohnung zu finden und zu finanzieren ist vor allem als Studienanfänger*in schwierig. Viele leben, wenn nicht gerade im Wohnmobil oder noch im Hotel PapaMama in Wohngemeinschaften oder Studiwohnheimen. Das Bettenhaus bietet eine studentische autonome und günstigere Wohnform. Die Idee, leerstehende Gebäude zu Wohnraum umzufunktionieren,  klingt wie ein Ansatz zur Lösung für die steigenden Mietpreise und den mangelnden Wohnraum.

Wohnen im festgeschriebenen Freiraum

Das Bettenhaus sieht die studentische Wohnform als Partizipation, doch für manch eine*n bleibt der Gedanke eines durch die politische Lebensart eingeschränkte Gemeinschaft. Die alternative Wohnform des Bettenhaus‘ kann studentische Partizipation, aber eben auch eine politisch gelenkte Lebensart bedeuten. So schreibt das Bettenhaus über sich: „Als kollektives Wohnprojekt eröffnet das Bettenhaus Freiräume und Möglichkeiten für Alternativen zum herkömmlichen, entfremdeten Leben, Wohnen, Arbeiten und Studieren in einer Gesellschaft, die von ungehemmter wirtschaftlicher Konkurrenz und von ausgrenzenden Ideologien geprägt ist.“

Das Bettenhaus grenzt sich deutlich von Burschenschaften, sogenannten Korporationen, ab. Es ist international, basisdemokratisch und selbstverwaltet sowie politisch am ‚linken Rand‘. In ihrem 2012 neu festgeschriebenen Selbstverständnis wird deutlich, dass die Autonomie ganz klar durch „Spielregeln“ festgelegt ist. Zentrales Organ ist die Mitgliederversammlung. In wöchentlichen, einstündigen Plenarsitzungen werden „Belange des Hauses“ diskutiert und wichtige Entscheidungen getroffen. Handlungsweisen, die sexistisch, rassistisch, faschistisch, antisemitisch oder homophob diskriminierend sind, können zum Ausschluss aus der Wohngemeinschaft führen. Dabei steht für die Hausverwaltung im Vordergrund, stets selbstreflexiv und antidiskriminierend zu handeln. Die Verantwortung für das gemeinschaftlich alternative Zusammenleben obliegt dabei jeder*m Einzelnen.

Es regnet durch die Decke

So richtig autonom ist das Bettenhaus aber doch noch nicht. Ein Teil der Verwaltung obliegt der Uni Marburg und die Immobilie gehört dem Land Hessen. Um langfristig das alternative soziale Wohnen im Bettenhaus zu gewährleisten, haben sich die Bewohnenden nun dazu entschlossen, das Bettenhaus von der Uni zu übernehmen. Dazu braucht das sonst kapitalismuskritische Kollektiv Geld für Renovierungsarbeiten und den noch nicht ausgehandelten Kaufpreis.  Seit 2008 laufen Verhandlungen um den Kaufpreis und die notwendige Renovierung. Die Finanzierung läuft über das Freiburger Mietshäuser Syndikat. Über Direktkredite, das heißt Geld von Privatpersonen und nicht von einer Bank, kann es dem Bettenhaus gelingen, Kapital zu leihen. Das Modell stammt aus den 80er Jahren, in denen 20 Freiburger für ihr Ideal vom selbstbestimmten Wohnen und Arbeiten ein altes Fabrikgebäude kauften. Im Prinzip kann jede*r einen Direktkredit geben und das Projekt unterstützen. Die Idee des Bettenhaus‘ soll erhalten bleiben. Die Kredite und Zinsen werden nach Kauf des Hauses von den weiterhin erhobenen Mieten zurückgezahlt.

Von Ängsten und Sorgen um die Zukunft ist im Sommerfest-Programm für dieses Wochenende aber keine Spur. Das wird ein Fest! Freitag und Samstag ist Zeit für „Faulenz*A“. Freitags könnt ihr der Frage nachgehen: Was hat Sexismus mit mir zu tun? Ab 22 Uhr klingen die Diskussionen und Gitarrenklänge bei Lagerfeuer und Open-Air-Kino aus. Samstags werden alternative Workshops wie zum Beispiel „Krititisches Weißsein“, „Selbstverteidigung für Frauen“ und Kreatives wie Nähen, Graffiti und Fotografie angeboten. Nach internationalen Konzerten endet der Abend mit aufgelegter Musik verschiedener Dj*anes. Klingt ja fast nach Mini-Festival-Stimmung!

UND JETZT FEIERN Das Sommerfest zum 30. Geburtstag des Bettenhaus‘ findet diesen Freitag und Samstag, 3. und 4. Juli statt. Am Freitag beginnt das Programm ab 15 Uhr mit verschiedenen Workshops. Samstag öffnet das Bettenhaus die Pforten bereits ab 12 Uhr. Bis 18 Uhr werden abermals Workshops angeboten, anschließend gibt’s via Konzerte und DJ-Musik bis in die Nacht was auf die Ohren.

FOTO: Luis Penner

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