Landtagswahlen 2023 in Hessen – Was ist für Studis drin?
Collage: Annabell Sent
Am 08. Oktober 2023 wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt. Wer dabei am Ende die meisten Stimmen bekommt, ist auch für Studierende relevant – denn Bildung ist ja schließlich Ländersache. Das heißt, als Studi zur Wahl zu gehen kann einen echten Unterschied machen. Aber welche Themen stehen dabei eigentlich zur Debatte? Und was fordern die einzelnen Parteien?
Zugegeben: Wahlprogramme liest niemand gerne. Sie sind lang, voller gut klingender Schlagwörter und am Ende ist man meistens auch nicht schlauer. Gerade wenn es der erste Gang zur Wahlurne ist, kann die Entscheidung schonmal überfordern. Aber keine Sorge! PHILIPP hat die Wahlprogramme durchgesehen und für euch zusammengefasst, welche Forderungen für Studierende und Unis drinstehen. Berücksichtigt wurden dabei die größeren Parteien, die tatsächlich eine Chance haben, ins Parlament gewählt zu werden: CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Freie Wähler und die Linke. Außerdem wurden nur Parteien berücksichtigt, die nach Auffassung der Redaktion demokratische Werte vertreten. Die AfD wird daher in dieser Darstellung nicht auftauchen.
Gleiche Chancen für alle?
Der Zugang zur Uni ist für viele Studierende nach wie vor abhängig vom Geldbeutel der Eltern oder ihrer sozialen Herkunft. Aber auch geringere Hürden für Menschen mit Behinderung oder Unterstützung für Studierende mit Kindern sind wichtig, damit alle den gleichen Zugang zu Hochschulbildung erhalten. Alle Parteien – außer der CDU – setzen sich in ihren Programmen Ziele, um Barrieren an Hochschulen abzubauen.
SPD und Linke wollen vielfältigere Zugangswege zum Studium fördern, etwa durch bessere Anrechenbarkeit beruflicher Qualifikationen oder mehr Möglichkeiten ohne Abitur zu studieren. Die Freien Wähler schlagen vor, beispielsweise die NC-Regelung in der Medizin durch ein Testverfahren zur Zulassung zu ersetzen. Die Linke möchte außerdem explizit Angebote wie zum Beispiel die Initiative Arbeiterkind zur Unterstützung der Kinder von Nichtakademiker*innen fördern. SPD und Grüne möchten gezielte Angebote für Studierende mit Behinderung schaffen und sich für einen barrierefreien Umbau von Gebäuden und barrierefreie Lehre einsetzen. Außerdem sollen flächendeckend Beratungsstellen und Antidiskriminierungsbeauftragte eingesetzt werden, um mögliche Diskriminierungsrisiken abzubauen. Die FDP setzt dagegen auf zusätzliche Informationen und Tutorien, mit denen sich Studierende mit Behinderung vorab genauer für Hochschulen, die ihren Anforderungen gerecht werden, entscheiden können. Um die Vereinbarkeit von Familie oder Pflege und Studium zu verbessern, möchten sich SPD, Grüne, Freie Wähler und FDP für den Ausbau des Teilzeitstudiums und eine familienfreundlichere, flexiblere Gestaltung der Regelstudienzeit einsetzen.
Money, Money, Money! – Wie man sich das Studieren leisten kann
Geld fehlt an allen Ecken. Bei den Unis sind Sparmaßnahmen angesagt, aber besonders die Studierenden leiden unter steigenden Kosten, Mieterhöhungen und anfallenden Gebühren. Auch hier in Marburg ist studentische Wohnungsnot ein Dauerthema. Für die CDU braucht es, um dagegen anzukommen eins: einen „Bau-Boom“. Andere Parteien haben genauere Vorstellungen, wie bezahlbarer Wohnraum für Studierende wieder Realität werden kann. SPD, Grüne und Linke wollen mehr geförderten Wohnraum für Studierende durch die Schaffung von neuen Wohnheimplätzen und die Sanierung bestehender Wohnheime bereitstellen. Die Grünen planen dabei Platz für 10% der Studierenden, während es bei der SPD optimistische 20% werden sollen. Darüber, wie Studierende rund ums Studium finanziell entlastet werden können, sind sich SPD, Grüne und Linke relativ einig: Studierendenwerke sollen mehr Unterstützung bekommen, um etwa günstiges Mensaessen zu garantieren und jegliche Studiengebühren sowie der Verwaltungskostenbeitrag – an hessischen Unis 50 Euro – sollen abgeschafft werden. Außerdem wollen sie sich auf Bundesebene für eine Reform des BAföGeinsetzen, um mehr Menschen ein Studium zu ermöglichen. Auch die Freien Wähler fordern eine Reform des BAföG und mehr bezahlbaren Wohnraum – wie genau das umgesetzt werden soll, wird allerdings nicht spezifiziert. Die Ideen von CDU und FDP zur finanziellen Entlastung von Studierenden lassen sich dagegen kurz zusammenfassen: Es gibt keine.
In den letzten Jahren ist aber auch die Finanzierung relativ zu den Studierendenzahlen zurückgegangen, unsere Unis sind größtenteils unterfinanziert. Während die FDP dabei als Abhilfe auf Drittmittel setzt, das heißt Geld, das größtenteils aus der Privatwirtschaft kommt, um durch Wettbewerb die Qualität von Forschung und Lehre zu steigern, lehnen die Linken die Abhängigkeit von Drittmitteln generell ab, um eine beständige Finanzierung aus öffentlicher Hand zu garantieren. Die Freien Wähler möchten die Finanzierung von Hochschulen aus der freien Wirtschaft auf 30% beschränken.
So sollen hessische Studierende an die Spitze kommen – Bessere Lehre, Digitalisierung und Förderung
Überfüllte Hörsäle, überlastete Profs und mangelhafte Technik – die Bedingungen für qualitative Lehre lassen an vielen Stellen noch zu wünschen übrig. Die Pandemie hat gezeigt, welche Möglichkeiten die Digitalisierung Hochschulen bietet – und wo sie versagt. Aus diesen Erfahrungen möchte auch die Politik lernen. SPD, FDP und Grüne wollen Unis dabei unterstützen, neue digitale Lehrmöglichkeiten und Onlineangebote zu entwickeln. Insbesondere auch die Forschung an und der Umgang mit künstlicher Intelligenz soll in Zukunft besonders gefördert werden.
Die SPD möchte zusätzlich das Verhältnis von Studierenden und Lehrenden verbessern, um qualitative Lehre zu sichern und die Grünen planen, die Arbeit wissenschaftlicher Mitarbeitender in der Lehre vermehrt zu unterstützen.
Um den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis zu fördern und Studierende bei Innovations- und Gründungsvorhaben zu unterstützen, sollen Hochschulen besser ausgestattet werden. Die CDU fordert dafür die Einführung von Gründersemestern und den Zugang zu Patentanwält*innen, die SPD möchte bessere Beratungsangebote und Unterstützung bei der Bildung regionaler Gründungsnetzwerke, die Grünen möchten einen Fond für Start-Ups einrichten und die FDP fordert zusätzliche Ansprechpartner*innen für Gründungen an Hochschulen und stärkere Partnerschaften zwischen Unis und Privatunternehmen.
Studis an die Macht! – Studentische Mitbestimmung und Hochschulpolitik
Um studentische Interessen gegenüber der Hochschule und der Öffentlichkeit zu vertreten, organisieren sich Studierende in der Hochschulpolitik und verschiedenen Gremien. Welche Möglichkeiten der Organisation und welches Mitbestimmungsrecht ihnen dabei zukommt ist im hessischen Hochschulgesetz geregelt. SPD und Linke möchten darin das Mitbestimmungsrecht von Studierenden an universitären Entscheidungen stärken und setzen sich für eine viertelparitätische Selbstverwaltung ein. Das bedeutet, dass die Stimmen in universitären Gremien gleichmäßig auf alle Statusgruppen (Studierende, wissenschaftliche Mitarbeitende, sonstige Mitarbeitende und Professor*innen) verteilt sind, um Professor*innen nicht länger zu bevorteilen. Außerdem soll laut SPD, Grünen und Linken die Möglichkeit einer landesweiten, hochschulübergreifenden Studierendenvertretung festgeschrieben werden.
An was darf geforscht werden? – Wissenschaftsfreiheit an Unis
Vor dem Hintergrund weltweiter Konflikte und Kriege wird auch die universitäre Forschung vor die Frage gestellt, inwiefern wissenschaftliche Erkenntnisse für militärische Zwecke und Rüstungsprojekte genutzt werden. Mehr als 70 Universitäten – die Uni Marburg ist nicht dabei – verpflichten sich deswegen freiwillig mit einer sogenannten Zivilklausel in ihrer Satzung dazu, ausschließlich zu zivilen Zwecken zu forschen. Grüne und Linke befürworten die Einführung von Zivilklauseln, damit Wissenschaft ausschließlich der Gesellschaft dient. CDU und FDP lehnen sie unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit ab. Beide Parteien gehen aber noch weiter in ihren Bestrebungen für maximale Freiheit: Die CDU lehnt die verpflichtende Nutzung geschlechtergerechter Sprache, „politische Korrektheit“ und „cancel culture“ ab. Laut der FDP sollen Veranstaltungen unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung an Hochschulen möglich sein. Weiter noch soll eine Anlaufstelle geschaffen werden, an die sich jeder wenden kann, der sich durch seine Meinungsäußerung benachteiligt sieht, der eine Veranstaltung nicht durchführen oder eine Forschungsfrage nicht behandeln kann. Der Einfluss wirtschaftlicher Interessen durch die zunehmende Ökonomisierung von Unis, wird dabei jedoch nicht thematisiert.
Ackern für Nichts – Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft
Eine akademische Karriere muss gut überlegt sein, denn die Arbeitsbedingungen in den Wissenschaften sind weit von einem wünschenswerten Zustand entfernt. Unsicheren befristeten Verträgen, zu viel Arbeit, die nicht in den eigentlichen Aufgabenbereich fällt, und schlechter Bezahlung begegnet man schon als studentische Hilfskraft. SPD, Grüne und Linke befürworten daher die Aufnahme studentischer Hilfskräfte in den Tarifvertrag des Landes.
Auch für Promovierende und wissenschaftliche Mitarbeitende sollen nach SPD, Grünen und Linken bessere Bedingungen geschaffen werden. Promotionsstellen sollen demnach rechtlich so gestaltet werden, dass mindestens 50% der Arbeitszeit tatsächlich für die Promotion verwendet werden kann. Generell soll die Menge an befristeten Verträgen reduziert und mehr Dauerstellen geschaffen werden. Auch die Freien Wähler befürworten den Abbau befristeter Stellen. Die FDP dagegen sieht die Befristung von Stellen bis zur Promotion als relevant an, um möglichst vielen Personen diesen Weg zu ermöglichen. Im Anschluss sollen Mitarbeitende zwar eine Perspektive auf dauerhafte Beschäftigung haben, ausgenommen wären aber Projekte, die von Drittmitteln finanziert sind – deren Anteil soll aber ja wie oben erwähnt größer werden.
Hoffentlich konnte dieser Artikel ein bisschen Licht ins Dunkel der Parteiprogramme bringen. Wenn euch das noch nicht gereicht hat, schaut am besten beim Wahl-O-Mat vorbei oder lest euch die Programme selbst einmal durch. Die Entscheidung liegt am Ende bei euch! Gewählt wird am 08. Oktober in dem euch zugeordneten Wahllokal zwischen 08:00 und 18:00 Uhr oder per Briefwahl. Mit der Erststimme wählt ihr ein Direktmandat; das heißt die Person mit den meisten Stimmen zieht direkt in den Landtag ein. Mit der Zweitstimme wird die Landesliste einer Partei gewählt, dadurch werden die Mehrheitsverhältnisse im Parlament bestimmt.
(Lektoriert von hab, let und lab.)
studiert Soziologie im Master, wenn sie nicht gerade in Marburgs Cafes Kaffee trinkt oder irgendwo auf Reisen ist.