Wieso, weshalb, warum StuPa?

Wieso, weshalb, warum StuPa?

‚StuPa‘: Diese mysteriös anmutende Abkürzung lässt sich in vielen hochschulpolitischen Kontexten finden. Doch was für Strukturen verbergen sich dahinter? Um herauszufinden, was das Student:innenparlament (kurz: StuPa) eigentlich macht, hat PHILIPP-Redakteurin Mirjam sich am 17. Mai in eine Sitzung desselben gesetzt. Ihre Beobachtungen und Erkenntnisse hat sie für euch festgehalten.

Es ist kurz vor 18 Uhr, die Sonne scheint, der Abend ist perfekt, um es sich mit einem kühlen Bier in der Hand am Lahnufer bequem zu machen. Doch in einem leicht düsteren Hörsaal in der Deutschhausstraße 12 versammeln sich etwa 20 Parlamentarier:innen, ein paar weitere sind online zugeschaltet. Sie werden fast fünf Stunden lang über Satzungen, Ordnungen und Anträge diskutieren. Heute, am 17. Mai, tagt das Marburger StuPa zum siebten Mal in seiner aktuellen Zusammensetzung. 

Die Parlamentarier:innen nehmen für ihr Engagement einiges an Arbeit in Kauf. Sich neben Studium und Freizeit in Gremien und Ausschüssen zu engagieren, braucht Zeit, Einsatz und vor allem eins: lange Sitzungen bis spät am Abend und nicht-enden-wollende Diskussionen erfordern starke Nerven. Doch wofür genau engagieren sie sich eigentlich? Was passiert auf einer solchen Sitzung? Und wozu brauchen wir überhaupt das StuPa? 

Als ich den Raum betrete, wirkt die Stimmung locker und routiniert. Die Mitglieder des StuPa kennen sich untereinander, es wird gelacht, diskutiert und Snacks werden ausgetauscht. Sobald aber Vorstandsmitglied Yusuf die Sitzung beginnt, läuft alles nach festgelegten Regeln ab. Fast kleinlich wirken manche Vorgaben und die Sorgfalt mit der einige der Parlamentarier:innen darauf achten, dass sie eingehalten werden. Für eine Wortmeldung wird ein Arm gehoben, für einen Antrag zur Geschäftsordnung beide, abgestimmt wird mit rot-grünen Karten, die vorher an alle Stimmberechtigten im Raum ausgehändigt werden oder – auf Antrag – geheim auf Zetteln und mit Urne. Selbst über den Vorschlag, die Reihenfolge der Tagesordnung zu ändern muss abgestimmt werden (der Antrag scheitert an der benötigten zwei Drittel-Mehrheit der anwesenden Mitglieder). Mehr als einmal müssen Abläufe von den Vorstandsmitgliedern selbst in der Satzung nachgeschlagen werden. 

Warum brauchen wir eigentlich das Student:innenparlament?

Das StuPa der Uni Marburg ist das höchste beschlussfassende Gremium der Studierendenschaft und zentraler Bestandteil der studentischen Selbstverwaltung. Aktuell besteht es aus 41 Mitgliedern – ab der nächsten Wahlperiode sollen es nur noch 31 sein –, die meistens im Juni von allen eingeschrieben Studierenden gewählt werden können. Sie setzen sich vor allem für die Belange von Studierenden an der Uni ein. Das studentische Leben besteht eben nicht nur aus Prüfungsordnungen und Berufungsverfahren, wie sie in der universitären Verwaltung besprochen werden. Was wäre ein Studium ohne WGs, Partys und Mensaessen? Aber auch: Wie gehe ich mit finanziellen Notlagen, schlechten Studien- oder Arbeitsbedingungen und den Sorgen, das erste Mal auf mich allein gestellt zu sein, um? Dinge, die nicht uns alle betreffen und struktureller Aufmerksamkeit bedürfen. Damit wir als Studierende bei solchen studentischen Interessen und Bedürfnissen selbst mitentscheiden können, gibt es Strukturen, durch die wir uns unter demokratischen Bedingungen beteiligen können. Wir wählen Vertreter:innen in ein Parlament und zahlen im Semesterbeitrag einen Anteil, der dieser Selbstverwaltung zukommt. 

Zu den Aufgaben des StuPa gehört dabei unter anderem, Wahlen und Entsendungen in verschiedene Gremien durchzuführen und Beschlüsse zu fassen. Es wählt die Mitglieder des AStA, die Interessenvertretung der Studierendenschaft und verschiedene Ausschüsse. Es verabschiedet den Haushalt der Studierendenschaft, das heißt, hier wird darüber entschieden, wieviel Geld für studentische Projekte, Fachschaften, Härtefälle und das Semesterticket zur Verfügung steht. Darüber hinaus vertritt es studentische Interessen gegenüber Uni, Landesregierung und anderen Akteuren und bezieht Stellung zu politischen Fragen, die die Universität betreffen oder die sich mit den Folgen wissenschaftlicher Erkenntnisse beschäftigen. 

Anträge, Abstimmungen und Satzungen

Die heutige Sitzung startet mit der Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung und der weiteren Tagesordnung. Beides muss vom Parlament angenommen werden. Die ersten Tagesordnungspunkte (TOP) sind die Vorstellung des Haushaltsplans für das kommende Semester und von Satzungsänderungen – hauptsächlich geht es um formelle und grammatikalische Verbesserungen. In verschiedenen Ausschüssen werden Entwürfe erarbeitet, die dann in der Sitzung vorgestellt werden. Es sind ein paar verdrehte Augen zu erahnen, als aus einigen Reihen jede noch so kleine Formulierung auseinandergenommen wird. Steht in einem Satz ‚soll‘ oder ‚muss‘? Soll hier oder dort wirklich auf einen anderen Artikel verwiesen werden? Sind alle rechtlichen Möglichkeiten abgesichert? Abgestimmt wird darüber erst in den kommenden Sitzungen – einige Aspekte sollen bis dahin noch überarbeitet werden. 

Auch über PHILIPP (hey, das sind wir!) wird gesprochen. Es geht um die Aufnahme des Magazins als unabhängiges Gremium in die Satzung der Student:innenschaft. Die Idee dahinter ist es, eine unabhängige und freie Berichterstattung an der Hochschule zu ermöglichen. Obwohl grundsätzliche Zustimmung herrscht, wird am Ende dennoch über Formulierung und Rahmenbedingungen diskutiert. Die Herausforderung ist dabei, dass das Magazin an bestehende Strukturen angebunden werden soll, ohne die journalistische Freiheit zu beschränken.

Wird antimuslimischer Rassismus gegen Antisemitismus ausgespielt?

Nach fast vier Stunden Sitzung spüre ich, wie die Energie im Raum langsam schwindet. Ein paar der Parlamentarier:innen haben sich zwischendurch mit Pizza und Snacks versorgt – soweit hatte ich nicht gedacht und bei mir macht sich inzwischen Hunger breit. Doch dass es in den folgenden Minuten nochmal richtig zur Sache gehen könnte, merkt man bereits an der Ankündigung des nächsten TOP. Eine sachliche und kultivierte Debattenkultur sei bei einem so geladenen Thema unverzichtbar. Anlass ist ein Antrag mit dem Titel „Antimuslimischen Rassismus ernst nehmen – Rassismus in Universität und Stadt bekämpfen!“, in dem einerseits die Bombendrohung während des Eid-Gebets in Marburg und die Raumkündigung der Universität für eine Veranstaltung zu antimuslimischem Rassismus verurteilt werden sollen. Andererseits soll das Parlament eine Entscheidung von 2019 revidieren, in der das StuPa beschloss die BDS-Kampagne, eine palästinänsiche Zivilkampagne, die zu Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel aufruft, zu verurteilen, um gegen Antisemitismus vorzugehen. Wie bei diesem Thema zu erwarten ist, werden verschiedene Meinungen heftig debattiert. Auch Gäste, die speziell dafür gekommen sind, melden sich zu Wort. Ein Teil der Diskutierenden bemängelt, die Universität setze sich nicht ausreichend gegen Islamfeindlichkeit ein, palästinensische Stimmen würden unterdrückt und antimuslimischer Rassismus nicht ernstgenommen. Gegenrede erfolgt vor allem in Bezug auf die Gegenüberstellung von Unterdrückungsformen im Antrag. Antimuslimischer Rassismus werde gegen Antisemitismus ausgespielt. Jüdisches Leben an der Uni könne gefährdet werden. 

Nach viel Diskussion, einigem hin und her und zwei geheimen Abstimmungen per Urne über Änderungsanträge wird der Antrag schließlich angenommen. Ein Zusatz betont nochmal den gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus und bezieht explizit Stellung gegen antisemitische Stimmen des rechtsextremen Spektrums. Danach ist klar: Heute kann sich hier niemand mehr konzentrieren. Der Vorstand beendet die Sitzung und alle weiteren Tagesordnungspunkte werden auf das nächste Mal vertagt. 

Das Ringen um Beschlussfähigkeit und weitere Probleme

Als ich um fast 23:00 Uhr das Gebäude verlasse, ist es schon dunkel und Müdigkeit macht sich breit. Demokratische Prozesse – auch an der Uni – sind bürokratisch, langwierig, kompliziert. Damit aber alle Stimmen gehört werden können, damit auch Studierende auf Entscheidungen der Uni einwirken können und damit studentische Interessen vertreten werden können, sind sie unverzichtbar. Doch besonders die Probleme, mit denen Hochschulpolitik und speziell das StuPa von Sitzung zu Sitzung zu kämpfen hat, sind deutlich zu erkennen, denn die Beschlussfähigkeit des Parlaments steht ständig auf der Kippe. Die Mitglieder der Liste Students for Future, die vor einem Jahr ins StuPa gewählt wurden, erscheinen gar nicht zu den Sitzungen, andere Parlamenterier:innen nur selten. Als vor einer Abstimmung die Fraktion des RCDS die Sitzung verlässt, scheitert ein Antrag auf Feststellung der Beschlussfähigkeit – eine einzige Person fehlt um mit mehr als der Hälfte der 41 Mitglieder beschlussfähig zu sein. Erst als nach einiger Zeit eine weitere stimmberechtigte Person digital zugeschaltet werden konnte, kann die Abstimmung fortgesetzt werden.

Außerdem gehen zu wenige Student:innen – wenn auch dieses Jahr mehr als im Vorjahr – zur Wahl, noch weniger engagieren sich aktiv in der Hochschulpolitik. Das heißt, die studentische Vertretung kann sich in Auseinandersetzungen gegenüber der Uni kaum auf Rückhalt aus der allgemeinen Student:innenschaft berufen. Politisches Engagement an der Uni ist zeitaufwendig, nervenauftreibend und oft auch langweilig, weil bürokratisch, aber am Ende beeinflusst es die wichtigsten Themen unter den Studierenden. 

(Lektoriert von let und hab.)

studiert Soziologie im Master, wenn sie nicht gerade in Marburgs Cafes Kaffee trinkt oder auf irgendwo auf Reisen ist.

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