Shades of Grey-A

Shades of Grey-A

Langsam wird’s ernst, die ersten befreundeten Paare ziehen zusammen oder verloben sich sogar. Der beste Freund oder die beste Freundin erzählen nur noch von ihrem letzten One Night Stand. Alles im Leben dreht sich irgendwie nur um Sex und Liebe. Doch das ist nicht bei jedem so: Robin, 21 und Student in Marburg, steckt seine Energie lieber in Freundschaften, denn er ist asexuell. Was das genau ist, wie das sein Leben beeinflusst und welche Erfahrung er bisher damit gemacht hat, hat er PHILIPP in einem offenen Gespräch mitgeteilt.

PHILIPP: Erzähl doch mal – du sagst selbst über dich, dass du asexuell aromantisch bist. Kannst du erklären, was das ist?

Robin: Da gibt es ja ganz viele Theorien. Es wird oft davon ausgegangen, dass es unter anderem so etwas wie sexuelle Orientierung, romantische Orientierung und ästhetische Anziehung gibt. Daran mache ich das persönlich auch fest. Wenn man das als Grundlage nimmt, erzeugt das eine krasse Komplexität, die unter dem Schirmbegriff Gray-A zusammengefasst wird. Bis vor einem Jahr war mir selbt überhaupt nicht bewusst, wo genau ich mich da einordnen sollte. Ich glaube, das muss jeder selbst wissen. Der aromantische Teil ist für mich wirklich in Stein gemeiselt, damit identifiziere ich mich vollkommen. Im Allgemeinen verbindet man mit dem deutschen Wort Romantik ja immer Rosen und Kerzen oder ähnliches, weswegen ich den Begriff echt unglücklich gewählt finde. Im Groben heißt das aber, dass ich keine romantischen Gefühle verspüre und keine romantischen Beziehungen eingehe.

Und was bedeutet dann Asexualität?

Was Asexualität angeht ist es nicht einfach schwarzweiß für mich und ich kann mich auch nicht komplett damit identifizieren, was Leute oft damit assoziieren. Es ist einfach einfacher das Label asexuell zu benutzen, weil ich nicht immer die Motivation besitze, mich anderen Menschen zu erklären. Aber an sich ist es bei mir schon spezieller, da es eben nicht so ist, dass ich keine ästhetische Anziehung verspüre, sondern einfach nicht den Drang habe, dieser nachzugehen. Ich habe nicht das Bedürfnis mit Menschen Sex zu haben.

Aber warum denkst du, müssen sich Menschen sexuelle Labels geben, warum muss man sich immer definieren?

An sich bin ich auch immer gegen den ganzen Labelwald gewesen, aber das Auseinandersetzen damit ist meiner Meinung nach enorm wichtig, um sich irgendwo wiederzuerkennen und sich dadurch besser selbst zu verstehen. Ich persönlich fand es belastend, Dinge an mir selbst nicht zu verstehen oder mich mit anderen Labels nicht identifizieren zu können. Deswegen habe ich mich informiert und so von diesen Konzepten erfahren. Die Labels sind im Grunde nur dazu da, sich selbst und den Menschen um sich herum eine Art Orientierung zu verschaffen. Es wird von der Gesellschaft erwartet, dass man seine Sexualität irgendwie beschreibt und deshalb ist es notwendig sich selber zu kennen. Das heißt an sich bin ich gegen Labels und hoffe auch, dass wir uns darauf hinbewegen, dass sie nicht mehr nötig sind, aber dazu muss das Wissen kategorisiert und in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Die meisten Menschen wissen nämlich nichtmal, dass so etwas existiert.

Glaubst du, dass sexuelle Orientierung genetisch bedingt ist?

Ich glaube es ist ein Mischding aus Nature versus Nurture. Ich kann mir gut vorstellen, dass es definitiv eine genetische Disposition gibt, und wie sich das dann im Leben entwickelt, ist, denke ich, ein individuelles Erlebnis. Das heißt, es kommt meiner Meinung nach sowohl auf die Gene als auch auf das Umfeld an. Aber es ist auf jeden Fall keine persönliche Entscheidung.

Befriedigst du dich selber?

Das ist für mich komplett natürlich, also ja, ich befriedige mich selbst. Ich verbinde das nur überhaupt nicht mit Sexfantasien, involvier mich da selbst nie. 

Wo beginnt Sexualität dann für dich?

Für mich fängt es erst beim reinen Akt an. Ich kann da nur für mich selber sprechen und das ist, denke ich, eine komplett individuelle Erfahrung. Ich ziehe die Grenze genau dort einfach aus dem Grund, dass es für mich sehr fremd wäre, Sex mit jemandem zu haben.

Hast du denn keine Angst später alleine zu sein, wenn du dich selbst nicht in einer romantischen zwischenmenschlichen Beziehung siehst?

Nein, überhaupt nicht; allein schon dadurch, dass es als Prinzip so fremd für mich ist, eine romantische oder sexuelle Beziehung zu haben. Es ist eben nicht so, als würde ich das Gefühl kennen und als würde mir dadurch etwas fehlen. Ich kenne es einfach nicht anders, deswegen bin ich komplett glücklich damit, alleine zu sein und meine Energie in Freundschaften zu stecken.

Wie hast du festgestellt, dass du asexuell bist?

Das war ein gradueller Prozess und eine ganze Menge Selbstreflexion. Ich fühle mich zu Männern hingezogen und habe mich die längste Zeit allein darüber identifiziert. Wenn man sich so viel mit Sexualität auseinandersetzt und vor allem, weil unsere Gesellschaft so auf Sex fixiert ist, fühlt es sich komisch an, noch nie Sex gehabt zu haben. Man fragt sich, ob irgendetwas nicht mit einem stimmt. In Situationen, in denen Menschen romantisches und sexuelles Interesse an mir gezeigt haben, war es mir extrem unangenehm und ich dachte, wie auch viele Menschen mir eingeredet haben (und immer noch tun), dass die richtige Person noch nicht dabei war oder der Zeitpunkt nicht stimmte. Das aber selber erlebt zu haben und ein generelles Muster dahinter zu erkennen, hat mir dabei geholfen, das zu akzeptieren und mich selbst nicht in Frage zu stellen.

Ist es schwer für dich, keinen Sex zu haben?

Nee. Das ist ja kein Vergleich zu einer sexuellen Person, die auf Sex verzichtet, da ich einfach nicht das Bedürfnis danach verspüre.

Würdest du Asexualität und Aromantik in unserem Alter als schwierig ansehen?

Mit der Aromantik ist es so, dass die Menschen das oft leichter verstehen und nicht so sehr hinterfragen. Viele haben mir auch schon gesagt, dass sie neidisch sind, weil mir dadurch viel Belastung und Drama erspart bliebe. Das ist also meistens überhaupt kein Problem. Bei dem Asexuellen dagegen ist es wirklich schwer, überhaupt Glauben geschenkt zu bekommen und dass es nicht einfach als Phase oder Wichtigtuerei abgestempelt wird. Es ist echt verletzend, wenn selbst enge Freunde das tun, obwohl man es selbst so deutlich spürt. Das ist schon in unserem Alter schwerer, als wenn man beispielsweise 40 ist, aber gerade deswegen finde ich es so wichtig, sich zu labeln.

Eine letzte Frage: Fühlst du dich in Marburg gut vertreten? Ich meine, es gibt ja beispielsweise Cheer Queer Parties oder auch Treffen von Menschen, die alternative Einstellungen zu Liebe haben.

Sexuelle Vielfalt und Toleranz sind in Marburg wirklich gut vertreten. Es ist auf jeden Fall cool, dass es solche Angebote gibt, auch wenn ich selber nicht das Bedürfnis habe, daran teilzunehmen. Dass so etwas existiert, bringt aber unheimlich viel für die Sichtbarkeit und das Bewusstsein von dieser Grauzone.

ÜBRIGENS Etwa ein Prozent der Deutschen betiteln sich selbst als asexuell. Falls ihr euch näher mit dem Thema beschäftigen wollt,  klickt hier und wenn ihr euch näher mit der Queer Partyreihe in Marburg auseinandersetzen wollt, findet ihr hier ihre Facebookgruppe.

FOTO: Marilyn Roxle auf flickr.com, CC-Lizenz.

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